Post-Covid-Insomnia

Eine durchhustete Nacht und eine Schachpartie mit dem Immunsystem

von Gregor Leip (Kommentare: 7)

Oder ist das schon Schwurblertum?© Quelle: Pixabay/Mohamed_hassan

Gefühlt war es erst ein paar Tage her, dass ich stundenweise am Bettrand saß und versuchte das abzuhusten, was sich im Bett liegend als unerträglicher Hustenreiz verfestigt hatte. Heute früh war wieder eine Nacht vorbei und ich saß wieder stundenlang am Bettrand, anstatt darin zu schlafen.

Von Gregor Leip

Frau reichte mir am Morgen noch Getränke, ein Tablet und das Smartphone ans Bett, bevor sie das Haus verließ. Ich spielte ein paar Partien Online-Schach, gab im Google-Suchfenster „Nachrichten“ ein und überflog die Neuigkeiten von Spiegel, Welt, Tagesschau und anderer Leitmedien, die dort ganz oben platziert sind. Wallasch berichtete in den freien Medien von irgendeinem gekillten Eichhörnchen in den USA, Tichy arbeitete sich mit seinen Redakteuren weiter an Trump in den USA und der AfD zuhause ab.

Berichte über die anstehende-Corona Aufarbeitung und die Folgen der Impfungen finden auch noch am Rande statt. Wie geht es eigentlich dem Rest der Nation, fragte ich mich da. Müssen in diesen Tagen viele Menschen nachts am Bettrand sitzen? Oder bin ich einer der wenigen, vielleicht sogar unvorsichtigen Tolpatsche, die nichts gelernt haben aus den „Konditionierungen“ der Lockdown-Maßnahmen vergangener Jahre?

Möglicherweise sind aber genau diese Maßnahmen der Grund dafür, dass ich mich wiederholt und ungewöhnlich oft, nachts am Bettrand sitzend, mit unangenehm heftigen Erkrankungen der Atemwege abmühen muss?

Ich suche nach „Erkältungswellen wegen Lockdown-Maßnahmen“ und schnell ploppen hunderte Links dazu auf. Auf den ersten Plätzen die Tagesschau und ZDF.

Der erstplatzierte Tagesschau-Bericht ist vom Dezember vergangenen Jahres: Ein Faktencheck der Faktenfinder. Neben den Namen der Autoren sieht man die beiden jungen Mitarbeiter aus kleinen runden Fenstern schauen. Pascal mit einem mächtigen roten Rauschebart und Carla hatte sich wohl extra für das Foto noch ein Jackett übergestreift.

Im Intro teilen uns die beiden mit, dass eine Schwächung des Immunsystems infolge der Schutzmaßnahmen während der Pandemie als Behauptung so nicht stimme.

Mehrere „Experten“ wurden gesucht und gefunden, um die Behauptung der Faktenfinder zu untermauern. Oder war es doch andersherum? Ein Professor Watzl aus Dortmund meint, dass fehlendes Training durch Hygienemaßnahmen das Immunsystem trotzdem nicht schwächen würde. Das hohe Infektionsgeschehen habe überwiegend mit irgendwelchen Nachholeffekten zu tun. Watzl verschanzt sich ansonsten im medizinischen Fachsprachen-Dschungel.

An der Annahme der Maßnahmengegner ändert das allerdings nichts, nur die Ausdrucksweise ist hier eine andere. Es mag ja sein, dass die Immunkräfte nicht an Kraft nachgelassen haben durch die Maßnahmen. Aber durch verpasste Infektionen konnten sich auch keine Immunitäten aufbauen. Oder ist das schon Schwurblertum? Ich halte diese fehlenden Immunitäten nicht für eine „Schwäche“ des Systems, sondern für reine Wortspielerei im Sinne des politischen Tagesschau-Faktenchecks.

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Ein weiterer prominent von Google angebotener Link ist ebenfalls von der Tagesschau und neueren Datums, geschrieben hat ihn eine NDR-Redakteurin. Ein Bild von Daniela ist nicht dabei.

Auch hier wird ein Experte bemüht, um die gefällten Aussagen zu verstärken. Oder sind die Aussagen Resultat der Expertenmeinung?

Hier heißt der Experte Junge-Hülsing und ist HNO-Facharzt. Dieser vermutet nun, dass die Menge an Bakterien in den Abstrichen seiner Patienten noch immer eine Spätfolge des Maskentragens seien, weil dadurch das Immunsystem mit vielen Erregern nicht in Kontakt gekommen sei. Und so laborieren nun viele Erkrankte mit Husten, Schnupfen und Fieber deutlich länger herum als in anderen Sommern.

Sitze ich also tatsächlich wegen der Lockdownmaßnahmen und dem geschwächten Immunsystem wiederholt und alle Wochen am Bettrand, um die oberen Bronchienwege freizubekommen?

Tagesschau-Experte Junge-Hülsing bringt noch den Frühsommer dieses Jahres mit ins Spiel und verweist auf das besonders nasskalte Wetter in dieser Zeit. Wir hätten uns dadurch zu viel in Innenräumen aufgehalten und so unser Immunsystem negativ beeinflusst. Die Lockdown-Massnahmen seien es nicht gewesen.

Aber auch hier stellt sich mir die gleiche Frage: Wenn das Immunsystem nicht geschwächt ist, so hat es doch keine Antwort auf eine Reihe von Infektionen und wird deutlich mehr beansprucht. Führt das dann zu diesen hohen und sich wiederholenden Erkältungserkrankungen?

Noch ein weiterer von mir gelesene und von Google angebotener Artikel unter den Suchbegriffen „Erkältungswellen wegen Lockdownmassnahmen“ stammt vom ZDF von Ende 2023. Im Intro steht, was auch dieses Jahr unverändert anhält: „Hausärzte: Wir sind am Anschlag“. Schon vor einem Jahr, ist nachzulesen, kämpften unsere Hausärzte mit einer Krankheitswelle. Und da ist dann fettgedruckt in der Mitte des Artikels die Expertenmeinung von Facharzt Dr.Michael Kulas nachzulesen:

„Das Hauptproblem ist, das unser Immunsystem in den letzten Jahren, in denen wir uns vor Corona geschützt haben, massiv wenig Reize gehabt hat.“

Derweil ist es Morgen geworden. Der Husten weicht endlich der Müdigkeit und ich lege mich noch eine Runde schlafen bis zum nächsten Anfall. Oder ich spiele noch eine Runde Online-Schach. Ich habe mir in der durchgehusteten Nacht eine unschlagbare Eröffnung ausgedacht, mal sehen, ob das funktioniert.

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