Während sich eine große Mehrheit der Bevölkerung einig darüber ist, dass das Kriegsmorden in der Ukraine endlich aufhören muss, sich Putins Armee hinter die russischen Grenzen zurückziehen soll bzw. sofortige Verhandlungen notwendig sind, ist die Politik im Osten wie im Westen, die des Aggressors genauso wie die des Angegriffenen, in einer Eskalationsspirale gefangen, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint.
Gregor Gysi (Die Linke) hat sich in einem ausführlichen Twitter-Thread auf die Seite der Initiatorinnen des Friedensmanifests von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht gestellt, das inzwischen mehr als 465.000 Menschen unterschrieben haben (Stand 16.2.2023, 9:35 Uhr).
Wenig später antwortete ihm Georg Restle (ARD) in einem ebenso inhaltsreichen Thread auf Twitter.
Wir dokumentieren hier diese beiden Statements.
Gregor Gysi@GregorGysi
14.2.2023, gegen 20.00 Uhr
„Dieses Manifest & die Friedenskundgebung sind in einer Atmosphäre der Kriegshysterie dringend notwendig. Nach Beendigung des Kalten Krieges begann der Westen damit, das Völkerrecht zu verletzen.
So wie ich entschieden den völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Serbien & den völkerrechtswidrigen Krieg der USA & anderer gegen den Irak ablehnte, lehne ich auch den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine ab. Die Aggression ging eindeutig von Putin aus.
Abgesehen davon, dass ich ohnehin für das Verbot des Waffenexports durch unser Land bin, weil Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr das Recht hat, an Kriegen zu verdienen, verbieten sich weitere Waffenexporte jetzt aber ohnehin.
Das Manifest betont zu Recht, dass der höchste Militär der USA, General Milley, ebenso die Überzeugung teilt, dass weder Russland noch die Ukraine den Krieg gewinnen können. Dann gibt es für keine Seite ein Interesse, den Krieg fortzusetzen.
Wir brauchen einen sofortigen Waffenstillstand & dahingehend muss Druck & Diplomatie entfaltet werden – verbunden mit einer schnellen solidarischen zivilen Hilfe für die Ukraine.
Der vorhergehende israelische Ministerpräsident Bennett hatte bereits alle Eckpunkte für einen Waffenstillstand zwischen Russland & der Ukraine mit beiden Seiten ausgehandelt. Aber der Westen sagte ‚Nein‘ dazu.
Die Bundesregierung habe ich nach den Gründen gefragt & werde die Antwort veröffentlichen. Wer einen Waffenstillstand ablehnt, nimmt viele weitere Tote, Verletzte und Zerstörungen in Kauf.
Ein international vermitteltes Schweigen der Waffen ist der entscheidende Ausgangspunkt für Friedensverhandlungen & mithin ein Akt der Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern.
Statt nur nach Waffen und Verlängerung des Krieges zu rufen, an Eskalationen mitzuwirken, müssen wir zu Deeskalation, Abrüstung, Interessenausgleich, wesentlich mehr Diplomatie und zur strikten Wahrung des Völkerrechts auf allen Seiten zurückkehren. “
Georg Restle@georgrestle
15.2.2023, gegen 12.00 Uhr
„Lieber Gregor Gysi,
ich gebe zu, dass mich Ihre Unterstützung des Manifests zutiefst enttäuscht. Nicht, dass ich nicht auch für Frieden in der Ukraine wäre oder die völkerrechtswidrigen Kriege des Westens vergessen hätte. Und ja, auch mir ist jede Kriegshysterie zutiefst zuwider.
Auch ich bin strikt gegen deutsche und europäische Rüstungsexporte in Staaten wie Saudi-Arabien, die im Jemen einen furchtbaren Krieg führen. Und verabscheue Rüstungslobbyisten, die in jedem Krieg vor allem ein Geschäftsmodell sehen.
Und doch halte ich die Annahmen dieses Manifests für so naiv wie gefährlich. Wer jetzt einen Waffenstillstand und Verhandlungen mit Putin fordert, muss vor allem diese eine Frage beantworten, um die sich die Unterstützer und Unterstützerinnen so beharrlich herumdrücken:
Zu welchem Frieden sollen diese Verhandlungen am Ende führen? Welche Art von Kompromiss soll’s denn bitte sein mit einem Aggressor, der offensichtlich zu keinem Kompromiss bereit ist? Und von Anfang an die Zerstörung der kulturellen Identität der Ukraine als Kriegsziel ausrief?
Dies sollte wir doch gelernt haben: Die Naivität im Umgang mit Putin nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hat uns zunächst ein Minsker Abkommen, daraus folgend einen zähen Zermürbungskrieg im Osten der Ukraine, und schließlich Russlands Invasion der Ukraine beschert.
Wie groß soll das Stück denn dieses Mal sein, auf dass die Ukraine verzichten soll? Und welche Friedensgarantie soll ein eingefrorener Konflikt dieses Mal bringen? Diese Frage müssen Sie und alle anderen Unterstützer und Unterstützerinnen dieser Erklärung schon beantworten.
