Auch ein knappes Jahr nach Gründung ist das Bündnis Sahra Wagenknecht für viele Wähler ein Überraschungspaket, mit dem man über die Namensgeberin hinaus wenig anzufangen weiß.
Die Wahlerfolge in den neuen Bundesländern waren zuallererst auf Sahra Wagenknechts Popularität zurückzuführen, die über Jahre und dank wohlmeinender Presse einen Hype um ihre Person ausgelöst hatte, dem sich auch die Neuen Medien nicht entziehen konnten.
Wie kann man sich dieser neuen Partei annähern um besser zu verstehen wer und was sich tatsächlich dahinter verbirgt? Aktuell liest und hört man von Sahra Wagenknecht Mitteilungen und Forderungen zu Rententhemen, zur Migration und zur Ukraine im Paket. Wöchentlich werden von der Parteivorsitzenden alle ungelösten und festgefahrenen Themen aufgenommen und per Lautsprecher angeprangert.
Die Presse spielt wohlwollend mit. Was die BSW-Chefin aufnimmt und anstößt wird auch verbreitet. Meistens neutral, manchmal kritisch aber immer medial werbewirksam und maximal breit gestreut.
Lösungen bietet Frau Wagenknecht in ihren Ausführungen allerdings kaum an. Sie hat sich als Protestsprachrohr etabliert. Sahra Wagenknecht erkennt sehr präzise, wo der Ball ins Schlingern gekommen ist, nimmt ihn auf und stößt ihn weit ins Feld. Das bringt Raumgewinn, das Tor allerdings wird so nicht getroffen und Regierungserfahrung, an der man das BSW messen könnte, gibt es ebenfalls keine.
Hinter den Kulissen agiert Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine, von dem man sicher annehmen darf, dass er eine gewichtige Rolle in der politischen Ausrichtung der Partei seiner Frau spielt. Öffentlich hat er sich zu Beginn des BSW geschickt weit hinter Wagenknecht gestellt und mit seinem politischen Rentnerleben kokettiert. Erst nach den herausragenden Prognosen für das BSW wurde sein Eintritt in die Partei bekanntgegeben.
Schaut man sich die wenigen Mitglieder und den Vorstand des BSW an, finden sich neben wenigen Parteilosen überwiegend Überläufer der Linkspartei. Wer sonst noch dazugehören will, muss sich bewähren. In Rockerkreisen werden solche Nichtmitglieder auf Bewährung „Prospect“ genannt.
Aktuell sehen wir also in den Reihen des BSW hauptsächlich ehemalige Mitstreiter von Wagenknecht und Lafontaine. Und ihre Anzahl ist so knapp bemessen, das man bald fürchten muss, dass bei einem größeren Erfolg die Anzahl der aufgestellten Mitglieder nicht einmal ausreicht, um die gewonnenen Mandate zu bedienen.
Eine Distanz zum Parteiprogramm der Linken lässt sich kaum ablesen, zu wenig Neues an eigenständigen Ideen konnte auf die Schnelle zusammengeklöppelt werden.
Wie sieht es mit den einzelnen Mitgliedern aus? Aus den Reihen des BSW wird versucht zu vermitteln, dass die Überläufer allesamt qualvolle Jahre der politischen Untätigkeit in den Reihen der Linken hinter sich haben und Wagenknechts Parteigründung Erlösung für sie war.
Aber war es nicht viel mehr der fortschreitende Niedergang der Linken, der den Wechsel einiger linker Berufspolitiker zum BSW beschleunigte? Eine Pokerrunde um Mandate?
Aber machen wir es konkreter: Seit der Friedensdemonstration am 03.Oktober 2024 rückte BSW-Mitglied Ralf Krämer in den Fokus des Interesses.
Krämer war neben Rainer Braun Hauptverantwortlicher und Organisator der „Friedensdemonstrationen“. Dass ist schon deshalb befremdlich, weil das BSW am 03.Oktober zwar mit Wagenknecht als Gastrednerin auftrat, zur Teilnahme an der Friedensdemo aufrief, aber den Eindruck erwecken wollte, als habe man mit der Veranstaltung sonst nichts am Hut.
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Lag es vielleicht daran, dass eine reine BSW-Parteiveranstaltung die Besucherzahlen nicht erreicht hätte? Bisher lag das Besucheraufkommen bei BSW-Veranstaltungen nämlich allenfalls im Bereich von wenigen Hundert bis maximal ein paar Tausend Interessierten.
Das BSW hatte im Oktober in Berlin das Format „Friedensdemo“ in eine Partei-Veranstaltung umgedreht. Mitglied Ralf Krämer war der Organisator. Der hatte neben Wagenknecht eine illustre Runde anderer Gäste dazu gebeten. Mit dabei war auch Lafontaine Freund Peter Gauweiler (CSU). Auch der norddeutsche SPD-Dauernörgler Ralf Stegner war eingeladen, wurde aber von Wagenknecht nach seiner Rede und nach lautstarken Publikumsprotesten gnadenlos abserviert. Stegner hatte sich und seiner Partei mit seinem Auftritt auf der BSW-Bühne einen schlechten Dienst erwiesen.
