Dr. Maaßen über das Gefährliche an diesem revolutionär-totalitären Größenwahn

Eine junge Generation wird fanatisiert und glaubt, mit ihr beginne die Geschichte neu

von Alexander Wallasch (Kommentare: 11)

„Die Grünen sind heute eher eine politische Sekte oder eine esoterische Erweckungsbewegung, die sich ihre eigene Traumwelt geschaffen und völlig gelöst hat von Realität, Rationalität und den Gesetzen der Naturwissenschaft."© Quelle: privat

Dr. Maaßen am Montag über seinen ehemaligen Chef Otto Schily, über alte weise weiße Männer, einen grünen Schleiertanz, hin zum chinesischen 12-Punkte-Friedensplan und zum Auftritt der deutschen Außenministerin vor der UN-Vollversammlung.

Alexander Wallasch: Ihr früherer Chef, der neunzigjährige ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily, rechnet anlässlich einer Buchpremiere seines Genossen Fritz Vahrenholt mit den Grünen ab: Sie würden die Wirtschaft vernichten, die Windkraft sei vollkommen untauglich, Robert Habeck als Politiker ebenso. Nur ein Strohfeuer? Oder haben solche Auftritte Potenzial, irgendwas zu verändern?

Hans-Georg Maaßen: Ich schätze Minister Schily sehr. Er ist ein Mann mit einem klaren Kompass, unglaublicher Lebenserfahrung, der ausgesprochen überlegt handelt. Er wägt seine Worte, und wenn er sich so äußert, dann hat das Gewicht. Ich glaube, er ist damals aus der Partei „Die Grünen“ ausgetreten, weil er zu dem Zeitpunkt schon erkannte, dass sich die Grünen in eine völlig falsche Richtung hin entwickelten, nämlich zu einer politischen Sekte mit einem quasireligiösen Welterlösungsanspruch.

Die heutigen Aussagen von Otto Schily sind zutreffend, gut begründet und sollten ernst genommen werden. Ich bin allerdings pessimistisch und gehe davon aus, dass sie im politisch-medialen Raum verpuffen. Grünen-Kritikern wird in den Medien kaum Raum gegeben, und wenn es um so prominente Personen wie Schily geht, die man nicht gleich in die rechte Ecke stellen oder als verrückt diffamieren kann, dann ist deren Kritik eine kleine Berichterstattung wert, hat aber keine weiteren Folgerungen. Im bürgerlichen Lager werden seine Aussagen dagegen als Bestätigung dessen wahrgenommen, was sehr viele denken.

Alexander Wallasch: Nun ist Schily einer der Gründer der Grünen. Aber viele von damals sind heute komplett überkreuz mit ihrer Partei. Da gibt es eine Reihe von Protagonisten, die nicht mehr dabei sind, wie beispielsweise Jutta Ditfurth, die allerdings ins linksradikale Lager gewechselt ist.

Hans-Georg Maaßen: Es haben in der Tat viele Gründungsmitglieder der Grünen aus unterschiedlicher Motivation die Partei verlassen. Und wie ich schon sagte, sind die Grünen heute eher eine politische Sekte oder eine esoterische Erweckungsbewegung, die sich ihre eigene Traumwelt geschaffen und völlig gelöst hat von Realität, Rationalität und den Gesetzen der Naturwissenschaft. Manche haben den Grünen den Rücken gekehrt, weil sie in eine Partei und nicht in eine Sekte eintreten wollten.

Alexander Wallasch: Ist das auch so ein Phänomen, dass sich gerade die Alten noch trauen, laut zu sein? Ich war ganz besonders erstaunt auch über die Vitalität des fast Neunzehnjährigen, hellwach und konzentriert.

Hans-Georg Maaßen: Als ich mit Otto Schily vor einiger Zeit einmal telefonierte, hatte ich auch den Eindruck, dass sein Alter keinen Einfluss auf seinen klaren Verstand und auf seine Urteilsfähigkeit hat. Nicht ohne Grund wurden bei unseren Vorfahren und auch heute in vielen Kulturen die Alten immer um Rat gefragt, weil die Alten ihre Lebenserfahrung haben und wissen, welche Fehler man nicht noch einmal machen muss.

Alexander Wallasch: Sie können sich natürlich selbst auch nicht mehr in Gefahr bringen.

