Von RA Dirk Schmitz
Der Angriff auf die Schöffen: Wenn die Justiz das Volk abschaffen will
Die deutsche Justiz steht vor einem Umbruch – und er riecht nach Elfenbeinturm. Ehrenamtliche Schöffen, die in Strafprozessen für gesunden Menschenverstand und Bürgernähe sorgen, sollen weg. CDU und SPD schützen dieses Vorhaben stillschweigend, während ein Jurist aus Leipzig, Dr. Oliver Harry Gerson, die intellektuelle Vorhut bildet. Sein Plan: Schöffen als „überholte Ornamente des Misstrauens“ abschaffen. Warum? Weil sie angeblich keinen Mehrwert bringen und die Justiz vor „rechter Instrumentalisierung“ geschützt werden muss. Ein Vorwurf, der so dünn ist wie Papier.
Schöffen: Der letzte Rest Volk in der Justiz
Über 60.000 Schöffen und 40.000 ehrenamtliche Richter wirken an deutschen Gerichten mit. Sie bringen Lebensnähe und soziales Wissen ein – genau das, was Berufsrichter oft vermissen lassen. Doch Gerson, Vertreter einer Professur für Strafrecht an der Uni Leipzig, behauptet: Laien seien überflüssig. Rechtsanwendung sei ein „rational-schöpferischer Akt“, den nur Juristen meistern. Schöffen? Fehl am Platz. Sie verstünden die Fachsprache nicht und könnten weder Fehler aufdecken noch „Lebenswissen“ sinnvoll beitragen.
Die Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) sieht das anders: Schöffen urteilen „billig und gerecht“, mit Blick auf soziale Realitäten. Doch Gerson winkt ab. Ein pensionierter Lehrer wisse nicht mehr über Bremswege im Verkehrsrecht als ein Richter. Bürger seien eben nur Bürger – mit Meinungen, aber ohne „weiterführende Ahnung“.
Die „rechte Gefahr“: Ein Popanz
Gerson zieht ein Todesargument aus der Schublade: Schöffen seien eine Gefahr, weil „rechte Gruppen“ wie NPD oder Pegida 2018 dazu aufriefen, ihre Leute in Schöffenämter zu bringen. Ergebnis der Schöffenwahl 2023? Null Rechtsruck. Keine Spur von „ideologisierten Schöffen“. Das Amt ist unpolitisch, die Fälle meist Alltag. Doch Gerson insistiert: Die Gefahr sei „nicht geringer geworden“. Seine Lösung? Schöffen abschaffen, bevor die nächste Wahl 2029 ansteht.
Das klingt nicht nach Sorge um die Justiz, sondern nach Angst vor dem Volk. Wenn Schöffen „subjektiv“ urteilen, wie Gerson kritisiert, was ist mit Berufsrichtern? Sind die immun gegen politische Einflüsse? Ein Blick auf manche politisch gefärbten Urteile – etwa zur Meinungsfreiheit oder zu Gewaltdelikten – zeigt: Gerade Berufsrichter sind nicht immer neutral. Warum also die Bürgerbeteiligung kappen, statt die Unabhängigkeit der Justiz insgesamt zu stärken?
Staatsanwälte als Kontrolle? Ein Witz
Gerson toppte seine Argumentation mit einem Vorschlag, der jedem Rechtsstaat Hohn spricht: Staatsanwälte sollten die Gerichte kontrollieren. Ja, richtig gelesen. Die Exekutive soll die Judikative überwachen. Wer so etwas vorschlägt, hat den Begriff „Gewaltenteilung“ nicht verstanden.
Warum das gefährlich ist
Schöffen sind kein Luxus, sondern ein Schutzwall. Sie verhindern, dass die Justiz zum Selbstbedienungsladen politischer Eliten wird. Ohne sie droht eine Justiz, die sich vom Volk entkoppelt und nur noch sich selbst dient. Gerson mag das „hermetische“ Recht der Experten feiern – doch genau das macht Bürger misstrauisch. Wenn die Justiz keine Laien mehr duldet, warum sollte das Volk ihr dann vertrauen?
Die Wahrheit ist: Schöffen stören diejenigen, die Rechtsprechung als Machtinstrument sehen. Sie sind der letzte Rest Demokratie in den Gerichtssälen. Wer sie abschafft, sagt leise, aber deutlich: „Das Volk muss weg.“
Dirk Schmitz M.A., seit 1991 Rechtsanwalt, langjähriger ehrenamtlicher Richter, Kommunikationswissenschafter, engagierter Verteidiger. Schmitz sieht durch den Zeitgeist Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit gerade in Masken- und Impfzeiten in Gefahr. Als “alter Liberaler” ohne FDP-Hintergrund steht Schmitz für Bürgerrechte und “die Freiheit des Andersdenkenden”.
