Mein erster Besuch galt Julia. Wöchentlich schaue ich bei ihr nach dem Rechten und unterstütze sie, sofern sie Hilfe benötigt. Julia ist hübsch, Ende zwanzig und unter anderem gehbehindert. Julia ist arbeitsunfähig. Einen großen Teil des Tages verbringt sie mit Social-Media-Kanälen wie TikTok, Real, Instagram und SnapChat. Dort ist sie sehr aktiv, schaut jedoch nicht nur Schmink- und Katzenvideos.
Julia fragte mich heute, ob ich denke, dass ein dritter Weltkrieg vor der Tür steht. Was antwortet man jemandem, der psychisch krank ist, unter einer Angststörung leidet und zu Panikattacken neigt? Schwierig. Ich habe mich optimistisch gegeben und ihr gesagt, dass ich es für eher unwahrscheinlich halte.
Tatsächlich habe ich jedoch die Befürchtung, dass wir vielleicht schon mittendrin stecken und die Figuren auf dem Schachbrett nur noch nicht gänzlich aufgestellt sind. Was für ein Spiel ist es? Schwarz gegen weiß? Muslime gegen Christen/Juden? Gut gegen Böse? Wer ist gut und wer ist böse? Wer setzt die Figuren? Wem gehört das Spielbrett? Welche Strategie wird angewendet? Ist ein Spieler dem anderen überlegen? Wer beginnt das Spiel und wer hat seinen Finger wann auf der Schachuhr, um das Spiel anzuhalten? Welcher Spieler ist gegebenenfalls ein guter Verlierer und wer kippt im Fall der Niederlage das ganze Brett einfach um?
Als Nächsten suchte ich Nino auf. Nino ist Anfang zwanzig und ein leidenschaftlicher Graffiti-Sprayer. Durch seinen jahrelangen Cannabiskonsum in der Vergangenheit leidet er an Schizophrenie und ist phasenweise depressiv. Ninos Vater, ein Lehrer, hat vor einem Jahr Suizid begangen, was ihn zusätzlich belastet. Die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Corona-Maßnahmen und Corona-Glaubensätze hatten die beiden gänzlich entzweit. Obwohl Nino der eigentlich psychotische Charakter ist, hielt er seinen Vater für einen Verschwörungstheoretiker.
Nino ist mit allem, was die Politik betrifft, überfordert und verschließt sich davor. Er flüchtet sich in Musik und unter Brücken. Er möchte seine Ruhe haben, lebt in seiner Social Media Grafitti-Blase.
Zu guter Letzt stattete ich Salima einen Besuch ab. Nur wenig später, nachdem ich ihre kleine Wohnung betreten und die Schuhe ausgezogen hatte, servierte sie auf einem kleinen silbernen Tablett duftenden arabischen Mocca. Ein Hauch Muskat im Kaffee macht diesen Mocca zu etwas Besonderem.
Salima ist erst seit wenigen Tagen aus Marokko zurück, wo sie ihre Mutter besuchte. Salima ist Mitte fünfzig, berentet und bessert ihr Einkommen mit Gemüseschneiden im Dönerladen auf, über welchem sie wohnt. Salima weist eine sehr traurige, frühjugendliche Lebensgeschichte auf, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte. Als Folge derer neigt sie abwechselnd zu Wutausbrüchen, gefolgt von depressiven Episoden, sie reagiert emotional nicht immer adäquat und ist nur wenig belastbar.
Salima lebt seit dreißig Jahren in Deutschland und war mit einem deutschen Mann verheiratet. Ich kenne Fotos von ihr, aufgenommen Ende der neunziger Jahre, die sie mit wehendem Haar, bekleidet mit Jeans und T-Shirt, auf einem Motorrad posierend, zeigen. Sie wirkt glücklich.
Davon ist heute nichts mehr übrig. Den westlichen Lebensstil, den sie gepflegt hat, hat sie gegen die arabische Kultur eingetauscht, die sie innerlich nie abgelegt hat. Sie ist der in Marokko lebenden Mutter und dem in Frankreich lebendem Bruder hörig, sie verhüllt sich und trägt Kopftuch. Da helfen keine Integrationsmaßnahmen und keine psychosoziale Betreuung. Salima lebt sehr zurückgezogen.
Ihr TV-Programm und ihre Meinung werden weitestgehend vom Fernsehsender Al Jazira bestimmt. Als ich Salima das letzte Mal besuchte, liefen gerade Berichte über das schwere Erdbeben in Marokko in Dauerschleife. Wer berichtet heute noch davon?