Hans-Georg Maaßen: Ja, sie müssen niemandem mehr gefallen oder schmeicheln, denn sie haben ihre Karriere hinter sich und nicht vor sich. Sie sind weitgehend unabhängig, und wer unabhängig ist, kann mutiger und ehrlicher sein. Deswegen hat man in allen Kulturen die Alten auch immer geschätzt wegen ihrer Klugheit und Weisheit, aber auch, weil sie in aller Regel auf niemanden Rücksicht nehmen müssen und keine zweite Agenda verfolgen. Diese Leute gibt es heute auch noch. Denken Sie nicht nur an Otto Schily in der SPD, sondern auch an Klaus von Dohnanyi oder in der CDU an Rupert Scholz und manch andere ehemaligen Größen unserer Politik, die sich immer wieder kritisch zum Zeitgeschehen äußern. Das sind Personen, die über ein hohes Maß an Lebenserfahrung und politischer Klugheit und Bildung verfügen und die sich, wenn sie sich zu Wort melden, regelmäßig sehr fundiert äußern. Es ist beunruhigend, dass der Rat dieser Persönlichkeiten allenfalls noch in Randnotizen wahrgenommen wird und dass ihr Wort und ihre Erfahrung in unserer Gesellschaft heute nicht mehr gehört werden, sondern dass man lieber auf Kinder und Jugendliche hört, weil sie nach der heute herrschenden politischen Glaubenslehre scheinbar über übernatürliche Weisheit verfügen und uns als Heilsbringer gesandt worden sind.

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Alexander Wallasch: Diese Respektlosigkeit dem Alter gegenüber ist auch so eine klassische 68er-Geschichte, die sich bei den Grünen etabliert hat. Dieser Generationenkonflikt wurde ja ganz bewusst angestrebt. Da ging es um den „Muff unter den Talaren“ und so weiter. Ursprünglich sollte es mal eine Auseinandersetzung mit den wieder in Amt und Würden agierenden Protagonisten der NS-Zeit sein …

Hans-Georg Maaßen: Alle totalitären Bestrebungen setzen auf den immer wieder auftretenden Generationenkonflikt und nutzen ihn für sich aus, in dem sie den Jungen einreden, erst mit ihnen würde die Geschichte beginnen und die Vorfahren hätten alles falsch gemacht und sie betrogen. Wir sahen es bei den Nazis, bei den Kommunisten in der Sowjetunion. Bei Maos „Kulturrevolution“ wurde es auf die Spitze getrieben und auch die ökosozialistische Bewegung nutzt diese Technik für sich, wenn politische Unerfahrenheit und mangelnde Bildung von jüngeren Menschen instrumentalisiert werden und man den Alten vorwirft, sie hätten nichts gegen den Klimawandel unternommen. Es wiederholt sich immer wieder, dass die jüngeren Generationen fanatisiert werden und sie tatsächlich glauben, mit ihnen würde die Geschichte neu beginnen und sie würden als erste Generation begreifen, wie die Welt wirklich funktioniert. Derjenige, der ein Bismarck-Zimmer umbenennt, Straßen umbenennt und Kreuze beseitigt, ist nicht nur geschichtsvergessen. Das wäre nur dumm und politisch eher harmlos. Das Gefährliche an diesem revolutionär-totalitären Größenwahn besteht darin, dass diese Leute glauben, die Geschichte fange erst mit ihnen an, alles zuvor wäre prähistorisch und falsch und sie stünden in keiner Kontinuität mit der Vergangenheit und müssten sich weder der Vergangenheit noch der Zukunft gegenüber für ihr Handeln rechtfertigen.

Alexander Wallasch: Das klingt ein wenig, als wenn das auch Anti-Familie ist. Denn wenn ich intakte Familien habe, ist der Respekt dem Alter gegenüber ja impliziert. Wenn ich die Familie nicht mehr wertschätze, geht auch dieser Respekt verloren. Vielleicht kann man das sogar ganz runterbrechen auf diese Familientradition?

Hans-Georg Maaßen: Wer keine Achtung gegenüber den eigenen Vorfahren hat und glaubt, mit einem selbst würde erst die Neuzeit der Menschheit beginnen, der hat auch keine Achtung vor dem, was vorher gemacht worden ist und hat aber auch keine Vorstellung, was die Zukunft über ihn sagen wird.

