Eine Buchempfehlung – Eine Hommage, die keine sein will

Helmut Schmidt aus dem Off über Irrtümer und Fehlschläge deutscher Politik

(Kommentare: 8)

"Wer die Zahlen der Muslime in Deutschland erhöhen will, nimmt eine zunehmende Gefährdung unseres inneren Friedens in Kauf.“© Quelle: Wikimedia/ Bundesarchiv B_145

Oft in diesen Tagen bin ich ratlos. Und verzweifelt. Ob der Kriegstrunkenheit und allem anderem Irrsinn in diesem Land.

Unlängst ging es mir beim Runterfahren des Rechners, in dem Bemühen Gelesenes zu verarbeiten, wie zuweilen gegen Ende eines Abends, wenn mir die Zigaretten ausgingen und ich die ganze Wohnung panisch nach einer letzten Reserve durchsucht habe.

Mit einem ähnlichen Gefühl bin ich meinen Stapel ungelesener Bücher durchgegangen; ich brauchte dringend eine Stimme der Vernunft. Und fand „Außer Dienst“ von Helmut Schmidt, ein autobiographischer Rückblick aus dem Jahr 2008. Das nachfolgende ist weder Buchbesprechung noch Hommage, das haben andere längst umfassend getan. Helmut Schmidt war der Kanzler meiner Jugend und hat viele Jahre auch in mein Leben als Erwachsene gestrahlt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich bin auf den Seiten dieses Buches einem so umfassenden Wissen in nahezu allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens begegnet. Zuallererst natürlich in Bezug auf Politik, aber auch Philosophie, Religion, Ökonomie und die Verzahnung all dessen im Sinne eines friedlichen Miteinanders hat sich mir so deutlich erschlossen. All das stets abgebildet auf dem Fundament persönlicher und politischer Erfahrungen. Spürbar während des Lesens war auch der unbedingte Wille zur Selbstreflektion, ein tiefes Empfinden von Verantwortung, Demut seinem Amt gegenüber sowie die Fähigkeit zu differenzieren und zu prognostizieren. Und immer wieder war da der gesunde Menschenverstand lesbar.

Nichts beleidigt das intellektuelle Vermächtnis eines bedeutenden Staatsmannes mehr als die unverhohlene Begeisterung eines Herrn Lauterbach darüber, wie eine ganze Schafherde einem einzigen Schäferhund hinterherläuft. Es ist zum Weinen!

Aber der Punkt, auf den ich hinaus möchte, ist ein anderer: Nämlich die Erkenntnis, was 2008 bei Erscheinen dieses Buches noch sagbar war, ohne an den medialen Pranger gestellt zu werden. Ich habe exemplarisch drei Zitate zu Themen wie Klima/Krieg/Migration rausgesucht, die das in meinen Augen sehr plakativ untermalen. Und bitte um Nachsicht, dass ich sie dem Gesamtzusammenhang enthebe und allein auf die Überschriften der jeweiligen Kapitel verweise.

Für eine langfristige Umweltschutzpolitik

„Es ist eine Warnung vor Klimapsychosen angebracht. Es steht fest, dass das Klima auf der Oberfläche unserer Erde seit Jahrmillionen immer wieder großen Schwankungen unterworfen war. Wir wissen von etlichen Eiszeiten und Warmzeiten. Es ist in Deutschland schon einmal sehr viel wärmer gewesen; und wer in seinem Garten gelegentlich Schalen von Meeresmuscheln im Boden findet, weiß, dass das Gelände einstmals, vielleicht während einer Wärmeperiode, ein Meeresboden gewesen sein muss. Auch wenn einzelne Autoren Befriedigung darin finden, uns Angst vor einem klimatischen Weltuntergang zu machen, den wir angeblich verhindern könnten, wenn wir nur wollten – so als ob es in der Macht des Menschen läge, klimatische Änderungen prinzipiell zu steuern – müssen wir gleichwohl einen kühlen Kopf bewahren.“

Religion, Vernunft, Gewissen

„Nicht wenige der in den siebziger und achtziger Jahren als pazifistische ,Friedenskämpfer' angetretenen Wortführer sind in den späten neunziger Jahren unversehens zu gewaltbereiten Interventionisten geworden und haben es sich gefallen lassen müssen, von einstigen Gesinnungsgenossen nunmehr ,Bellizisten' genannt zu werden. Die Bomben auf Belgrad haben gezeigt, wie schnell aus einer sogenannten humanitären Intervention eine brachiale Verfolgung eigener machtpolitischer Interessen wird – das kommt dabei heraus, wenn man anfängt, sich einzumischen.“

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Deutschland muss sich ändern

„Der andere Ausweg, unser Geburtendefizit durch Einwanderung aus Afrika und aus Asien aufzufüllen, erscheint mir noch weniger realistisch. Denn bisher, beim Stand von rund sieben Millionen ausländischen Einwohnern – davon fast die Hälfte Muslime, haben wir eine kulturelle Einbürgerung nur sehr unzureichend zustande gebracht. Wer die Zahlen der Muslime in Deutschland erhöhen will, nimmt eine zunehmende Gefährdung unseres inneren Friedens in Kauf.“

„Samuel Huntington’s Schlagwort vom ,clash of civilizations' liegt ein gutes Jahrzehnt zurück. Manche hielten seine Prognose für allzu pessimistisch, andere haben daraus sogar ein geostrategisches Konzept abgeleitet. Heute muss man die Möglichkeit eines weltweiten Konflikts zwischen dem Islam und dem Westen für denkbar halten.“

Wir alle kennen die Schmutzworte, mit denen man für solche Gedanken heute mit medialer Gülle überschüttet wird in der Hoffnung, dass langfristig zumindest der Geruch hängen bleibt. Und man aus dem intellektuellen Sandkasten geschubst wird.

Im Zusammenhang mit Berufspolitikern lese ich dann noch:

„Je mehr ein Politiker sich ,gesinnungsethisch' von einer vorab fixierten Theorie oder Ideologie leiten lässt, je mehr er bei einer Entscheidung dem Machtinteresse einer Partei folgt, je weniger er im Einzelfall alle erkennbaren Folgen abwägt, desto größer ist die Gefahr von Irrtümern, von Fehlern und Fehlschlägen. In jedem Fall trifft ihn die Verantwortung für die Folgen – und oft genug kann die Verantwortung durchaus bedrückend sein.“

Vielleicht liest ja jemand von der Regierungsbank mit hier?

Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Blick zurück auf etwas, was mal war, die Probleme unserer Zeit nicht löst. Aber an manchen Tagen, wenn nichts anderes geht, empfinde ich es als wohltuend, mich an Stimmen wie diese zu erinnern. Was mal da war, ist ja nie nur deswegen weg, weil es nicht mehr beleuchtet wird.

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