Ausgerechnet im Wahlkreis von CDU-Chef Friedrich Merz hat gestern Abend das Volk gesprochen: Ein Unternehmer, der selber Arnsberger ist, hat die ambitionierten Pläne, aus dem 2021 von ihm erworbenen Kloster Oeventrop eine gigantische Unterkunft für Geflüchtete zu machen, einfach gekippt. Warum? Weil er es konnte!
Arnsberg in Nordrhein-Westfalen wirbt für das Leben in der sauerländischen Stadt mit dem Slogan „Eine Stadt zum Wohlfühlen“. Und dass das nicht so bleiben wird, befürchteten die Arnsberger, weil im ehemaligen Kloster Oeventrop ab Sommer 2024 bis zu 450 Geflüchtete einquartiert werden sollten.
So voll wie Montagabend ist es sonst wohl nur auf dem Arnsberger Schützenfest: Auf der Infoveranstaltung in der Ruhrtalhalle kamen circa 850 Bürger zusammen, nicht alle fanden im Saal Platz, im Außenbereich verfolgten circa 150 Personen via Bildschirm die Infoveranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft.
Fachbereichsleiter Dr. Andreas Hohlfeld von der Bezirksregierung Arnsberg war vor Ort und versuchte vorerst um Verständnis für das Flüchtlingsheim zu werben: Es gebe Betreuungs- und Sicherheitsdienstleister, sodass rund um die Uhr jemand vor Ort sei, zudem gebe es in den Einrichtungen erste integrative Ansätze für Kinder und Erwachsene sowie die Möglichkeit zur gemeinnützigen Arbeit. Der Arnsberger Christopher Kraas war auch vor Ort, er hatte das 1902 erbaute Kloster vor zwei Jahren käuflich erworben.
Der Abend wurde schnell munterer, als den Flüchtlingsheimbauern lieb war. Die Regierungsvertreter versuchten die Oeventroper von der Notwendigkeit des Vorhabens zu überzeugen. Nachdem eine Stunde lang Monologe mit der immer gleichen Botschaft auf sie eingeprasselt waren, konnten die Einwohner ihre Fragen stellen. Die Sorgen und Ängste, die den Oeventropern unter den Nägeln brannten, kamen zur Sprache: Die Angst vor steigender Kriminalität und sexuellen Übergriffen. Für solche Aussagen gebe es keine Grundlage, kam als Antwort von der Bezirksregierung zurück, beantwortet vom Publikum wiederum mit lauten Buh-Rufen und hitzig vorgetragenen Hinweisen auf zahlreiche Straftaten in Nachbarstädten.
„Was, wenn im Laufe der Zeit doch mehr als 450 Menschen hier untergebracht werden sollen?“, „Mit einer Flüchtlingsunterkunft geht steigende Kriminalität einher“ und „Wir nehmen unseren Kindern und Jugendlichen Lebensqualität“ waren nur einige der Äußerungen der Teilnehmer. Auch eine Verteilung der Geflüchteten auf mehrere kleinere Standorte wurde vorgeschlagen, berichtet der „Sauerlandkurier“.
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Unternehmer Kraas wollte im Kloster ursprünglich betreutes Wohnen und Generationen-Wohnen ermöglichen, er habe, als das Land auf der Suche nach Flüchtlingsunterkünften im Frühjahr auf ihn zukam, auch eine Chance für Arnsberg gesehen, wollte den Ort und Vereine an den Mieteinnahmen beteiligen. Die Buh-Rufe gegen ihn verebbten, als er unmissverständlich deutlich machte: „Ich werde das nicht ohne Euch entscheiden.“
Während die Vertreter der Bezirksregierung noch versuchten, bei der zunehmend hitziger werdenden Diskussion zu beschwichtigen, kam die Wendung: Christoph Kraas nahm das Mikrophon und zog sein Angebot zurück: „Ich sage hiermit ab. Das Projekt ist für mich vom Tisch." Standing Ovations und zahlreiche Dankesworte zu dieser Entscheidung kamen als Resonanz, während die Vertreter der Regierung spontan aufstanden, die Mäntel anzogen und ihre eigene Veranstaltung verließen.
