Die politische Linke versteht es, Menschenmassen zu mobilisieren

Ein Markenzeichen des Sozialismus: Politische Gegner zu Staatsfeinden machen

von Hans-Georg Maaßen (Kommentare: 6)

„Ralf Stegner ist ein politisch verbohrter böser Mann, der eine andere Gesell-schaft will, als sie das Grundgesetz vorsieht.“© Quelle: privat

Hans-Georg Maaßen über die BSW-Demo in Berlin am Tag der Deutschen Einheit, über Linke, die gegen eine linke Ampel protestieren, und über eine Heuchelei, welche die politische Linke seit jeher kennzeichnet.

Sahra Wagenknecht brachte am Tag der Deutschen Einheit in Berlin mühelos zehntausende Menschen zusammen. Welche Lücke hat sie da gefüllt?

Die politische Linke in Deutschland hat es seit jeher verstanden, Menschenmassen zu mobilisieren. Die Linken sind kampagnenfähig und sie sind mobilisierungsfähig. Das fehlt den Bürgerlichen, die vor die Wahl gestellt, ob sie lieber zur Demo gehen oder die Sportschau ansehen, sich oft für die zweite Alternative entscheiden. Politik ist ihnen zwar wichtig, aber nicht so wichtig wie anderes.

Die Linken sind in der Lage, ihre Anhänger anzusprechen und zu mobilisieren, und durch solche Demos auch andere gesellschaftliche Milieus zu erreichen. Wagenknecht hatte mit dem Thema Frieden ein zentrales Thema besetzt, das viele Menschen bewegt und mit dem man auch über das eigene politisch linke Milieu hinaus Menschen erreichen und mobilisieren kann. Es war ihr gelungen, mit diesem politischen Thema Zehntausende von Menschen auf die Straße zu bringen.

Aber es ist keine bewundernswerte Kunst, denn zum einen haben die linken Kader das als normales politisches Handwerk gelernt und zum anderen ist das linke Kernklientel seit jeher stark mobilisierungsfähig und kann damit auch Menschen aus anderen Milieus mitreißen.

Wie absurd ist es, wenn Linke gegen eine linke Politik der Ampel demonstrieren?

Natürlich ist es absurd. Aber für die politische Linke sind Demonstrationen wichtig, um einerseits die eigenen Anhänger zu mobilisieren und andererseits gegenüber dem politischen Gegner, auch innerhalb der eigenen Reihen, die Mobilisierungsmacht zu zeigen. Mobilisierungsfähigkeit ist bei der Linken und auch bei linken Journalisten ein Ausweis für Stärke, auch wenn selbst ein paar hunderttausend Demonstranten noch nicht einmal ein Prozent der Wähler sind.

Die Mobilisierung von Anhängern und Unterstützern durch Demonstrationen dient auch dazu, innerhalb des Linksblocks die Dominanz für sich in Anspruch zu nehmen.

Noch absurder wird es, wenn linke Regierungsparteien dazu auffordern, gegen die Opposition zu demonstrieren. Dass gegen Regierungshandeln demonstriert wird, ist Normalität. Dass Regierungspolitiker dazu aufrufen, gegen die Opposition zu demonstrieren und die Regierung zu unterstützen ist eine Neuerung, die wir in den letzten Jahren in Deutschland erleben mussten.

Ich erinnere noch an die von Regierungspolitikern Anfang des Jahres initiierten Demonstrationen im Zusammenhang mit der durch regierungsnahe Medien verursachten Falschberichterstattung über eine so genannte „Wannseekonferenz“.

Früher kannte man es aus autoritär regierten Staaten oder aus den Staaten des Ostblocks, dass die Massen aufgefordert wurden gegen einen vermeintlichen Staatsfeind und für die Regierung auf die Straße zu gehen. Es scheint, dass es ein Markenzeichen des Sozialismus ist, politische Gegner zu Staatsfeinden zu machen und gegen sie die Massen aufzuhetzen.

Muss man nach den Bildern vom Donnerstag von einer Renaissance der Linken sprechen? Denn auch die ehemalige Partei von Frau Wagenknecht war massiv vertreten mit Bannern und Fahnen ...

Ich würde gar nicht von einer Renaissance sprechen. Die politische Linke hat den Mauerfall, den Zusammenbruch des Ostblocks und den moralischen und ökonomischen Bankrott des Sozialismus schnell verwunden und sich innerhalb von einigen Jahren neu aufgestellt.

