Israelisches Serienkonzept auf Stadt der Liebe angewandt

Neue Serie: The Attaché

von Filip G.

Ein Beziehungsdrama in Zeiten des Terrors.© Quelle: Screenshot: YouTube / STARZPLAY Germany

Die Macher hinter den weltweit erfolgreichen Serien aus Israel wie „Shtisel" haben nun eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Anschläge auf das Bataclan-Theater 2015 herausgebracht. Die französische Hauptdarstellerin Héloïse Godet beantwortete uns exklusiv ein paar Fragen, wie die Dreharbeiten für sie als Nicht-Hebräischsprecherin verliefen und wie die Serie ihre Sicht auf das jüdische Leben in Frankreich geändert hat.

Am 13. November 2015 verübten Selbstmordattentäter im Auftrag des Islamischen Staates, ausgerüstet mit Sprengstoffwesten und Schusswaffen, Anschläge in Paris. Sie stürmten ins Bataclan-Theater, in Cafés, Restaurants und Bistros nah des Stade de France und ermordeten 130 Menschen. Der Angriff richtete sich wahllos gegen die gerade Anwesenden und hätte somit jeden treffen können.

All dies ereignete sich kein Jahr nach der Attacke auf die Redaktionsräume des Satiremagazins „Charlie Hebdo“.

Dort wollten Islamisten Rache für die Mohammed Karikaturen üben. Aus Paris, der Stadt der Liebe, ein Schauplatz des Schreckens machen. Es gäbe also weitaus bessere Tage für den Hauptprotagonist der Amazon-Starzplay-Serie „The Attaché Avshalom (Eli Ben David), um in Paris anzukommen.

Nach Paris war er seiner Frau Annabelle zuliebe gefolgt, gespielt von der französischen Schauspielerin Héloïse Godet. Annabelle hat in der israelischen Botschaft in Paris eine Anstellung als Kultur-Attaché angenommen. Die Anstellung ist auf ein Jahr befristet. Auch für den gemeinsamen Sohn Uri (Ilay Lax) ist es ein Sprung ins kalte Wasser: Er muss jetzt auf eine französische Schule gehen, ohne die Sprache zu sprechen.

Verschärfend hinzu kommt: Die meisten Franzosen wollen kein Englisch sprechen, wie auch der Direktor von Uris Schule. Dieser entgegnet auf Avshalom Fragen, man sei hier in Frankreich und habe Französisch zu sprechen.

YouTube: The Attaché | Offizieller Trailer | STARZPLAY
Offizieller Trailer zur Serie The Attaché

Avshaloms Familie ist marokkanischer Abstammung und gehört zu den Mizrachim. Damit sind aus dem Nahen Osten stammende Juden gemeint. Annabell gehört zu den aschkenasischen Juden, ist d.h. europäische Jüdin. Durch den Umzug nach Paris ist sie näher bei ihrer Familie, die zur gehobenen Schicht von Paris gehört. Diese machen keinen Hehl daraus, dass sie sich eine bessere Partie für die Tochter gewünscht hätten als einen Musiker. Als Mitglied einer bekannten Band verdiente Avshalom den Lebensunterhalt für die Familie.

In Paris angekommen, wendet sich das Schicksal der Familie in mehrfacher Hinsicht. Vorher war Annabelle, sie war als junges Mädchen ohne Sprachkenntnisse nach Israel eingewandert, eine Fremde im Land gewesen. Dies wird gleich in mehreren Filmsequenzen thematisiert. So erzählt ihr kleiner Sohn in einem Gespräch, dass sie gar kein richtiges Hebräisch spreche und Avshalom sie nie berichtigen würde.

Auch er machte sich über ihre mangelnden Kenntnisse der israelischen Nationalhymne lustig. Zwar wird er blaß, als Annabelle ihm von ihrer neuen Karrierechance berichtet. Doch wer an dieser Stelle eine machohafte Reaktion oder im weiteren Verlauf der Serie verletzte toxische Männlichkeit und entsprechend damit einhergehende Reaktionen erwartet, der wird eines Besseren belehrt. Avshalom unterstützt seine Frau bei ihren Karriereplänen, und stellt sich diesen keinesfalls in den Weg.

Doch er fühlt sich fehl am Platz und sichtlich unwohl als nach seiner Ankunft die Botschaft in Paris einen Empfangsparty zu seinen Ehren gibt. Kurz darauf kommt die nächste Hiobsbotschaft als sein Bandleader ihm am Telefon mitteilt, dass man ihn zur Fertigstellung des Albums nicht brauche. Und als ob der unerwartete Jobverlust nicht schon genug wäre, kommt es zum Streit mit Annabelle.

Avshalom zieht wie ein geprügelter Hund durch das nächtliche Paris. Weil er dabei Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung trägt, bemerkt er die ausbrechende Panik fliehender Leute um sich herum nicht. Als er durch einen Anruf seiner Frau von den Anschlägen erfährt und losrennt, gerät er in eine Polizeikontrolle. Die Polizisten halten ihn aufgrund seines Aussehens für einen Araber. Noch mehr „Kompetenz“ beweisen sie, als sie ein hebräisches Büchlein, das aus Avshaloms Tasche gefallen ist, als Beweis für dessen Zugehörigkeit zum ISIS deuten. Kurz darauf findet er sich in einer Zelle wieder aus der ihn seine Frau allerdings mithilfe der Botschaft  herausholen kann.