Dem Kurier gegenüber sagte der Unternehmer später: „Ich bin Oeventroper mit Herz und Seele, dieses Dafür und Dagegen spaltet den Ort“, und erklärte, dass er durch das Stimmungsbild in der Halle bzw. bei den Bürgern und die teils schwammigen Aussagen des Landes zu dieser Entscheidung gekommen sei. „Ohne die Akzeptanz des Ortes mache ich das nicht, das habe ich von vornherein gesagt. Die Resonanz jetzt zeigt mir, dass Geld allein nicht alles und die Entscheidung goldrichtig ist."
Und was kann man daraus lernen? Es gibt sie noch, die anständigen Leute, ausgestattet mit Gemeinschaftssinn und einem unverstellten Grundverständnis für das Eigene und wie es gegen die da oben zu schützen ist. Und das nicht nur bei den einfachen Leuten, sondern bei allen Menschen, die das Gleiche verbindet: Ein untrügliches Gefühl dafür, was gut für die Gemeinschaft ist. Und das vom Angestellten bis hinauf zum Klosterbesitzer.
PS: Den Moment, in dem Christoph Kraas sein Angebot zurückzieht und die Oeventroper jubeln, können Sie sich hier anschauen.
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Kommentar von Frau U.
Was für ein Pharisäertum dieser CDU Wähler im katholischen tiefschwarzen Sauerland.
Erst 16 Jahre die Oberschleuserin wählen und sie mit Orden zuwerfen und andere Bürger, die auf Grenzen von Humanität hingewiesen haben, verunglimpfen und sich jetzt selber vor der Verantwortung drücken wollen.
Ihr MP Wüst und die Arnsberger Kameraden sollten direkt das Kloster beschlagnahmen und 1000 Asylbewerber unterbringen, so wie es in anderen Städten, die nicht CDU gewählt haben, auch geschieht. Warum sollte es beim eigenen Wahlvolk Ausnahmen geben und vor allem warum sollen jetzt andere Städte die Politik der Sauerländer ausbaden und ihre 400 Merkelgäste aufnehmen?
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Kommentar von Carl Peter
Wenn die eigenen Veranstalter ihre eigene Veranstaltung verlassen, gewissermaßen aus Protest, protestieren sie gegen die Bevölkerung, die ihnen zu Amt und Würde verholfen hat - das ist nicht nur eine Missachtung der Bevölkerung, sondern auch eine Missachtung von Amt und Würde.
Sie hätten dableiben sollen, um sich der Bevölkerung gegenüber amtsgerecht und würdevoll zu verhalten.
So setzen Sie nicht nur in Oventrop ein schlechtes Zeichen, sondern eben auch überall dort, wo Amt und Würde keine Auszeichnung mehr bedeutet.
Dem Unternehmer schuldet man Dank, dass er nicht nur anderen Unternehmern, sondern der Bevölkerung, also nicht nur denen, die für ihn arbeiten, aufgezeigt hat, dass es in einem Unternehmen um die Wahrnehmung von Verantwortung geht.
Ein Unternehmer kann natürlich nur sich selbst bereichern wollen, man wird aber nicht gerne in diesem Unternehmen arbeiten.
Ebenso verhält es sich mit der Politik, von der man zur Zeit nicht sagen kann, deren Vertreter seien sich einer Verantwortung gegenüber der gesamten Bevölkerung bewusst - zuviele Selbstbereicherungen und fragwürdige Interessensvertretungen haben ans Licht der Öffentlichkeit gefunden.
Wenn die von der Bevölkerung beauftragten Politiker sich gegen die eigenen Auftraggeber wenden, können sie zunächst noch eine o.g. Arroganz an den Tag legen, aber sie richten damit mehr zugrunde, als sie wieder aufbauen könnten.
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Kommentar von .TS.
Erfreulich. Und es zeigt: Echte Demokratie kommt nicht von oben aufgezwungen sondern entsteht vor Ort.