Nach dem Austausch über das Befinden und die Familie kamen wir auf das politische Geschehen zu sprechen. Die Person und Geschichte von Shani Louk sagten ihr nichts. In ihrem akzentreichen, gebrochenem, jedoch gut verständlichen Deutsch regte Salima sich über diese Frau im Fernsehen auf, die sagte: „Heute sind wir alle Israelis!“ Sie meinte Annalena Baerbock, nach dem Überfall der Hamas auf Israel.
Salima war aufgebracht und gab das Telefonat mit ihrer Mutter in Marokko wieder: „Mama, wusstest du, dass ich Israelin bin?“
Ihre Mutter reagierte entrüstet, darüber gelacht haben beide nicht. Darüber, wie unsere arabischen Mitbürger auf dieses Statement Annalenas reagieren, hatte ich noch nicht nachgedacht, Annalena wahrscheinlich auch nicht. Ein weiterer Fauxpas auf ihrer Liste. Wir unterhielten uns über den Israel-Palästina-Konflikt, teilweise enthielt ich mich, erschreckt über ihre Ansichten zu den Palästinensern und der Hamas.
Sie ist nur eine einzelne Frau arabischer Herkunft, mit deutscher Staatsbürgerschaft und eigentlich integriert. Sie ist nicht repräsentativ und ist es doch, das bereitet mir Sorgen. Retrospektiv kann ich dennoch nicht nachvollziehen, dass dieser israelisch-palästinensische Konflikt in diesem Ausmaß auf unseren Straßen ausgetragen wird.
Woher kommen all die IS- und Hamas-Flaggen, nicht nur deutschland- sondern europaweit? Wer steuert das Ganze? Weshalb schreitet niemand ein, wenn sich unser Stadtbild zunehmend verändert? Weshalb laufen immer mehr junge Mädchen und Frauen verhüllt durch Kopftücher und lange Röcke und Kleider durch die Straßen? Weshalb gibt es keine Trennung zwischen Kirche und Staat, Staat und Schule?
Und nein, früher war das nicht so! Welche Macht haben die Medien? Wer steuert das Ganze? Wer ist der König, die Dame, der Turm oder der Springer, wenn die Demonstranten die Bauern auf dem Schachbrett sind? Quo vadis, wo führt es hin oder wem nützt es?
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Kommentar von Franz Zotter
Passend zu Artikel will ich einmal aus meiner Sicht tiefer auf die Gründe der Probleme der Gegenwart eingehen. Und zwar aus Gesellschaftlicher Sicht. Die Beeinflussung der international agierenden Akteure lasse ich hier ganz bewusst außen Vor. Obwohl sich der Kreis auch hier schließt.
1- Es wird immer wieder die Dynamik in den Gesellschaftlichen Prozessen außer acht gelassen. Die Diskussionen werden wie bei starren, sich nicht veränderten Sachlagen geführt. Dabei ist es ein Fluss kontinuierlicher Einflussnahme aus verschiedenen Richtungen. Um im Beispiel von Salima zu bleiben nehmen wir den Einfluss der islamischen Welt auf Moslems in aller Welt und auch in Europa und Deutschland. In Moscheen, in Foren, in Videos, in politischen Äußerungen, in Sisha Bars, unter Freunden und Familien werden Botschaften weitergetragen. Der Einfluss dieser Botschaften ist wesentlich größer als es der aus westlicher Sicht sein kann. Verstärkend kommt noch die Anzahl der Migranten dazu. Die Notwendigkeit sich zu Integrieren geschweige denn sich zu Assimilieren ist mittlerweile nicht mehr gegeben weil die eigene Community schon so groß ist. Alle Menschen auf der Welt verhalten sich was die eigene Community angeht so.
2- Das fehlende Einfühlungsvermögen in andere Menschen ist aus meiner Sicht das Hauptproblem. Gerade bei Gutmeinenden ist dieses Einfühlungsvermögen in die Sichtweise der anderen nicht vorhanden. Zu verstehen wie sich andere Menschen fühlen die komplett von der eigenen Sichtweise abweichen. Ich fordere in zahlreichen Foren einen totalen Migrationsstopp. Aber nicht weil ich diese Menschen abwerte, sondern weil ich sie verstehe. Ob Israelis oder Palästinenser, Russen oder Ukrainer, Moslems, Christen oder Juden usw. Bei den meisten entsteht ihre Überzeugung aus Parteiergreifung. Wenn man eine Seite als die Bösen einstuft die es zu bekämpfen gilt kann man leichter mit Situationen umgehen. Und um nicht falsch verstanden zu werden, das heißt umgekehrt nicht für keine Maßnahmen zu sein. Oder für immer in der Dialogfalle zu verbleiben. Denn das ist oft der Grund für Eskalation. Wenn man alle Seiten respektiert aber auch ihre Beweggründe versteht muss man auch konkrete Lösungen vorschlagen. Und das ist das Gegenteil von "Alle Menschen sind gleich" oder "Vernichtungskrieg gegen die Russen".
