Eben rief mein Neffe an. Er führt eine Wäscherei, die in Alten- und Pflegeheimen Gardinen abhängt, reinigt und wieder aufhängt. Ein recht lukrativer Job, jedenfalls eine regelmäßige, einigermaßen krisensichere Einnahmequelle.
Er ist auch für die Aquise zuständig und freute sich vor ein paar Tagen über ein neues Altenheim, das auf sein Gardinenangebot jetzt ebenfalls zurückgreift.
Also gesagt, getan: Er mit seinen beiden Angestellten ins neue Altenheim. Da mein Neffe ein fleißiger junger Mann ist, packt er tatkräftig mit an, er gehört also zu den Jungunternehmern, die nicht nur am Telefon laut sein können, sondern die mit zufassen, wenn sie gebraucht werden.
An dem Tag begann er die Zimmer vorzubereiten, schaute, dass seine Mitarbeiter einen schnellen Zugang haben, sprach kurz mit den Bewohnern, damit die mitunter schreckhaften Alten ebenfalls auf den Servicebesuch vorbereitet sind.
Eine alte Dame lag im Bett, er sprach vorsichtig mit ihr, bekam aber keine Antwort, also dachte sich der Neffe: Lass ich sie halt schlafen.
Und während er also so mit den Gardinen im Zimmer beschäftigt ist, kommt von hinten eine der Altenpflegerinnen und fragt ihn in einem für diese stille Situation recht merkwürdigen Ton der Entrüstung: „Aber was machen Sie denn hier?“
Mein Neffe stellt sich wahrheitsgemäß als derjenige vor, der er ist: „Ich bin der neuen Gardinenservice, ich komme jetzt regelmäßig zu Ihnen.“ Dabei sieht er, wie er mir berichtete, fürsorglich zu der alten Dame auf dem Bett liegend hinüber, um zu schauen, ob sie von dem Gespräch etwa aufgewacht ist. Ist sie aber nicht.
Jedenfalls antwortet die Altenpflegerin ihm entrüstet und dabei mit dem Arm zur Person auf dem Bett weisend: „Ja sehen Sie denn nicht, dass die Frau tot ist?“
Nein, mein Neffe hatte es tatsächlich nicht bemerkt. Aber er hätte es bemerken können, denn Tote tragen keine Masken. Die Lebenden in dem Heim tragen sie hingegen alle.
Was vor Jahren noch unter schwarzem Humor hätte laufen können, hat heute keinerlei Potenzial mehr für einen rauen Scherz. Die Alten sind schon seit Beginn der sogenannten Pandemie die Leidtragenden.
War es ursprünglich so, dass man sie oft vorschob als Grund dafür, dass eine ganze Gesellschaft in Geiselhaft genommen wurde, sind die Alten mittlerweile die größte Opfergruppe des Corona-Regimes. Da ist kein Platz für Witze, sondern nur noch Empörung darüber, wie mit unseren Großeltern umgegangen wird.
Das, und nur das, soll diese kleine Begebenheit aufzeigen. Die Öbzönität des Lebens und Sterbens der alten Menschen in deutschen Alten- und Pflegeheimen, die viele von uns nur erahnen können, im nunmehr dritten politisch angeordneten Corona-Jahr.
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