Sie tut nun so, als ob es diesen Bankrott nie gegeben hätte. Im Gegenteil: Die politische Linke ist inzwischen in allen Parteien so dominant, dass sie maßgebend unser politisches Leben bestimmt, unsere Gesellschaft nach ihrer Ideologie transformiert und uns vorschreiben will, wie wir zu denken, zu reden und zu leben haben.

Hinter der Bühne stapelten sich die Luxuslimousinen der Redner, durchweg Verbrenner, und auf der Bühne forderte die Linke Gesine Lötzsch eine Vereinigung der Friedens- mit der Klimabewegung. Ist das noch Regierungskritik?

Nein, das ist jene Heuchelei, welche die politische Linke seit jeher kennzeichnet. Es wird unterschieden zwischen dem einfachen Volk und den Funktionären. Das Volk soll Wasser trinken, während bei den Funktionären der Schampus fließt. Das ist die klassische Mentalität der Linken, die wir nun auch bei vielen Politikern der politischen Linken, bei Politikern der Regierungsparteien, aber auch bei Funktionären der Klimasekte sehen.

Sie genehmigen sie sich selbst Interkontinentalflüge zuhauf, mit Regierungsfliegern oder in der First- oder Business-Class, aber wollen der normalen steuerzahlenden Bevölkerung Verzicht vorschreiben. Die normale Bevölkerung soll auf ihren Mallorca-Urlaub wegen des Klimas verzichten, während dies nicht gelten soll für die Hohenpriester der Klimasekte. Das ist das klassische Heuchlertum dieser politischen Linken, wie wir es aus allen sozialistischen Staaten kennen, ob Sowjetunion, DDR oder China.

Nun hat Frau Göring-Eckardt hat an anderer Stelle mal in etwa gesagt, die Grünen seien keine Heiligen, und sie könnten nicht immer als Vorbilder gelten, Hauptsache, sie wüssten, was das Richtige sei ...

Ja, das erinnert mich an den Spruch: „Den wirklich Reinen, ist alles rein.“ Derjenige, der zu den Hohenpriestern zählt, muss sich nicht an die Regeln halten, die für die Normalsterblichen gelten. Nur, eine solche Mentalität hat in einer freiheitlichen Demokratie nichts verloren. In einer freiheitlichen Demokratie haben sich auch selbst ernannte Propheten, Hohepriester und Parteifunktionäre an die allgemeinen Regeln zu halten. Wir müssen erwarten, dass diejenigen, die meinen, uns vorschreiben zu können, wie wir zu leben haben, sich genau an diese Regeln halten. Es gibt keine Extrawürste für Parteifunktionäre und scheinheilige Propheten.

Die deutsche Flagge waren am Tag der deutschen Einheit auf der Wagenknecht-Demo nicht erwünscht. Aber es gab ein Meer von Palästina-Flaggen. Und als eine Dame mit einer ukrainischen Flagge auf die Fläche wollte, wurde sie rüde von Ordnern abgedrängt ...

Die politische Linke konnte seit Ende des Zweiten Weltkriegs mit Deutschland nichts anfangen, und lehnt Deutschland als einen gewachsenen Nationalstaat ab. Das mussten wir auch im Zusammenhang mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung feststellen, als die politische Linke – damals vor allem von Seiten der SPD und den Grünen – die Wiedervereinigung ablehnten oder Vorbehalte dagegen äußerten.

Vor dem Hintergrund, dass die politische Linke in Deutschland inzwischen dominant ist, darf es nicht wundern, dass Deutschlandfahnen, dass jede Form von Patriotismus und jedes Gedenken an die positiven Seiten der deutschen Geschichte und an die Wiedervereinigung von ihr tabuisiert, als rechtsextrem diffamiert oder ins Lächerliche gezogen wird und dass stattdessen Palästina-Fahnen, die rote Fahne der Kommunisten und an anderen Stellen LGBTQ-Fahnen Einzug in den öffentlichen Bereich gefunden haben.

