Ein Mann, der polarisiert und polemisiert, ordentlich austeilt und dafür auch immer wieder einsteckt. Matthias Matussek arbeitete viele Jahre lang beim Spiegel, als dieser noch Auflage, Klasse und Renommee besaß. Der 67-Jährige berichtete in den 90er- und 00-Jahren für das Magazin als Korrespondent aus Metropolen und von Brennpunkten der Welt, leitete von 2005 bis 2008 das Kulturressort, fiel dann aber in Ungnade. Der Grund: Zu kritisch, zu eckig, zu anders. 2013 heuerte Matussek bei Springer an, wurde aber auch dort, nach nur zwei Jahren, abserviert. Über die Medienbranche urteilt er im Interview mit alexander-wallasch.de heute so: „Sie ist nicht mehr vierte Gewalt und Kontrolle der Regierung, sondern zur Propaganda-Abteilung derselben gewechselt. Dafür nimmt sie ihre eigene Marginalisierung in Kauf. Sie verliert an Auflage und Reichweite und Vertrauen der Leser“. Christian Göttner sprach mit dem kritischen Publizisten über Presse und Politik, Provokation und Persönliches.
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Christian Göttner: Herr Matussek, warum sind Sie Mitte der 70er Jahre Journalist geworden?
Matthias Matussek: Um meinen Lebensunterhalt nicht als trauriger Lehrer bestreiten zu müssen. Und natürlich, weil ich Karl Kraus verehrte und nacheifern wollte.
Christian Göttner: Wie würden Sie sich und ihren journalistischen Stil in ein paar Worten charakterisieren?
Matthias Matussek: Das überlasse ich anderen.
Christian Göttner: Was hat sie damals angetrieben, was wollten sie erreichen?
Matthias Matussek: In meiner eigenen Stimme gehört zu werden.
Christian Göttner: Was waren die prägendsten Erfahrungen und Erlebnisse in ihrer Karriere?
Matthias Matussek: Die Zeit der Wende 1989/1990, wie ich sie in meinem Buch „Palasthotel Zimmer 6101“ beschrieben habe. Ein Staat zerfällt und sucht sich neu. Im Übrigen habe ich damals die Liebe meines Lebens kennengelernt und geheiratet. Vor einigen Jahren feierten wir Silberne Hochzeit.
Christian Göttner: Welche Persönlichkeiten, die sie in Ihrem Leben getroffen haben, haben Sie am meisten beeindruckt?
Matthias Matussek: Mit Harold Brodkey war ich befreundet. Was für ein kluger, starker, großer, eitler, wunderbarer Autor. Als ich mein Jugendidol Mick Jagger traf, war ich star-struck: ich musste die ganze Zeit während des Interviews denken: Er ist Mick Jagger, und ich bin es kein bisschen. Und dieses Abendessen mit Arthur Miller bei Freunden, die für ihn und uns gekocht hatten. Wunderbar, ihn über Marylin Monroe reden zu hören.
Christian Göttner: Sie haben auch die rebellischen Beat-Poeten Allen Ginsberg und William S. Burroughs besucht. Was hat Sie an den Leitfiguren der literarischen Untergrundbewegung der 50er und 60er Jahre fasziniert?
Matthias Matussek: Sie waren so erlebnishungrig, so angstfrei, große Sucher, ständig unterwegs, Kerouacs „On the Road“ hat mich animiert, im VW-Bus mit Freunden nach Indien zu fahren.
Christian Göttner: Sex, Drogen, Waffen und wilde Abenteuer spielten eine große Rolle im Leben und Werk der Beat Generation. Wie wichtig waren diese Dinge, (eines ihrer Bücher ist programmatisch mit „Sucht und Ordnung“ betitelt), in ihrem Leben?
Matthias Matussek: In „Sucht und Ordnung“ erzähle ich, wie ich mit dem Rauchen aufhörte. Allerdings auch von früheren Abenteuern, etwa den Wochen im indischen Knast, wo ich wegen Haschisch-Schmuggels gelandet war.
Christian Göttner: Sie haben in den 90er Jahren in Berlin, New York und Rio de Janeiro gelebt und gearbeitet. Anfang der 2000er Jahre auch noch in London. Wo war es am intensivsten?
Matthias Matussek: Alle Stationen waren toll. In New York kam unser Sohn zur Welt. In Rio lebten wir eigentlich nur in Badehose und genossen Strand, Fußball und Karneval, und in London kehrten wir als halb Verwilderte in die Zivilisation zurück. Der harte Überlebenskampf als deutscher Journalist unter englischen Kollegen führte zu den wunderbarsten Reportagen und Glossen und Messerstechereien.
Christian Göttner: Auf was sind sie in ihrem Leben besonders stolz?
Matthias Matussek: Auf meinen Sohn.