Alexander Wallasch: Was bedeutet Otto Schilys überraschender Auftritt bei Roland Tichy für die neuen Medien? Meinen sie, dass das einen Effekt hat? Das ist ja erst einmal außergewöhnlich.

Hans-Georg Maaßen: Ich finde es gut, das Otto Schily das gemacht hat. Auch wenn der linke Mainstream Roland Tichys Medien nicht schätzt und am liebsten nicht wahrnehmen will, so sind sie inzwischen ein kaum mehr wegzudenkender Pfeiler in der deutschen Medienlandschaft. Tichys Medien ist die Aufdeckung einiger neuerer politischer Skandale gelungen, die von der gesamten Mainstreammedienlandschaft verschwiegen wurden. Ich erinnere nur an den Wahlskandal 2021 in Berlin, der zur Wahlwiederholung führte, was maßgeblich auch auf Roland Tichys Medien zurückzuführen ist. Deshalb war es gut und richtig, dass Otto Schily auch mit Roland Tichys Medien spricht. Das sich bislang führende CDU-Politiker von Tichys Medien und vielen anderen Medien außerhalb des linken Mainstreams fernhalten, zeigt, wie groß die Angst dieser CDU-Politiker davor ist, bei den linken Mainstreammedien deshalb in Ungnade zu fallen. Lieber verzichten sie auf ein Interview gegenüber ihrer klassischen Wählerschaft, als von linken Medien kritisiert zu werden.

Alexander Wallasch: Vor einem Jahr griff Russland die Ukraine an. Die Gräberfelder sind schon kilometerlang. Immer wird die Verteidigung der europäischen Werte beschworen. Wenn wir uns Russland und die Ukraine anschauen, hätte so ein blutiger Konflikt auch zwischen Frankreich und Deutschland passieren können? Oder wäre das heute undenkbar?

Hans-Georg Maaßen: Als junger Mensch hatte ich die olympischen Winterspiele in Sarajevo 1984 bewusst wahrgenommen. Zuvor war ich mit „Interrail“ durch Jugoslawien gereist und hatte das Land als einen befriedeten Staat ohne innere Konflikte wahrgenommen. Ich hatte es damals für undenkbar gehalten, dass es bereits acht Jahre später einen blutigen Bruderkrieg in Jugoslawien geben würde. Außerhalb meiner Vorstellungskraft lag auch, dass das Olympiastadion von 1984 zu einem großen Friedhof würde, wo die Opfer der mehrjährigen Belagerung der Stadt beigesetzt wurden. Mich lehrte es, dass Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich sind, sondern dass sie mühsam erarbeitet werden müssen. Es ist wie mit dem Schutz vor Sturmfluten und Hochwasser: Allein die Tatsache, dass es über lange Zeit keine Sturmfluten mehr gegeben hat, bedeutet nicht, dass sie undenkbar sind. Wenn man die Dämme und Schutzanlagen nicht pflegt und ausbessert, kann auch das als undenkbar Erscheinende wieder bittere Realität werden. Und dann beginnt der Lernprozess von vorne. Wir haben es bei den Balkankriegen direkt vor unserer Haustüre gesehen, aber jetzt auch bei dem Krieg in der Ukraine. Für mich ist Frieden in der Mitte Europas keine Selbstverständlichkeit, sondern auch, wenn er so selbstverständlich und so stabil wirkt wie ein ewiger Friede, so muss er doch täglich gepflegt und bearbeitet werden: politisch, diplomatisch, medial, zwischenmenschlich, z. B. durch eine Verbreiterung der persönlichen Kontakte und der Kenntnisse über die jeweils andere Kultur. Wenn das nicht geschieht, kann es passieren, dass die Dämme wieder brechen, und dann sollte sich niemand über das Hochwasser, das uns wegspülen kann, wundern.

Alexander Wallasch: Vielleicht nicht undenkbar, aber doch überraschend war, was man jetzt aus China gehört hat. In den letzten Tagen hieß es noch, China will Waffenhilfe für Russland leisten. Da ging es um Drohnen-Lieferungen. Und mitten in diese Diskussion und in diese Angstmache hinein hat China jetzt ein Zwölf-Punkte-Papier vorgelegt, wie der Krieg zu beenden ist. Haben Sie schon mal drüberschauen können?