Denn so viel sollte uns doch allen klar sein:
Wer die territoriale Integrität der Ukraine angesichts der imperialen Albträume und der blinden Zerstörungswut des russischen Aggressors weitgehend preisgibt, macht sich am Ende nolens volens zum Büttel Putins.
Wie Angela Merkel damals in Minsk. Wie alle, die heute von der ukrainischen Bevölkerung einfordern, was sie selbst nie bereit wären preiszugeben. Den Verlust ihrer Heimat und den Verzicht auf einen dauerhaften Frieden im eigenen Land.
Und gerade weil ich die völkerrechtswidrige US-geführte Invasion im Irak oder den Völkerrechtsbruch auf dem Balkan genauso vehement kritisier(t)e wie Sie, dürfen die Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine meiner Meinung nach nicht mit einem Verhandlungserfolg belohnt werden.
Auch ich bin der Überzeugung, dass der Westen nach Ende des Kalten Krieges große Fehler gemacht hat. Dazu gehören die Aufkündigung zentraler Abrüstungsverträge wie die unterlassene Einbindung Russlands in eine europäische Friedensordnung. Die von Russland heute angegriffen wird.
Daran habe ich auch aufgrund meiner Erfahrungen in Russland und der Ukraine keinen Zweifel: Wer es zulässt, dass Putin mit diesem Krieg seine wesentlichen Kriegsziele erreicht, wird nur neue Kriege in Europa gebären: sei es in der Ukraine, in Moldawien oder im Baltikum.
Dies haben viele Menschen in der Ukraine und großen Teilen Osteuropas längst begriffen. Die Unterstützer und Unterstützerinnen dieses Manifests ganz offensichtlich nicht.
Mit freundlichen Grüßen, Georg Restle"
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Kommentar von BKBrackel
Die russische Aggression seit Februar 2022 ist eine Sache, die geopolitischen Schandtaten der USA, der Nato und Deutschlands seit 1999, und seit 2001 im besonderen, sind eine andere. Hier und heute geht es nicht um Whataboutism sondern um die Ukraine. Dazu ist das Schwarzer/Wagenknecht-Manifest eine politisch-moralische Selbstbefriedigung mit einem geradezu bösartigen Spin. Man läßt imaginäre Friedenstauben fliegen und behauptet, dass eine militärische Schwächung der Ukraine, durch Einstellung von Waffenlieferungen, den Krieg beenden könnte. Dies ist so absurd, weil Russland jede Schwäche auf ukrainischer Seite zum Weitermachen nutzen würde. Über Transnistrien wäre Moldawien als nächstes dran, dann käme Georgien und was immer bis Kasachstan. Mit Letzterem wäre Russland ein noch größerer mafioser Petrostate. Ob und wann man dann entscheidet was und wer von Estland und Lettland " russisch " zu sein hat, wäre dann nur der Nachtisch. Über weitere geopolitische Auswirkungen eines noch reicheren russischen Regimes auf den Mittlern Osten und Afrika kann man spekulieren, aber sie wären nicht freundlich. Solange ein russisches Regime Zusagen wie das Budapester Memorandum betreffend Ukraine vom Tisch wischt, so lange muß Russland eingedämmt werden. Friedliche Koexistenz erfordert Friedenswillen von beiden Seiten.
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Kommentar von Lilly
In Gysi we
never trust again.
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Kommentar von Gärtner mit Sozialphobie
Hallo Dude, Danke für den Hinweis auf das Fernsehereignis, das relativ gut zu der von Herrn Wilson aufgegriffenen Thematik passt. Ist schon bekannt, ob die von Herrn Somuncu mit Bargeld abgefundene Dame brav ihre Rundbeiträge entrichtet hat? Das müsste man dann natürlich gegenrechnen, ebenso die Honorarzahlungen der Castingagentur, falls involviert.
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Kommentar von Muadib usul
Es ist alles so dermaßen zwecklos, diese ganzen "Diskussionen". Alles ist so offensichtlich, dass sich jedes Wort in einer Diskussion erübrigt. Es wird gestriezt, bestochen, korrumpiert, sabotiert, aus sicherer Entfernung gehetzt und gelogen bis der gewünschte Erfolg endlich eingetreten ist. Dann wird sich noch als Unschuldslamm, als Ehrenmann und Kämpfer für das Recht hingestellt. Ich für meinen Teil habe diese Heuchler und Hosenbeschmutzer satt. Wen ich denn nun meine? Denk selber nach, es liegt auf der Hand.
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Kommentar von Dude
Lieber Herr Willison, wenn ich zu den Kommentaren runterscrolle und Ihr Konterfei vorbeirauscht, lese ich " Germanist und Sozialarbeiter ".