Mein Vorschlag ist Territoriale Akzeptanz. Respekt und Anerkennung der anderen auf ihrem Gebiet. Austausch in Wirtschaft und Kultur. Aber auch Einforderung desselben für sich selbst. Und die Stärke sich gegen nicht wohlgesonnene zu wehren. Und zu Begreifen wie Menschen ticken beinhaltet eben auch Aggression, Wut oder Hass zu verstehen. Arroganz, Übermut und Hochnäsigkeit. Die unterschiedliche Weltsicht in unterschiedlichen Kulturen.
3- Ergänzend zu Punkt 2 ist dass viele Menschen immer von sich ausgehen. Besonders viele Feinfühlige, eigentlich liebenswerte Menschen. Diese legen ihre Sicht der Dinge auf alle anderen um. So einfach ist es aber eben nicht. Eine Familie im Gazastreifen die schon im Kindergarten das Töten von Juden in einer Aufführung auf einer Bühne vor Zuschauern zelebrieren (Dazu gib es einen Artikel mit Video auf Exxpress) kann in ihrer Welt trotzdem für Frieden und Nächstenliebe sein. Nur setzt das komplette andere Umstände voraus als wenn das eine Grünwählende Familie in einem gutbetuchten Viertel in Düsseldorf sagt. Die Worte mögen gleich sein. Die daraus resultierenden Handlungen sind jedoch komplett konträr. Das war nur ein Beispiel. Man könnte unzählige anführen.
4- Stolperfalle Ideologie. Natürlich meinen die meisten Menschen nur die Anderen, die Dummen fallen auf Ideologien rein. Selber ist man ja total rational und Vernunftgeleitet. Um beeinflusst zu werden ist man viel zu Intelligent. Dabei wird die Selbstindoktrination vergessen. Die Gruppenzugehörigkeit. Das fängt in der Jugend auf Konzerten von Rage Against the Machine und vielen anderen an. Es ist das selbe wie bei allen Kulturen. Der Einfluss der eigenen Community und das sehr oft damit einhergehende Feindbild der Anderen ist extrem. Viele sind nicht für die eigene politische Richtung und deren Auswirkungen. Sie übernehmen einfach das Wording und Denken der eigenen Community. Den Hass und die Vorurteile über die Anderen. Und jetzt halten sie kurz die Luft an. Auch und vor allem bei Links/Grün/Woken zu beobachten.
Der Punkt ist dass es eben sehr oft nicht wirklich um die Menschen und Menschlichkeit geht. Das steht auf den wehenden Fahnen des Selbstverständnisses, ja. Doch es ist Selbstbetrug. Denn erstens funktioniert die Logik oft nur wie oben erwähnt wenn man Partei ergreift. Die anderen als Abschaum betrachtet. Dann ist es einfach selektive Menschlichkeit voranzutreiben. Doch ist das selten gegenüber allen Parteien menschlich. Oft ist es einfach nur rassistisch unter der Flagge des Antirassismus.
Das über die Menschen stellen von Ideologien oder Religionen ist im lauf der Geschichte immer wieder zu beobachten. Die Idee oder der Wunschtraum wird über den Menschen gestellt. Daraufhin wird selektiert. In die Guten und die Bösen. Das kann soweit gehen dass Millionen Menschen ermordet werden bis die eigene Wunschvorstellung des Idealen Menschen überbleibt. Auf allen Kontinenten, hu allen Zeiten bei allen Ethnien zu beobachten. Auch bei jenen die sich in Deutschland als die moralisch erhabenen betrachten und zur Zeit die politische und gesellschaftliche Deutungshoheit haben.
Territoriale Akzeptanz. Respekt und Wertschätzung. Kontinuierlich an Völkerverständigung arbeiten. Mut und Stärke das selbe auch für uns selbst ein zu fordern. Sich im schlechtesten Fall auch Verteidigen zu können. Aber auch zu verstehen wie Menschen wirklich ticken. Im guten wie im schlechten. Was für jeden etwas völlig anderes bedeuten kann.
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Kommentar von akimo
Die Zuwanderungspolitik war ein großer Fehler. Das kriegt man NIE MEHR eingefangen. Und im Migrationspakt, den ‚ wir‘ unterschrieben haben, steht drin dass wir niemehr aufhören. Keiner hats gelesen. offenbar genausowenig wie den WHO Pandemiepakt, der einen Kameltreiber zum Weltchef machen wird