Hans-Georg Maaßen: Ich habe es mir angeschaut. Der Zwölf-Punkte-Plan ist auf der Basis der UN-Charta und in einer so diplomatischen Weise formuliert, dass er als Ausgangsposition für Gespräche von beiden Seiten akzeptiert werden könnte. Es ist gut, dass China jetzt diesen Weg geht und Vermittlungen anbietet. Ich halte es sogar für zwingend notwendig, dass ein Staat wie China, der sich bislang in diesem Krieg nicht eindeutig positionierte, versucht, eine vermittelnde Rolle einzunehmen. Die Amerikaner haben sich in diesem Krieg in eine schwierige Situation hineinmanövriert: Gewinnt die Ukraine den konventionellen Krieg, muss damit gerechnet werden, dass Russland ihn auf nuklearer Ebene und nicht mehr beschränkt auf die Ukraine fortsetzen wird. Würden die USA gleichwohl Russland niederwerfen und zerschlagen, wie es als Kriegsziel aus Washington heißt, kann China nicht ruhig zusehen, und muss handeln. Würde die Ukraine den konventionellen Krieg verlieren, wäre dies für die USA ein Gesichtsverlust und sie würde als Weltmacht absteigen. Deshalb sollte es auch im amerikanischen Interesse sein, einen Ausgang aus der verfahrenen Kriegslage zu finden. Ich habe allerdings Zweifel, ob die Biden-Administration jetzt schon dazu bereit ist. Bislang hatte die US-Regierung jegliche Gespräche mit Russland ausgeschlossen. Es ist zu hoffen, dass zumindest auf Ebene der Dienste oder auf diplomatischer Ebene geheime Gespräche über eine Lösung des Konflikts stattfinden. Schließlich konnte die US-Regierung auch bei den Verhandlungen mit den Taliban über ihren eigenen Schatten springen.

Alexander Wallasch: Aber auch der Zwölf-Punkte-Plan Chinas hat ja ein Jahr gedauert, und in der Zwischenzeit gab es im Ukrainekrieg 100.000 oder mehr Tote. Warum braucht denn ein Land wie China so lange, um so einen Zwölf-Punkte-Plan, der ja nun wirklich nicht besonders ausführlich ist, vorzulegen? Die chinesische Führung hat da offenbar lange mit ihrer Rolle gerungen.

Hans-Georg Maaßen: Es kommen hier sicherlich mehrere Punkte zusammen. Ein Punkt ist, dass China nicht der klassische Vermittler zwischen fremden Mächten fremder Kulturen ist. Der andere Punkt ist, dass dann, wenn beide Kriegsparteien noch Zuversicht haben, die jeweils eigenen Kriegsziele mit verhältnismäßigem Aufwand zu erreichen, dann sind sie kaum ansprechbar für eine Verhandlungslösung. Vielleicht ist aus chinesischer Sicht jetzt das Momentum für Verhandlungen gekommen.

Aber auch ein anderer Aspekt, der für alle beunruhigend sein sollte, könnte eine Rolle dafür spielen, dass China Vermittlungen angeboten hat: China hatte im ersten Kriegsjahr für keine Kriegspartei klar Position bezogen. Nicht auszuschließen ist, dass der 12-Punkte-Plan auch deshalb vorgelegt wird, um eine mögliche zukünftige Parteinahme für eine Kriegsseite außenpolitisch begründen zu können, wenn nämlich die andere Seite überhaupt keine Verhandlungsbereitschaft zeigt. Dann könnte der Konflikt durch eine Parteinahme Chinas weiter eskalieren.

Alexander Wallasch: Wenn von 193 Staaten 141 einer Resolution zustimmen und die Vertreter von Milliarden Menschen wie China und Indien sich enthalten, was ist das denn für eine Aussage?

Hans-Georg Maaßen: Ich bin der Ansicht, dass allein die Anzahl der Staaten, die in der UN-Generalversammlung für eine Resolution stimmen, wenig aussagekräftig ist. Staaten wie Malta oder Luxemburg haben dort die gleiche Stellung wie China oder Indien. Allein auf die Anzahl der Staaten abzustellen, verschleiert die tatsächlich dahinterstehende Bedeutung oder Nichtbedeutung der Staaten, die zugestimmt oder nicht zugestimmt haben. Aus diesem Grunde kommt den Resolutionen der UN-Generalversammlung keine völkerrechtlich bindende Wirkung zu.

