Gitta Connemann (CDU) klagt an

Expertin warnt: „Die Affäre Graichen ist weitaus mehr als die Affäre um eine Person oder seine Familie“

von Bertolt Willison (Kommentare: 5)

„Das Ausland, Europa, aber eben auch wichtige Verbündete, gucken inzwischen fassungslos nach Deutschland.“© Quelle: Phoenix Mediathek / Screenshot

Im deutschen Mittelstand regt sich großer Unmut über die grüne Wirtschafts- und Klüngelpolitik aus dem Hause Habeck. Die CDU-Bundestagesabgeordnete Gitta Connemann wurde nun in einem Gespräch mit dem ARD-Sender Phoenix deutlich.

Die Aussagen von Gitta Connemann haben besonderes Gewicht, da sie nicht nur für die derzeitige Opposition spricht, sondern auch als Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) die Interessen von mehr als 25.000 Mitgliedern des einflussreichsten parteipolitischen Wirtschaftsverbandes in Deutschland vertritt.

Wir haben das ca. sechsminütige Gespräch der Politikerin mit Phoenix-Moderator Stephan Kulle für unsere Leser transkribiert. Wer es lieber anschauen möchte, kann dies in der Mediathek des Senders tun.

Das Tagesgespräch bei Phoenix mit der CDU-Wirtschaftspolitikern Gitta Connemann. Ich grüße sie ganz herzlich in Berlin.

Guten Morgen, Herr Kulle!

Es gibt einen schönen Satz: In Afrika braucht es ein ganzes Dorf, um ein Kind ordentlich zu erziehen. Jetzt mal übersetzt auf Deutschland, in Berlin, im Wirtschaftsministerium, braucht es einen großen Familienclan, um eine Energiewende hinzubekommen. Oder wie sehen sie das?

Der Eindruck entsteht jedenfalls, und damit beginnt das Drama, denn es geht gar nicht darum, ob wir es Affäre nennen oder Sturm im Wasserglas, sondern es geht um die Auswirkung. Das Ministerium dreht sich seit Wochen um sich selbst, es ist faktisch gelähmt, und damit werden zwingende Fragen auch für den Mittelstand in Deutschland nicht mehr beantwortet, und viele Bürgerinnen und Bürger werden mit ihren Ängsten auch in Sachen Heizung alleingelassen.

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Also, Sie stehen ja auch für den Mittelstand und die Wirtschaftsunion. Was sind denn die Probleme, die sie sehen? Also, ich meine, es ist ja, sind ja Leute, die arbeiten, die etwas produzieren im Ministerium, meine ich, und eine Wende hinkriegen, hinlegen müssen, die sich gewaschen hat. Also was sind die Probleme, die Sie sehen?

Ich höre auf die Rückmeldung vor Ort, und die Betriebe sagen, wir wissen nicht mehr, ob Strom sicher ist, ob er bezahlbar bleibt. Wir wissen nicht, wie es weitergeht mit Fragen wie Entlastung, aber auch Fach- und Arbeitskräften. Und nur ein Beispiel: neun von zehn Zulieferern im Bereich der Automobilindustrie sagen heute, der Standort Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig, und wir reden jetzt nicht über die Großen, über die ständig berichtet wird, sondern über den kleinen und mittleren Unternehmen, die sozusagen Koffer packen müssen, weil sie unter anderem konkurrieren mit einem Strompreis in den USA, der bei fünf Cent liegt, und in Deutschland wir den höchsten Strompreis weltweit mit 40 Cent haben, und das Ministerium schweigt dazu.

Was könnte es, was sollte es denn jetzt dringend tun? Ich meine, wir haben ja nur einiges schon erlebt, in der vergangenen, in der kürzeren Vergangenheit. Gaspreisbremse, Heizungsgesetz ist auf dem Weg, ist umstritten, die Energiepolitik, der Atomausstieg. Da ist ja eine ganze Menge zu tun. Es ist ja auch nicht so ganz einfach.