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Als ich am Donnerstag Fabio De Masi begegnete, bekam ich von ihm als Antwort, nachdem ich mich vorgestellt hatte: „Quatschen sie mich nicht von der Seite an.“ Als ich auf Peter Gauweiler traf, hatten wir einen angenehmen kurzen Austausch. Der 75-jährige prominente CSU-Politiker sprach auf der Demo in Berlin in einem Meer aus roten und Palästina-Flaggen. Neben ihm ein älterer Herr in russischer Uniform mit Sowjetfahne, Gauweiler seinerseits mit Anstecker von Franz Josef Strauß und König Ludwig. Was ist denn hier eigentlich los?

Bei bürgerlichen Politikern sieht man immer wieder, dass sie sich ab einem vorgerückten Lebensalter darin gefallen, durch eine zur Schau getragene persönliche Nähe zu linken Politikern zu provozieren. Diese Leute wollen sagen: Ich bin so unabhängig und kann es mir leisten, auch mit dem politischen Feind Bier trinken zu gehen, auf dessen Veranstaltungen zu reden, und ihr könnt mich mal alle.

Woher kommt denn diese merkwürdige Sehnsucht der Konservativen nach dieser Emotionalität der Linken, vor allen Dingen im Alter?

Es ist vermutlich weniger eine Sehnsucht danach, den Linken zu gefallen, als den eigenen „Parteifreunden“ durch solche Provokationen eine Altersunabhängigkeit zu beweisen.

Einen hatte es bei der Wagenknecht-Veranstaltung nicht so gut getroffen: Der SPD-Politiker Ralf Stegner wurde mehrfach ausgebuht. Sie waren im Fernsehen mal mit Stegner in einem Streitgespräch. Was war Ihr Eindruck?

Für mich ist das ein politisch verbohrter böser Mann, der eine ganz andere Gesellschaft will als die, die das Grundgesetz vorsieht. Er will offensichtlich eine sozialistische Gesellschaft und bekämpft Menschen, die das ablehnen. Diese Feindseligkeit gegenüber Menschen, die nicht seiner Meinung sind, seine negativen Charakterzüge und sein unfreundliches Auftreten wirken auf Menschen abstoßend. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass dieser Mann ausgebuht worden ist.

Hätten Sie denn auf Anfrage auf der Veranstaltung gesprochen?

Das hätte ich mir genau überlegt. Ich rede zwar mir allen, aber ich möchte mich auch nicht instrumentalisieren lassen. Ich hätte geprüft, wer die Veranstalter, wer die weiteren Redner und wer die Zuhörer sind. Ich möchte nicht als nützlicher Idiot für eine linke Veranstaltung instrumentalisiert werden.

Jetzt hat die „Welt“ ein Fernsehduell zwischen Frau Wagenknecht und Frau Weidel angekündigt. Im Anschluss soll Melanie Amann vom Spiegel das ganze einsortieren. Versprechen Sie sich etwas davon?

Es ist wichtig, dass solche Fernsehduelle stattfinden, wenn sie nach fairen Spielregeln erfolgen. Bei Spiegel-Mitarbeitern kann ich grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass deren Beiträge fair sind, weil sie aus meiner Sicht ideologiegetrieben sind. Aber die Zuschauer können sich dadurch stückweise ein eigenes Bild von den beiden Persönlichkeiten machen. Vor dem Hintergrund begrüße ich es, dass solche Interviews oder Streitgespräche stattfinden.

Stichwort Palästina-Fahnen bei Wagenknecht. Die Polizeigewerkschaft warnt vor Ausschreitungen am 7. Oktober, dem ersten Jahrestag des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel. Welche Bilder sind zu befürchten?

Eigentlich ist hier alles zu erwarten, was wir auch schon in der Vergangenheit gesehen haben, vielleicht noch mit einem höheren Maß an Emotionalität. Der 7. Oktober ist nicht nur der Jahrestag des Terrorüberfalls der Hamas, sondern der Tag steht auch in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit den neuerlichen militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah. Dies kann die palästinensische Szene in Deutschland sowie die Unterstützer von Hamas und Hisbollah zusätzlich emotionalisieren und radikalisieren. Deshalb gehe ich davon aus, dass es zu erheblichen Ausschreitungen kommen kann.

Vielleicht wäre es für Journalisten angebracht, auch mal zu schauen, wie da die Reaktion von Wagenknecht und BSW sind ...

Nicht nur das, auch die Reaktionen der Mainstream- und der Staatsmedien sollte man beobachten, und ob sie diese Ausschreitungen verharmlosen.

Danke für das Gespräch!

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