Alexander Wallasch: Die UN-Generalversammlung ist ja auch bekannt für große Auftritte, eine große Bühne für Politiker, sich zu präsentieren. Jetzt ist Annalena Baerbock vorgetreten und hat postwendend diesen Zwölf-Punkte-Plan kritisiert. Schiebt sich Deutschland in diesem Ukraine-Konflikt zu sehr in den Vordergrund? Ist das wirklich die Rolle, die wir einnehmen müssen, und wer hat uns in diese Rolle gedrängt? Es kann ja nicht nur an den Minsker Verhandlungen und hier an der Rolle von Frank-Walter Steinmeier gelegen haben.

Hans-Georg Maaßen: Ich glaube, man muss hier die Innenperspektive von der Außenperspektive unterscheiden. In Deutschland wird von unseren Haltungsmedien breit über den Auftritt von Frau Baerbock berichtet. Das sind die Medien, die trotz aller Fehlleistungen dieser Ministerin für sie Propaganda betreiben, sie loben und herausstellen wie wichtig sie auf dem diplomatischen Parkett ist.

Und dann gibt es die Außenperspektive, wo ausländische Diplomaten, Geheimdienstler und auch Journalisten aus anderen Staaten ein sehr nüchternes Bild von der Leistungsfähigkeit und Bedeutung der deutschen Außenministerin haben. Ich nehme an, dass ihr Auftritt bei den Vereinten Nationen von anderen außereuropäischen Mächten zwar aufmerksam zur Kenntnis genommen wurden, die Inhalte ihrer Rede aber nur vor dem Hintergrund für wichtig genommen werden, ob sie mit ihrer Rede vielleicht eine Botschaft der USA übermittelt, die die USA so offen nicht aussprechen wollen. Die Außenministerin selbst ist international kein Schwergewicht, und sie vertritt einen Staat, der politisch und wirtschaftlich schwach geworden ist. Ich glaube, dass sie nur insoweit noch für die Chefebene in Peking oder Moskau von Bedeutung ist, wenn man aus ihren Worten die nicht direkt ausgesprochenen Botschaften unseres Bündnispartners herausinterpretieren kann.

Alexander Wallasch: Bei den Minsker Vereinbarungen unter Außenminister Frank-Walter Steinmeier war die Rolle Deutschlands offenbar noch relativ groß. Was hat sich geändert?

Hans-Georg Maaßen: Das liegt inzwischen schon wieder acht Jahre zurück. Die Zeiten ändern sich schnell, denn damals hatte Deutschland zumindest regionalpolitisch eine Rolle gespielt und auch spielen wollen. Der ungarische Ministerpräsident Orbán sagte letztes Jahr, er hätte zwar große Differenzen mit Bundeskanzlerin Merkel gehabt, aber in einem Punkt müsse er sie loben: Sie hätte den Ukrainekonflikt 2014 kalmiert und eingefroren, und unter Merkel hätte es die Eskalation des Ukraine-Konfliktes zu einem Krieg, den wir jetzt erleben, nicht gegeben. Heutzutage bemühen wir uns noch nicht einmal eigenständig zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln, und wir sind und wollen offensichtlich international auch keine relevante Größe mehr sein. Stattdessen tritt die Außenministerin eher als Wanderpredigerin auf, ob auf der Südseeinsel Palau oder in New York, wenn sie gegen den Klimawandel, das Böse in Russland und für eine feministische Außenpolitik predigt. Ich habe Zweifel, dass dies von anderen Staaten noch ernst genommen wird.

Alexander Wallasch: Klingt aber ein bisschen so, als hätte Merkel nicht nur Putin reingelegt, sondern Orbán gleich mit. Es hieß ja von Merkel selbst jüngst und bezogen auf den Ukraine-Konflikt und das Einfrieren von 2014, sie wollte damals nur Zeit gewinnen, um die Ukraine ordentlich zu bewaffnen. Oder habe ich das missverstanden?

Hans-Georg Maaßen: So soll sie sich geäußert haben. Ich möchte das nicht kommentieren.

Alexander Wallasch: Sie sind jetzt fast einen Monat im Amt als Vorsitzender WerteUnion. Was war das für ein Monat?