Die Terrorattacke bleibt nicht folgenlos für das Familienleben der Drei. Avshalom leidet vermehrt unter Verfolgungswahn und ist unsicher, ob man den Sohn mit dem Großvater unbesorgt ins Kino lassen könne. Selbst der arabische Cafébesitzer gerät plötzlich unter Verdacht.

Zu diesen Startschwierigkeiten kommen noch die Probleme beim Einleben. Avshalom ist plötzlich ein Niemand. Er spricht die Sprache nicht und muss auch die Erziehung des Sohnes übernehmen. Dieser spricht selbst kein Französisch und sticht mit seiner Lockenpracht aus den französischen Kindern heraus. Als Avshalom den Schuldirektor von Uris Schule nach weiteren jüdischen Kindern auf der Schule fragt, bejaht der Direktor dies zuerst enthusiastisch, nur um ihm dann eine Gedenktafel von deportieren jüdischen Kindern zu zeigen.

Trailer zur Serie The Attaché: https://youtu.be/CQPj4HD45MM

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Die Serie zeigt auch an anderen Stellen, dass der Antisemitismus zur traurigen Realität jüdischen Lebens in Frankreich gehört. Die Synagoge, in der Avshalom eine Anstellung als Musiklehrer annimmt, steht unter permanenten Polizeischutz. Und die Botschaft und deren Mitarbeiter erst recht. Trotzdem ist „The Attaché“ keine Actionserie wie „Fauda“ oder „Teheran“, sondern erzählt von den Herausforderungen, die eine neue Umgebung auf eine Partnerschaft haben können.

Die zehnteilige Serie wurde von Eli Ben-David geschrieben, der auch Regie führte und die Hauptrolle übernahm. Die Handlung basiert auf seinen Erlebnissen. Er zog ebenfalls nach Paris, als seine Ehefrau eine Anstellung in der israelischen Botschaft annahm.

Auf den Erfolg israelischer Serien angesprochen sagt Ben-David, dass Israelis gute Geschichtenerzähler seien. Weil aber für große Produktionen das Budget fehle, fokussiere man sich auf die Handlung und die Entwicklung der Charaktere und deren Beziehung zueinander. Manche Kritiker hätten zwar das abnehmende Tempo der Serie nach den ersten beiden Folgen bemängelt, aber „The Attaché“ ist nun mal mehr eine Liebesgeschichte.

Die Französin Héloïse Godet, die die Rolle der Annabelle verkörpert, sprach vor dem Casting für die Rolle kein Wort Hebräisch. Ihre hebräischen Textzeilen lernte sie auswendig und perfektionierte diese im Laufe der Dreharbeiten mit einem Sprachcoach.

Für diese Rezension beantwortete Héloïse Godet uns exklusiv ein paar Fragen (hier im Original belassen):

„Is it true that you don't speak Hebrew and therefore memorized your text?“

Filip G.

„I didn't speak a word of Hebrew when I saw for the first time the announce for the casting. So I asked to an Israeli friend to record my lines phonetically. Then I quickly had Eli's help to work on it and had a full-time coach to work 7/7. Little by little during this process, I learned to speak quite fluently. The funny fact about our shooting is that we were too short on time to translate all Eli's text in french for me, so... Even if I perfectly knew what Avshalom was saying to Annabelle, I sometimes would be unable to translate exactly all his lines... As we were rehearsing and rewriting our texts a lot together, by explaining it all precisely in english, I kind of learned by heart from our long rehearsals what Avshalom would say to Annabelle, getting used to the music of his text, without being able to read it again on paper before playing. After the shooting I went a bit to an Ivrit Oulpan to study the bases, because i was able to say very elaborate sentences, but with the grammatical knowledge of a 6 year old child....I even went a bit to a synagogue to study the texts and keep improving my reading... and still now, after travelling to Israel 12 times in 2 years, I keep learning with an online class, with new israeli auditions, with Israeli movies and songs... I don't understand all, but I can speak, read and write in hebrew now.“

Héloïse Godet

„Are you Jewish or have Jewish heritage?“

Filip G.

„I am not Jewish and I don't have Jewish heritage... But who knows... If someone was into digging about my Andalusia (South of Spain) 's mother's lineage back 500 years ago before the Inquisition, he might find some heritage there, haha.“

Héloïse Godet

„Did the series change your point of view about Jewish life in France?“

Filip G.

„I didn't have a specific point of view about Jewish life in France. After the series, it's just that I became... part of this life. This last Hanukkah with a parisian friend, I sang the benedictions to light the Menorah. She personally never learned it before, even if she's from a very traditional Jewish family. She was in shock by that, it was cute.“

Héloïse Godet

„Who is your favorite character in the series besides Uri? Mine is Marciano.“

Filip G.

„My favorite character in the series is Annabelle of course! Haha. But I wish I also had some comedy scenes like Avshalom did. I find Eli hilarious when he's in trouble with his french in the series, especially because I know that he's also using gibberish in his real Parisian life right now. The fiction is quite close to his reality in many aspects, so yes, "The Attaché" is his very personal, intimate and idiosyncratic story. That's mainly why it's touching people from all origins worldwide right now.“

Héloïse Godet

Unterstützung beim Drehbuch und der Entwicklung der Charaktere bekam Ben-David von keinem Geringeren al Ori Elon. Dieser zeichnete sich bereits verantwortlich für den Serienhit auf Netflix „Shtisel“.

Die Gespräche über die Produktion einer zweiten Staffel im Rahmen einer israelisch-französische Co-Produktion sind im vollen Gange.

The Attaché, zehn Episoden bei Starzplay/Amazon.

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