Der Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor ist weihnachtlich geschmückt. Ich habe mein Fahrrad abgestellt und laufe die vier Reihen imposanter Traktoren ab, die um die Weihnachtstanne geparkt sind. Ihre Hinterräder sind größer als ein großer erwachsener Mann. Diese Imposanz ist nötig, um der Erde zu trotzen, die uns nährt. Alles weitere folgt daraus: Nur weil ein Mensch Nahrung für mehrere Menschen aus dem Boden ziehen kann, gibt es alles, was es sonst gibt. Nur weil die Erde mehr gibt, als man in sie hineinsteckt, ist Wertschöpfung möglich.
Es heißt immer, in Berlin gibt es nichts, was es nicht gibt. Landwirtschaftliche Leistungsträger könnten die Ausnahme sein, noch seltener gut gelaunte, eine Frau verteilt PiCK UP-Kekse. Ich schätze die versammelte Menge auf der anderen Seite des Brandenburger Tors auf drei- bis viertausend Menschen. Hunderte Trecker parken auf der Straße des 17.Juni. Sie protestieren gegen teures Agrardiesel. Einen E-Traktor kann ich nicht finden.
Was mir auch auffällt: Nach jahrzehntelangem Huldigen des Multi-Kulti haftet dieser Menschenmenge geradezu etwas Exotisches an, es sind ausschließlich Bio-Deutsche, die meisten im gestandenen Alter zwischen 40 und 50 Jahren, es gibt aber auch einige junge Menschen. Noch sind sie nicht fremd im eigenen Land. Sie sind aber auf jeden Fall fremd in Berlin.
Was würden diese Bauern zur sogenannten „Speisekarten-Angst“ sagen, frage ich mich. Laut einer Studie der New York Post leiden 86 Prozent der zwischen 18- und 24-Jährigen an „Speisekarten-Angst“. Das habe nur bedingt mit den Preisen zu tun. Viele hätten Angst, nicht zu finden, was ihnen schmeckt, oder nach dem Essen das Gefühl, das Falsche bestellt zu haben. Manche sind gar so verängstigt, dass sie ihre Begleitung bitten, mit dem Kellner zu sprechen.
Manche würden sagen, denen gehts zu gut. Wenn Landwirte protestieren, kann sich das schnell ändern.
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von Helmut Müller
Die Bauern werden weiter CDU/CSU wählen, und die Bio-Bauern grün. Der kognitive Vorsprung zum Rest der Bevölkerung, die gutmenschelnd tolerant die anderen Parteien der SED 2.0 wählt, ist nicht vorhanden.
Die Vorgehensweise samt Anzahl der jeweiligen Opfer ist bekannt: Der große Sprung (Mao), der lange Marsch (Pol Pot), Lyssenko/Holodomor (Stalin), und jetzt eben die "Große Transformation".
Immer war die Landwirtschaft bzw. deren Verhinderung das Ziel der Maßnahmen, stets begleitet von den Aussichten auf eine glückliche Zukunft, in der mühelose Gerechtigkeit und Wohlfahrt für alle herrschen würde.
Wer glaubt, dass Menschen je Widerstand geleistet hätten oder leisten würden, darf gerne in der Geschichte nach Anzeichen dafür suchen.
Liebe Kinder, gebt gut acht: Morgen, Kinder, wird's nix geben.
melden
Kommentar von Carl Peter
“Speisekarten-Angst” ist eine feine Luxusangst - unter all den lebensbedrohlichen Ängsten.
Als ich mich mal ganz intensiv einer ganz speziellen Küche widmete, hatte ich sie auch - aushäusig zu essen, oder sogar Einladungen von Freunden zu folgen, war praktisch ausgeschlossen.
Diese Erfahrung kam mir in den letzten Jahren zugute, als Gastwirte mich garnicht bewirtet haben, Freunde gar keine mehr waren und banale Todesangst vor der drohenden Impfpflicht, mich im eigenen Haus wie in einem kriegsbedrohten Bunker fühlen und leben ließ - eine Speisekarten-Angst kam da garnicht erst auf.
Eine gewisse Versorgungs-Angst war aber da, von Landwirten der Umgebung gab es gewisse Warnzeichen, aber man spielte das Märchen “Vom großen und vom kleinen Klaus” erstmal mit, obwohl in der Wirklichkeit der große Klaus gewinnt.
Wir kauften beim kleinen Klaus und den großen Discountern, so what, wir achten auf jeden Cent, der uns nicht vom allgemeinen Wahnsinn rausgeleiert wird.
Mit einiger Besorgnis erwarten wir das Wunder vom Wiederaufbau der Ukraine durchs Grosskapital, die saure Gurkenzeit geht also weiter für uns - und auch für den echten kleinen Klaus.
melden
Kommentar von Enthor Grundbacken
Speisekarten-Angst? Das ist ja gar nichts! Ich kenne Menschen, die eine Arachno-Klebo-Phopie haben, also die Angst, dass ihnen eine Spinne am Gaumen kleben bleiben könnte.
Ist die Welt nicht doch noch wunderbar? Ich könnte regelmäßig herzhaft darüber lachen, wie bescheuert der Homo Sapiens eigentlich ist.
melden
Kommentar von Tim Spieker
Ein paar Anmerkungen zum Wegfall der Agrardieselsteuerbefreiung:
Im europäischen Vergleich zahlen die deutschen Bauern viel, viel mehr. Das ist völlig ungerecht wenn man mit denen im Wettbewerb steht.
Kleinbetriebe die unter 1862 Liter Jahresverbrauch erhalten eh keine Steuererstattung. Ergo, es ist eine Subvention für die Großbetriebe. Das sieht man auch auf den Bildern, was da für Schlepperkolosse angefahren kommen.
Also mal wieder eine vermurkste Situation, einerseits möchte man den Bauern die Erstattung gönnen, wenn man jedoch sieht, dass es nur für die großen ist, dann hält sich meine Befürwortung in Grenzen.
melden
Kommentar von Karsten Maltinger
Klare Forderung vor dem Brandeburger Tor: https://youtu.be/zvIWMVAwz9g
melden
Kommentar von Stefan Wietzke
"Laut einer Studie der New York Post leiden 86 Prozent der zwischen 18- und 24-Jährigen an „Speisekarten-Angst“. "
Komischerweise kenne ich absolut niemanden mit einer derartigen schweren physischen Hirnstörung. Aber Blätter wie die New York Post berichten ja ohnehin ausschließlich aus dem Teil der Bevölkerung der in halbwegs funktionsfähigen Gesellschaften ausnahmslos in Anstalten mit vielen gepolsterten Zimmern verbracht würde.