Naja, das Ministerium müsste arbeiten, und das ordentlich, denn ehrlicherweise, die Gasumlage wurde gestoppt, und für das Heizungsgesetz gilt, es ist zwingend zu stoppen, denn immer mehr kristallisiert sich heraus, dass es auf Luftbuchungen ja auch beruht, wenn es zum Beispiel um die Frage der Belastung von Bürgern und auch der öffentlichen Hand geht. Da spricht die FDP von 600 Milliarden, die Grünen oder das Ministerium spricht von in Gänze 150 Milliarden. Das sind Riesenunterschiede! Es ist viel handwerklicher Pfusch auch in diesem Gesetz, es ist viel Ideologie in diesem Gesetz. Wenn beispielsweise eine Heizung mit Biomasse betrieben wird oder Pellet-Heizungen, sollen sie nicht gut sein, nur die Wärmepumpe soll es sein, und das klingt ein Stückchen nach Kalkül und Ideologie. Und vor diesem Hintergrund ordentlicher Arbeit, dazu gehört übrigens auch die Frage der Ausweitung des Angebots im Bereich Strom. Uns fehlt tatsächlich grundlastfähiger Strom, und dazu liefert das Bundesministerium keine Antwort.

Gut, das ist natürlich ihre Rolle, jetzt auch zu kritisieren und zu mahnen, weil Sie ja in der Opposition sind, das ist nun mal so. Wir müssen allerdings schon konstatieren, die Zeiten sind nicht einfach, und dass wir plötzlich über Gasspeicher reden, über LNG und solche Terminals, über eine Rettung von Uniper oder Kohlekraftwerke, die wieder an den Start gehen müssen, das ist ja nicht so ganz einfach. Aber da sagt zum Beispiel der Wirtschaftsminister, sein Staatssekretär Graichen, das ist der Mann, der Deutschland vor einer großen Energiekrise bewahrt hat. Da müssen wir ihm doch alle dankbar sein, oder?

Mein Blick auf Staatssekretär Graichen ist ein anderer als der des Ministers. Ich erlebe Staatssekretär Graichen als derjenige, der dazu beigetragen hat, eine grundlastfähige Energie vom Netz zu nehmen, nämlich die Kernenergie. Überall in der Welt wird entweder zugebaut oder Laufzeiten verlängert. In Deutschland wird abgestellt und stattdessen Kohle vergast oder Atomstrom aus dem Ausland importiert. Aus meiner Sicht ist das eine der dümmsten Energiepolitiken der Welt. So sieht es übrigens auch der Rest der Welt. Das kommt als Problem dazu: Das Ausland, Europa, aber eben auch wichtige Verbündete, gucken inzwischen fassungslos nach Deutschland, denn sie müssen den Eindruck haben, dass das Schlüsselministerium für die Wirtschaft wie ein Bananenministerium geführt wird, und das kostet im Übrigen eines: Vertrauen, auch in der Bevölkerung, und ich glaube, das ist ein Punkt, der uns alle umtreiben muss. Wenn 64 Prozent der Bevölkerung in Deutschland kein Vertrauen mehr hat, übrigens in keine der Parteien, dann muss uns das auch als Demokraten in Gänze umtreiben.

Kurz einen Blick auf den Minister, der ja jetzt immer mehr unter Druck gerät. Sie fordern ja, dass man da jetzt nochmal ganz genau nachschaut, also nicht nur bei den Gesetzesvorhaben, sondern auch bei der Personalpolitik im Ministerium, das ja im Grunde genommen Handschriften trägt, die vor allen Dingen immer auf Herrn Graichen zurückzuführen sind.

Das Ministerium ist kein Familienunternehmen, aber aktuell wird es als solches geführt, und das ist dann schwierig, wenn Familienmitglieder offenkundig keine Fachleute mehr hören, sondern nur noch auf eigene Experten vertrauen, die keine solchen sind, und es ploppt jeden Tag ein neuer Vorwurf auf. Seit gestern ist bekannt, dass Graichen versucht hat, von der dena [Deutsche Netz-Agentur, Anm.d.Red.] beispielsweise 60 Leute hinter dem Haushaltsausschuss in das Haus zu ziehen. Das heißt, der Haushaltsgesetzgeber wurde nicht informiert beziehungsweise bewusst umgangen, das heißt, die Affäre Graichen ist weitaus mehr als die Affäre um eine Person oder seine Familie. Es gibt offenkundig strukturelle Probleme in dem Haus, und das fängt mit dem Minister an, denn ehrlicherweise, entweder wusste Robert Habeck, was Herr Graichen macht, oder er hat es nicht gesehen, und beides wäre fatal.

Und deshalb fordern Sie einen Bundestagswirtschaftsausschuss, der sich darüber berät, und eventuell sogar einen Untersuchungsausschuss. Unsere Zeit ist leider davongelaufen, aber sie haben Ihre Standpunkte klarmachen können. Dafür danke ich herzlich, Gitta Connemannn.

Ich danke Ihnen.

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