Die Montagsdemonstrationen leben wieder auf. Der Begriff Montagsdemo ist durch die Proteste und das Ende der DDR 1989 geprägt worden. Noch vor einer Woche hatte zum Tag der Deutschen Einheit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) gesagt: „Montagsdemos waren ein entscheidender Beitrag zur friedlichen Revolution,“ und dann von Zivilcourage gesprochen und zeitgleich vor einer Vereinnahmung der demokratischen Tradition durch Populisten gewarnt.
Das klingt alles wie ein verzweifelter Versuch, diesmal von Frau Roth, Argumente zu finden, um die Menschen davon abzuhalten, ihr Recht auf Demonstration auszuüben, ganz gleich, wo ihnen der Schuh drückt. Und übrigens auch ganz schnuppe, ob er ihnen montags, dienstags oder Heiligabend drückt.
Bevor wir zu den Demonstrationen kommen: Ist das Angst, die da aus den Äußerungen von Roth und Co. spricht? Angst vor einem Volk, das sich nicht mehr aufhalten lässt und die Herrschenden auffordert, endlich jenen Job zu erledigen, für den sie gewählt und bezahlt werden, oder sich zu verdrücken?
Angst vor Wiederholung? Darf man 1989 mit 2022 vergleichen? Eine Verharmlosung des DDR-Regimes? Oder werden sich 2039 oder 2059 auch wieder Menschen fragen, ob man ihren Kampf gegen die Unterdrückung mit 2022 vergleichen darf oder ob das eine Verharmlosung der Ereignisse von 2022 ist?
Die Geschichte fällt ihr eigenes Urteil. Aktuell werden wir von Politikern regiert, die skrupellos ihre ideologische Agenda ausspielen und die sich selbst nicht von einem Atomkrieg vor ihrer Nase irritieren lassen.
Noch zucken viele mit den Schultern, wenn jemand prognostiziert, das System erreiche mit dem heißen Herbst seinen Tipping Point, seinen Kipppunkt. Aber die es erlebt haben, wissen besser, wie das 1989 war, als das damalige System kippte. Und auch wenn nicht die ganze Republik auf der Straße war, diejenigen, die unterwegs waren, reichten aus, der Herrschaft des Unrechts ein Ende zu bereiten.
Der Begriff wurde übrigens von Horst Seehofer wieder aufgenommen. Dazu schrieb die Süddeutsche Zeitung 2016:
„'Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung', klagte Seehofer in dem Interview: 'Es ist eine Herrschaft des Unrechts.‘ Solche Formulierungen verwendete die CSU bislang für Diktaturen wie einst die DDR.“
Montagsdemos sind heute zu einem symbolischen Begriff für die Referenzerfahrung geworden, dass man als Bevölkerung erfolgreich seine Rechte vertreten kann – und sogar auf friedliche Weise ein Regime stürzen, Mauern niederreißen und eine gesellschaftliche Spaltung überwinden kann.
Wer diesen Begriff in die rechte Schublade stecken will, der beißt sich mindestens an den Ostdeutschen die Zähne aus beim Versuch, vergangene Erfahrung vom aktuellen Zeitgeschehen zu entkoppeln.
Montagsdemos sind eine Selbst-Ermächtigungserfahrung, die sich als Referenz im kollektiven Gedächtnis verankert hat. Gemeinsam aufstehen, füreinander einstehen gegen Unterdrückung, Ungerechtigkeit und gegen das Regime.
Einzelne Menschen, Gruppen, Parteien durch Medien und Politik zu framen und zu diskreditieren ist möglich, wie die letzten Jahre unmissverständlich gezeigt haben, ein rückwirkendes Framing der Montagsdemos wird nicht greifen:
Der Begriff Montagsdemo ist besetzt mit Systemwechsel, der Ermächtigung und dem Einstehen des Einzelnen für sich selbst und seine Werte, dem gemeinsamen Besiegen eines Systems, welches an allen Enden durch Ideologisierung und Korruption stinkt, während es seine eigenen Bürger einsperrt. Seinerzeit durch eine Mauer und Reiseverbote – in der Coronazeit in ihren Wohnungen und hinter stinkenden, krankmachenden Masken.
Impfung, Zensur und Maßnahmen. Was jetzt Fahrt aufnimmt, wird sich nicht mehr so einfach als „Covidiotie“ wegdiffamieren lassen. Denn zwischenzeitlich hat bald jeder Einzelne, gleich welcher politischen Anschauung er angehört, gute Gründe, sich Sorgen zu machen. Um seine Zukunft, die seiner Kinder, die Auswirklungen von Kriegstreiberei, seine Gasrechnung oder einfach darum, dass an die 50 Prozent mehr auf dem Supermarkt-Bon steht als noch vor einem viertel Jahr. Und das flächendeckend in ganz Deutschland.
Nachdem es gestern in vielen, vor allem ostdeutschen Städten Protestdemonstrationen gegen die Regierungspolitik gab, berichten die großen und Mainstream-Medien, nennen wir es – verhalten.
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Denn, wie isst man einen Elefanten? In kleinen Stücken. Also wird der Protest mainstream-medial auch so präsentiert, häppchenweise wie ein kleinteiliger Flickenteppich in vorwiegend ostdeutschen Randgebieten der Republik, da wo die Wutbürger wohnen.
Hier ein Überblick aus den Medienberichten:
In Mecklenburg-Vorpommern ist von rund 7.000 Demonstranten die Rede, die Polizei vermeldet Veranstaltungen in über 15 Städten im Norden Ostdeutschlands. Auf die Landeshauptstadt Schwerin entfallen davon 2.400 Protestierende laut dortiger Polizei.