Christian Göttner: Sie waren viele Jahre lang ein angesehener und mit Preisen ausgezeichneter Vertreter der deutschen Medienbranche, haben unter anderem für das Magazin Spiegel und die Zeitung Die Welt gearbeitet. Wann und warum hat sich ihr Verhältnis dazu verändert?
Matthias Matussek: Der Spiegel und ich haben uns voneinander entfernt, als der Spiegel ein linkes, wokes, einfältiges Magazin wurde und mir aus ideologischen Gründen verbot, über Themen zu schreiben, über die ich meine Bestseller „Die vaterlose Gesellschaft“, „Wir Deutschen“, „Das katholische Abenteuer“ geschrieben hatte, also: Familie, Nation, Glauben.
Christian Göttner: Wie hat sich die deutsche Medienbranche in den letzten Jahrzehnten gewandelt und wie würden sie diese aktuell beschreiben?
Matthias Matussek: Darüber habe ich mein vorletztes Buch geschrieben „White Rabbit“, eine Innenaufnahme unserer Branche. Sie ist nicht mehr vierte Gewalt und Kontrolle der Regierung, sondern zur Propaganda-Abteilung derselben gewechselt. Dafür nimmt sie ihre eigene Marginalisierung in Kauf. Sie verliert an Auflage und Reichweite und Vertrauen der Leser. „White Rabbit“ heißt ein psychedelischer Song der amerikanischen Rock-Gruppe Jefferson Airplane – ich glaube unsere Branche hat in diesem pinkfarbenen Airplane Platz genommen und zu viel LSD eingeworfen. Und sie versucht, auf diese Art benebelt, die Leser zu erziehen, statt zu informieren.
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Christian Göttner: Den Medienmarkt beherrschen vor allem Großkonzerne wie die Axel Springer SE, Bauer Media Group, Bertelsmann, Hubert Burda Media und die Funke Mediengruppe, die ihren Content flächendeckend in Print und Digital ausspielen. Gibt es genügend Medienvielfalt in Deutschland?
Matthias Matussek: Zunehmend mehr, denn es hat sich gezeigt, dass neben den eingeführten Marken, die ihre Leser betrügen, alternative Medien entstanden sind und mir zur Verfügung stehen wie die Weltwoche in Zürich unter ihrem Chef Roger Köppel und Tichys Einblick, Reitschuster, die Junge Freiheit, Krautrock, Ruhrbarone und unzählige weitere Blogs.
Christian Göttner: Sie gelten in Medienkreisen mittlerweile als „toxisch“, als Persona non grata. Können Sie den Unmut ihrer Kollegen verstehen?
Matthias Matussek: Nö. Und dann wiederum: klar! Ich erinnere sie an die Gefängnisse, aus denen ich ausgebrochen bin.
Christian Göttner: Würden Sie, wenn Sie könnten, einige ihrer „sündigen“ Äußerungen, Texte oder Auftritte der Vergangenheit, gerne rückgängig machen? Wenn ja, welche?
Matthias Matussek: Nö. Für die umstrittene Formulierung in der Welt „Ich bin wohl homophob und das ist auch gut so“, eine Replik auf die Berliner Partybürgermeister-Katastrophe Wowereit, hätte man mir in der Redaktion des Spectator eine Pulle Schampus hingestellt. Immerhin haben sie sie erst gedruckt, um sich dann fürchterlich aufzuregen.
Christian Göttner: Haben sich viele ihrer Freunde wegen ihrer kritischen Haltung von ihnen abgewandt? Welche Sicht haben sie dadurch auf die Menschen bekommen?
Matthias Matussek: Es gibt einige, deren Abwendung ich bedauere: Schriftsteller, Kollegen, gute Freunde. Gleichzeitig habe ich neue Freunde gewonnen, die Respekt für meine Gradlinigkeit haben.
Christian Göttner: Sie sind leidenschaftlicher Katholik. Wie oft gehen sie in die Kirche zur Beichte? Kommen sie in den Himmel? Und wie geht’s weiter für uns nach dem Tod?
Matthias Matussek: Das möchten Sie wohl wissen, oder? Ich auch. Tu ich aber nicht, und das ist auch gut so. Aber ich hoffe, ich glaube, und ja, ich gehe sonntags in die Kirche, weil ich diese Stunde für meine Gespräche mit meinem Schöpfer brauche. Allerdings rede ich täglich mit ihm, um mich bei ihm zu bedanken für dieses erfüllte und reich beschenkte Leben.
Christian Göttner: Sie haben sich selbst als „Sympathisant der Identitären“ bezeichnet. Was bedeutet das genau?
Matthias Matussek: Dass ich deren Einsatz für unsere kulturellen Wurzeln, unsere Traditionen, für Familie, Nation, Glaube (siehe oben) gut verstehe, und dass ich die Flutung unserer Lebensrealität mit Moslems, die unsere Werte nicht teilen, ja gar nicht begreifen, für äußerst gefährlich halte. Und in keiner Nation auf der Welt würde ein Transparent herumgetragen werden wie das, unter dem ein Teil unserer Regierungsparteien laufen, nämlich „Deutschland du mieses Stück Scheiße“. Ich bin also in dieser Hinsicht der Meinung unseres Altkanzlers Helmut Schmidt, Gott hab ihn selig.