Hans-Georg Maaßen: Zwei Tage, nachdem ich gewählt wurde, hatte das CDU-Parteipräsidium schon meinen Parteiausschluss gefordert und mich aufgefordert, aus der Partei auszutreten. Das war die unmittelbare Reaktion auf meine Wahl zum Vorsitzenden der Werteunion, und das Parteipräsidium begründet den Parteiausschluss auch ganz offen damit, dass ich Vorsitzender der WerteUnion geworden bin. Ich schlussfolgere daraus, dass die Parteiführung der CDU die WerteUnion und mich als Vorsitzenden als gegenwärtige Bedrohung für sich und ihre politische Linie ansieht. Ich nehme das als ein Kompliment gegenüber der WerteUnion wahr und, dass ich der richtige Vorsitzende für die WerteUnion bin. Ich werde meinen Kurs weiterverfolgen. Ich bin überzeugt, dass das Parteiausschlussverfahren gegen mich eine dumme Fehlentscheidung des Partei-Establishments ist, die letztlich der CDU erheblich schaden kann.

Alexander Wallasch: Wie war hier die Rückendeckung der WerteUnion?

Hans-Georg Maaßen: Die WerteUnion hat mich massiv unterstützt. Die WerteUnion steht zu mir und ich stehe zur WerteUnion. Wir werden unseren Weg gehen, ob mit oder ohne Segen des CDU-Establishments. Für uns ist es entscheidend, die klassischen bürgerlichen und liberalen Werte der CDU durchzusetzen. Dazu zählen zum Beispiel definitiv nicht die Merkelsche Migrationspolitik, die Gendersprache und der Klimawahn. Und wenn das CDU-Establishment nicht bereit ist, mit uns über unsere Forderungen zu diskutieren und stattdessen uns diffamiert, ausgrenzt und mit Parteiausschlüssen bedroht, werden wir uns einen anderen Weg überlegen, die klassischen Werte der CDU durchzusetzen. Jedes Mitglied der WerteUnion will eine Politikwende. Nahezu alle Mitglieder hatten sich dafür eingesetzt, dass Friedrich Merz Vorsitzender der CDU wird. Sie unterstützten ihn nicht deshalb, weil er Friedrich Merz und nicht Helge Braun heißt, sondern weil er eine Politikwende versprach, die er uns bisher schuldig ist. Stattdessen setzt er den Merkel-Laschet-Kurs fort und grenzt die Mitglieder aus, die ihn unterstützten, nämlich die der WerteUnion. Das empfinde ich als charakterlos. Nun soll mit seinem Zutun offensichtlich in der CDU eine Mauer gegenüber der WerteUnion und all denen aufgebaut werden, die für sich die Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen und die sich kritisch zur Parteilinie äußern. Sollte es der CDU-Parteiführung gelingen, diese Mauer gegen die innerparteiische Meinungsfreiheit aufzubauen, dann wäre das ein großer Schaden für die Partei. Die letzten, die eine Mauer bauten, sind in ihrem eigenen kleinen Reich letztlich verendet.

Alexander Wallasch: Letzte Frage. Die CDU scheint ja nach rechts auszubluten, aber von links kommt auch nichts dazu …

Hans-Georg Maaßen: Politisch links ist heutzutage kein vernünftiger Mensch mehr. Wer in der Realwelt und nicht in der ökosozialistischen Traumwelt lebt, sieht, wohin der Ökosozialismus und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit führen. Bei den letzten Landtagswahlen hat der überwiegende Teil der Bürger entweder nicht gewählt oder den Protest gewählt. Auch bei der Berlin-Wahl war das gute Abschneiden der CDU darauf zurückzuführen, dass die Wähler dieses sozialistische Experiment in ihrer Stadt nicht mehr wollen. Die vielen Bürger, die nicht zur Wahl gehen, zeigen damit eindrucksvoll, dass sie nicht nur gegen eine linke Politik sind, sondern dass für sie auch eine linke CDU, die mit den Grünen koalieren möchte, unwählbar ist. Im linken Bereich ist nichts mehr zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Und wenn man das in der CDU nicht begreift, dann muss man das so interpretieren, dass die CDU lieber links ist, als eine bürgerliche Mehrheit zu gewinnen.

Alexander Wallasch: Vielen Dank für das Gespräch!

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