Wer ist dieser Ralf Krämer vom BSW, der Wagenknecht die Bühne in Berlin vorbereitet hatte? Wie Wagenknecht und Lafontaine hat auch Krämer öfter mal die Partei gewechselt. Er wanderte von der SPD zur PDS/WASG und zum BSW.
Krämer war 2004 einer der Initiatoren des WASG, der auch Lafontaine 2005 beitrat. Wie auch Lafontaine erlebte Krämer den Anfang seiner politischen Karriere in der SPD und schaffte es dort bis zum Landesvorsitzenden der Jusos und später in den Landesvorstand der nordrhein-westfälischen SPD. Wie Lafontaine trat auch Krämer in den 2000 Jahren wieder aus der SPD aus.
Im Oktober 2023 – einen Monat nach Gründung des BSW – veröffentlichte Krämer auf Telepolis einen Artikel zur Parteigründung des BSW. Hier beschreibt das spätere BSW-Mitglied ausführlich welches Programm er sich für die Partei von Sahra Wagenknecht wünscht. Wie schon als Initiator beim WASG möchte Krämer auch aktiv an der Programmgestaltung mitwirken und Einfluss nehmen.
Krämer nimmt im Artikel kein Blatt vor den Mund. Erstaunlich offene spricht er über eine Taktik, die heute beim BSW erkennbar umgesetzt scheint:
„Es ist daher klar, dass sich eine neue Partei nicht als 'links' oder auch als ‚sozialistisch‘ öffentlich präsentieren sollte, wenn sie erfolgreich sein will.“
Weiter schreibt Krämer:
„Ich halte es für notwendig, das möglichst viele vernünftige Leute mit fundierten, auch marxistisch qualifizierten Positionen und politischen Erfahrungen aus der Linken und anderen sozial orientierten Parteien, den Gewerkschaften und anderen Verbänden und Vereinen sowie aus Kultur, Medien und Wissenschaften in einer neuen Partei mitmachen oder sie im Umfeld unterstützen.“
Krämer schreibt, dass ohne eine harten Kern solcher Personen (marxistisch qualifiziert und mit politischen Erfahrungen aus den Linken) eine erfolgreiche und politisch vernünftig orientierte Partei auf Dauer nicht zu machen sei.
Das der Organisator und Initiator der Friedensdemo Wagenknecht, Lafontaine und das BSW ein Jahr später auf die Große Bühne bringt, kann als Positionsleuchte gelesen werden. Seine scharfen Skizzen zum Parteiprogramm hatten weder Wagenknecht noch Lafontaine vergrault. Es darf sogar angenommen werden, das Krämer einer der Spindoktoren des BSW ist – nah dran an seinem alten Spezi Lafontaine – man hat eine lange gemeinsame Wegstrecke hinter sich gebracht.
Krämer ist ein Missing Link, um zu verstehen, wohin die Reise des Bündnis Sarah Wagenknecht eigentlich geht. Bis hin zu seinen unverhohlenen marxistisch-leninistischen Positionen zeigt Ralf Krämer sehr deutlich was vom BSW zukünftig zu erwarten ist. Aktuell präsentiert Krämer auf seiner Webseite eine Publikation, die er unter anderem wie folgt vorstellt:
„Der Autor schlägt einen Bogen von der Marxschen Wert- und Mehrwerttheorie über grundlegende Zusammenhänge und Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Gesamtwirtschaft bis zu den Krisenprozessen des Finanzkapitalismus.“
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Kommentar von Heinz Schattanek
Das BSW ist ein hybrider politischer Haufen, gegründet von einer Narzisstin, gecoacht von windigen Figuren aus vulgärmarxistischen Zirkeln zum Zwecke der Fraktalisierung der Gesellschaf.
Ich hatte erwartet, dass die Sahra den Oskar, bei dem Altersunterschied, dereinst beim Sterben begleitet. Es wird aber wohl anders herum laufen, offenbar begleitet Oskar seine Sahra beim politischen Sterben. Oder nehmen die beiden ernsthaft an, im Osten nach Sachsen und Thüringen, noch einen Fuß auf die Matte zu bekommen. Und im Westen ist die Schickeria der Salonkommunisten zu klein und zudem durch pseudointellektuelle Anarchosyndikalisten für immer verbrannt.
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Kommentar von F. Lo
Ich finde es bemerkenswert, dass sich gestern bei den namentlichen Abstimmungen kein BSW-Mitglied klar geäußert hat. 8 Personen haben sich enthalten, 2 nicht abgestimmt – in einer doch wirklich wichtigen politischen Frage. So bleibt man als potenzieller theoretischer Unions- oder auch Grün/Rot-Koalitionspartner „rein“.