Christian Göttner: Wir leben im Zeitalter der political correctness, in dem alles was man tut, sagt und schreibt umgehend reflektiert und bewertet wird. Wie nehmen sie diese Umstände wahr?
Matthias Matussek: Na, wenn sie reflektieren würden, wäre das ja in Ordnung.
Christian Göttner: Ihre Kritiker werfen ihnen unter anderem Polemik und Beleidigung vor. Warum haben sie so viel Spaß an der – für viele Menschen anscheinend grenzüberschreitenden – Provokation?
Matthias Matussek: Alles harmlos gemessen an dem, wie sich die größten deutschen Journalisten im 19. Jahrhundert, Heinrich Heine und Ludwig Börne, beschimpft haben.
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Christian Göttner: Einige Satiriker haben sie als Zielscheibe ausgemacht und scharf angegriffen. Sie haben sich teilweise juristisch zur Wehr gesetzt. Wo hört bei Ihnen der Humor auf?
Matthias Matussek: Wenn mit falschen Karten gespielt wird. Wenn sich, wie bei der ZEIT geschehen, ein junger Schreibknecht unter dem Vorwand, mein neues Buch zu besprechen, einschleicht, um mich hinzurichten. Oder ein dumpfer Komiker um mich monatelang wirbt und bettelt, nur um das gleiche zu tun. Was für elende gekrümmte Kreaturen.
Christian Göttner: Ein anderer Journalist, der immer wieder scharf kritisiert wird, ist der Boulevard-Journalist und Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Wie beurteilen sie seinen Fall bei Springer?
Matthias Matussek: Schade. Reichelt hat aus der Bild-Zeitung ein richtig spannendes, oppositionelles Blatt gemacht.
Christian Göttner: Eines ihrer Bücher heißt „Außenseiter – Von Rebellen, Heiligen und Künstlern auf der Klippe“. Warum sind Außenseiter, Andersdenkende und Auflehner wichtig für unsere Gesellschaft?
Matthias Matussek: Ich glaube an den Einzelnen und seine Freiheit. Ich halte es mit dem großen Gustave LeBon, der in seiner „Psychologie der Massen“ schrieb: „Die Masse ist dem alleinstehenden Menschen intellektuell stets untergeordnet“.
Christian Göttner: Im März 2018 traten sie als Redner auf einer „Merkel muss weg“-Kundgebung vor dem Hamburger Bahnhof auf und kritisierten die „Islamisierung“. Jetzt ist Angela Merkel weg. Sind sie zufrieden?
Matthias Matussek: Nö. Denn ihr Nachfolger hat sich mit dem gleichen Programm, ja sogar mit dem Zeichen der Raute, an die Macht schlawienert, zur Überraschung aller. Und jetzt haben wir den Salat: Deutschland fährt energiepolitisch in die Katastrophe, sicherheitspoltisch ist unser Land ein Witz geworden, aber es bildet sich unter dieser neuen Regierung wie unter der alten, tatsächlich ein, die Welt retten zu können. Wie gesagt: zu viel LSD.
Christian Göttner: Was haben sie gegen den Islam?
Matthias Matussek: Zuviel steinigen, verhüllte Frauen, zu viel Mord und Totschlag.
Christian Göttner: Wird mit der Ampel-Koalition jetzt alles besser in Deutschland?
Matthias Matussek: Natürlich nicht.
Christian Göttner: Was halten sie vom neuen Bundeskanzler Olaf Scholz? Wird er uns aus der Krise führen?
Matthias Matussek: Ganz sicher nicht, er ist ja unsichtbar geworden...
Christian Göttner: Ist die AFD wirklich eine Alternative? Warum sympathisieren sie mit der Partei?
Matthias Matussek: Weil sie eine tatsächliche Alternative darstellt.
Christian Göttner: Corona hat die Welt fest im Griff. Wie stehen sie zur Impfpflicht?
Matthias Matussek: Die Impfpflicht halte ich für verfassungswidrig und das sage ich als Doppel-Geimpfter und Geboosterter.
Christian Göttner: Hilft ihnen das Tagebuch schreiben den Wahnsinn der Welt besser zu verarbeiten?
Matthias Matussek: Ich führe kein Tagebuch, meine Einträge auf Facebook und gelegentliche Aufsätze auf meiner Homepage (www.matthias-matussek.de) sind ein Ersatz.
Christian Göttner: Ihre Prognose: Wie geht’s in den nächsten Jahren weiter mit Deutschland?
Matthias Matussek: Abwärts.
Christian Göttner: Was wünschen sie sich für die Zukunft?
Matthias Matussek: Aufwärts.
Christian Göttner: Vielen Dank für das Gespräch.
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