In Thüringen gab es Demos in Gera, Jena, Erfurt und einigen kleineren Ortschaften, in Sachsen unter anderem in Chemnitz, Leipzig und Dresden und weiteren kleinen Städten wie Aue und Bautzen.
Genaue Zahlen zu den Teilnehmern nannte die Polizei gestern Abend nicht, in Leipzig erwartete sie wohl 3.000 Teilnehmer. Die Proteste seien, laut Polizeiaussagen, insgesamt weitestgehend ruhig und friedlich verlaufen. Trotz Gegendemonstrationen, zum Beispiel in Leipzig. Dazu später mehr.
Über das, was da in den Medien wie Einzelfälle von ein paar unbedeutenden Protestler-Grüppchen in der Provinz aufgezählt wird, bekommt man erst einen umfassenderen Eindruck, wenn man sich in den Sozialen Medien informiert. Vor allem dort, wo Beiträge dieser Art nicht zensiert werden.
Auf dem Gettr-Profil mit dem User-Namen Franz Branntwein sind Videos und Fotos aus mittlerweile fast sechzig Ortschaften zusammengestellt worden. Neben den vielen Berichten aus dem ostdeutschen Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sind auch Nachrichten von Protestzügen in Bamberg und Hannover gesammelt worden, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Allen Bildern und Filmen aus Ost und West gemeinsam sind friedliche, unvermummte Menschen zumeist mittleren Alters, die gemeinsam mit Musik und Sprechchören durch ihre Innenstädte wandern, mit Schildern und Transparenten in den Händen, auf denen Sätze stehen, wie „Wir sind die rote Linie“, wie beispielsweise in Bad Salzungen:
Hier gehts zum Video: https://gettr.com/post/p1tw5h6ad28
In Wittenberg führt „Frieden Freiheit Souveränität“ den Zug an:
Menschen in Altenburg folgten Bannern mit „Altenburg reichts“ und „Stoppt den Wahnsinn“, hier mit passendem Gettr-Video dazu: https://gettr.com/post/p1tvpi69fa4.
Aus Leipzig wurden 3.000 Demonstranten gemeldet. Sie folgten Plakatträgern mit dem Schild: „Für diese Scheisse waren wir 89 nicht auf den Strassen“, hier nachzuschauen auf Gettr.
Der Gegenprotest schwarzgekleideter, vermummter, „eher noch wie Kinder aussehender Demonstranten“ war im Vergleich gering, nach Aussage eines vor Ort anwesenden Redaktionsmitgliedes von alexander-wallasch.de: „Es waren vielleicht drei- bis viertausend Demonstranten. Einmal um den Ring gelaufen. Die Gegendemo war ziemlich klein. Und die Polizei hat uns die ganze Zeit beschützt.“
Es gab von den Gegendemonstranten an einem Punkt eine Straßenblockade mit ein paar Sitzenden und Kindern, die offenbar auf die Straße geschickt dort herumstanden und sich weigerten, zu gehen, um die die Polizei den genehmigten Demonstrationszug herumleitete. Es wurde keine Gewalt beobachtet.
Am 3. Oktober 2022, dem Tag der Deutschen Einheit, demonstrierten nach Polizeiangaben mehr als 100.0000 Menschen bei dutzenden Kundgebungen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Claudia Roth sagte auf ihrer Rede am 3. Oktober auch, dass die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR, die sich damals friedlich dem Unrechtsregime der SED-Diktatur entgegenstellten, ein hohes persönliches Risiko eingegangen seien.
Viele von denen, die vor über zwei Jahren begannen zu protestieren, damals gegen C-Maßnahmen, sind auch ein hohes persönliches Risiko eingegangen und haben vieles, zumeist aber ihre Reputation und noch mehr verloren durch mediale Verleumdungskampagnen, wie ihre Biografien zeigen. Stellvertretend seien hier nur ein Sucharit Bhakdi oder Michael Ballweg genannt, letzterer sitzt immer noch in Stammheim ein.
Aber auch diese Einschüchterungen und Diskreditierungen werden niemanden mehr aufhalten, vor allem dann, wenn immer sichtbarer wird, dass es sich nicht um ein paar Einzelproteste handelt, die man leicht in die extreme oder rechte Ecke schieben kann.
Verlässliche Zahlen, die das Gesamtbild der aktuellen Proteste aufzeigen, sind bislang in den Mainstreammedien nicht zu finden. Das Bundesministerium des Inneren hatte für den heutigen Tag Informationen dazu angekündigt. Ungeachtet dessen hat alexander-wallasch.de eine separate Anfrage an das Ministerium gestellt, die bislang unbeantwortet blieb. Wir werden Sie im Falle einer Antwort informieren.
Nachtrag: Antwort auf die Presseanfrage zu den Teilnehmerzahlen vom BMI:
Sehr geehrte Frau XXX
vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 11.10.2022 mit Fragen zum Demonstrationsgeschehen in Deutschland.
Ich bitte um Verständnis, aber eine länderübergreifende Statistik mit einer detaillierten Aufgliederung aller Demonstrationsgeschehen in Deutschland wird seitens des BMI nicht geführt.
Die Bewältigung der angemeldeten Demonstrationslagen obliegt in der Verantwortung des betroffenen Bundeslandes.
Analog werden seitens der einsatzführenden Bundesländer Daten über die jeweiligen Demonstrationslagen erhoben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen in Ihrer Angelegenheit weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
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Kommentar von Joachim Winter
wie geht es Herrn Ballweg? Warum kommt er nicht raus? Das müsste man dringend recherchieren? Hat er Jemanden umgebracht? Wie geht es Janisch?