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Kommentare
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Kommentar von Joly Joker
Schöffen - ich wurde mal deshalb angeschrieben und habe aus beruflichen Gründen abgelehnt. Ich hätte das gerne gemacht. Und mir fällt da noch ein Punkt ein: Schwurgerichte gab es mal in Deutschland. Warum haben wir das 1929 abgeschafft? Hatte die Weimarer Republik Angst oder waren sie nur lästig?
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Kommentar von winfried Claus
Habe als WSchöffe die Erfahrung gemacht, das die Mehrheit der Schöffen vollig Inaktiv ist. Ja man hat Einfluss und wenn man sich einig ist kann man den Richter überstimmen. In einer Zeit wo die Opposition nur noch eine Partei ist und die SED als Sozialistische Einheitspartei zurück ist, wird die Opposition als "Rechte" bezeichnet. Das konnte die DDR besser!
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Kommentar von .TS.
Auch vor Justitia: Der Souverän als potentiell unabhängiges Kontroll- und Korrekturorgan stört im Regime nur noch, daher muß er weg.
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Kommentar von Ego Cogito
Den Bock zum Gärtner machen, oder den Hund zum bewachen des Wurstvorrates!
Die gekauften wollen die unbedingte Lufthoheit! Jeder Bürger mit gesundem Menschenverstand stört da nur.
So geht "unsere Demokratie", das gesamte System ist unterwandert und sieht den Bürger als das Übel schlechthin an. Nur seine Steuergelder kann man "gerade noch so akzeptieren", wir sind im Endstadium von Absurdistan.
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Kommentar von Micha
"Schöffen denken meist nicht selbst, sondern schließen sich fast immer der Meinung des Richters an."
Sagte mal eine Schöffin des Arbeitsgerichts zu mir.
Sie hatte verlangt, dass bei der Beratung der Richter nicht als erster, sondern als letzter spricht. Hat dem gar nicht gefallen. Klar, er wollte damit die Abstimmung beeinflussen (Richter und Schöffen haben gleiches Stimmrecht - somit können die Schöffen den Richter überstimmen).
Sie stimmte oft gegen den Richter, was diesen auch nicht gefiel. Und nein, nicht immer zu Gunsten der Arbeitnehmer, durchaus auch zu Gunsten der Arbeitgeber. Es ging ihr um Recht, nicht darum, dass sie auf Vorschlag der Gewerkschaft dort saß und selbst Arbeitnehmerin war.
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Kommentar von F. Lo
„Aber ist ihre Mitwirkung noch zeitgemäß? Oliver Harry Gerson bezweifelt das, die Beteiligung von Laien habe für die Entscheidungsfindung im Strafprozess nahezu keinen Mehrwert.“
Ach ja, Volljuristen bleiben evtl. gern unter sich und interpretieren Paragrafen/urteilen in ihrem professionellen Sinn. Ich gebe zu, von der Arbeit von Schöffen kaum Ahnung zu haben. Was mir beim Lesen des Textes aber zuallererst durch den Kopf schoss: Warum singt der Bundestag denn eigentlich neuerdings ein Loblied auf „Bürgerräte“, sprich politische Laien?
Website des Bundestags: „Bürgerräte sind Versammlungen von 30 bis 200 per Los zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die ... ein vorgegebenes Thema diskutieren und der Politik ihre Handlungsempfehlungen als Bürgergutachten übergeben. Sie erhalten Hintergrundinformationen von Expertinnen und Experten, … Bürgerräte bilden die Vielfalt der Bevölkerung (‚Deutschland im Kleinen‘) anhand vorab festgelegter Kriterien ab. In den letzten Jahren wurden sie in verschiedenen Ländern auch auf nationaler Ebene erprobt, beispielsweise in Irland. Dabei hat sich gezeigt, welchen Mehrwert sie bieten: Sie machen ein Stimmungsbild der Bevölkerung sichtbar, das weitaus genauer ist als Meinungsumfragen, und zeigen auf, wo genau in einer Debatte die ‚Knackpunkte‘ liegen. Sie binden Alltagserfahrungen der Menschen ein und produzieren praxisnahe Empfehlungen. Sie lassen Kompromisslinien und mehrheitsfähige Vorschläge erkennen. Sie führen unterschiedliche Positionen zusammen statt zu polarisieren und können so helfen, gesellschaftliche Konflikte zu befrieden.“
Wenn es um „Ernährung im Wandel“ geht, „Bildung und Lernen“ oder „Steuer- und Finanzgerechtigkeit“ oder „Fakes/Desinformation“ oder die „Verkehrswende“ (siehe www. buergerrat. de, Bundesweite Bürgerräte), sind also Nicht-Fachleute prädestiniert, Politiker in Bürgerdebatten quasi zu inspirieren. Aber zu Juristischem i. e. S. sollen sie sich lieber nicht äußern?