Bei dieser virtuellen Dekonstruktion und Entmenschlichung des 'homo sapiens' durch die politisierten Ochlokraten und die zur Schaustellung seiner Darsteller und Medians, Frau Baerbock hüpft 'Himmel und Hölle' im Bunker, ..alles mit "Kinderaugen" und "Katzenbildern": also sensibel, befindlich, bedenklich ...na Sie wissen schon, so wie im SPIEGEL... und gerade bricht die ukrainische Stromversorgung zusammen denke ich
Germanist und
Tierpfleger
https://www.focus.de/kultur/medien/serdar-somuncu-gibt-zuschauerin-geld-damit-sie-saal-verlaesst_id_185980691.html
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Kommentar von Klaus S.
Wir alle wissen natürlich, dass Herr Gysi und Herr Restle im Prinzip ein und demselben Verein angehören, auch wenn sie das nicht so laut sagen dürfen, und mögen sie deshalb auch nicht. Das Ganze ist so eine Art Kasperletheater, - immer mehr Menschen kommen drauf. Oder? Warum sind nochmal Russlands Exportumsätze gestiegen (!) , ebenso wie die Aktienkurse von Rayteon und Co.? Hmmmm!?!
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Kommentar von Dude
Restle mach Männchen
...der hat doch nur noch einen Haltungsschaden und formuliert in feinster linksgrüner "Dialektik" wieder einmal das Credo ...links ist rechts... und jetzt einmal "streng" wissenschaftlich, als fundamentales Dogma der neuen "Corona-Klima-Konsens-Wissenschaft" formuliert:
„ Die Abwesenheit von Evidenz zur Wirksamkeit ist keine Evidenz für die Abwesenheit von Wirksamkeit“
ach so...
Empirische Evidenz
(englisch empirical evidence) oder kurz Evidenz ist eine Bezeichnung für das Beweismaterial, das in den Wissenschaften gefordert wird, um Behauptungen, Hypothesen, Thesen oder Theorien von gesichertem Wissen unterscheiden zu können. Man spricht auch von empirischen Belegen oder empirischen Nachweisen (oder kurz von Belegen bzw. Nachweisen).
...und dann noch dieser Rechtsanwalt der 'Klima-Kleber'... ganz toll!
Ineptokratie
beschreibt eine Herrschaftsform, worin die Unfähigsten von den Unproduktivsten gewählt werden, wobei die Mitglieder der Gesellschaft, die sich am wenigsten selber erhalten oder gar Erfolg haben können, mit Gütern und Dienstleistungen belohnt werden, die aus dem konfiszierten Wohlstand einer schwindenden Anzahl wertschaffender Leistungsträger bezahlt werden.
...das 'beste Deutschland aller Zeiten'
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Kommentar von Kooka
Hat der Herr Restle bei der Unzahl der Angriffskriege der USA und ihren Pudeln (inklusive Deutschland) auch so einen energischen Standpunkt eingenommen? Ich kann mich an kein einziges Wort in dieser Richtung erinnern. Kann aber auch daran liegen, dass ich ÖRR meide wie die Pest.
Herrn Gysi möchte ich dahingehend widersprechen, dass Putin nicht eindeutig der Aggressor ist. Es ist immer einer Frage der Aktion - Reaktion. Die Aktionen gingen mindestens seit 2004 (orangene Revolution) von der Westseite aus
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Kommentar von Bernd Schuster
Der liebe Gregor hat in einem Vid vor ein paar Jahren gesagt: zum Glück sterben mehr Deutsche als geboren werden.
Das dazu.
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Kommentar von Peter Löcke
Seltsam, Herr Restle. Es war ironischerweise die Sendung Monitor, die die Ereignisse 2013/14 seinerzeit ganz anders interpretierte als Sie selbst heute. Keine Revolution am Maidan, sondern ein vom Westen organisierter Regime-Change. Die Ablösung des prorussischen Janukowytsch, um eine prowestliche Regierung zu installieren. Die unsägliche Victoria Nuland (Fuck the EU); Schüsse aus dem Hinterhalt, die sowohl auf Demonstranten wie auf die Polizisten fielen, um Chaos zu stiften. Monitor berichtete seinerzeit darüber. Der Sturz einer fremden Regierung durch die USA (nicht der erste) ist definitiv völkerrechtswidrig. Die Annexion der Krim, egal, was man davon hält, war eine geopolitische Antwort Russlands auf einen kriegerischen Akt des Westens. Und dabei mache ich noch nicht mal das Fass auf "Ausdehnung der NATO" an russische Grenzen.
Doch gerne ins Heute. Ein entscheidender Punkt bei Gysis Argumentation waren die Aussagen des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Bennett und des amerikanischen Generals Milley. Sinngemäß:
1.) Bennett: Ein Waffenstillstand/Frieden war bereits zum Greifen nahe. Der Westen (USA/GB) hat diesen Frieden verhindert. Nicht Russland oder die Ukraine.
2.) Milley: Der Krieg ist militärisch weder für Russland noch die Ukraine zu gewinnen.
Beide Punkte ignoriert Restle komplett. Er bleibt in und zwischen den Zeilen dabei: Es ginge hier nur um imperialistische Albträume Russlands bzw Putins und die Ukraine müsse diesen Krieg militärisch gewinnen. Irgendwie.