Im letzten Jahr hat ein Teil meiner Familie einfach meinen Geburtstag vergessen. Im Ernst. Statt enttäuschter Tränen über diese gefühlte Lieblosigkeit hätte ich mir vielleicht einfach selbst einen trällern sollen. So hat es jetzt die Bundeswehr gemacht. Sich selbst ein Lied geschrieben zum 67. Geburtstag, das war der 12. November.
Dieser BW-Jubeltag hat medial irgendwie nicht stattgefunden. Vielleicht will man mit 67 auch gar nicht mehr so viel Aufmerksamkeit, man ist ein bisschen abgewirtschaftet und schon fast auf der Zielgeraden. 67 ist in Deutschland das Rentenalter – ganz hochoffiziell.
Zurück zur Bundeswehr: Da es im Moment kein anderer tut, feiert die marode Truppe sich selbst. Und das in Wort, Musik und bewegten Bildern, wie aus der Vorhölle der Fremdscham – ach was, schon mitten aus dem Fegefeuer des sich selbst ein Kissen vors Gesicht Drückens, um das nicht länger mit ansehen und hören zu müssen.
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht fliegt wahlweise in Stöckelschuhen in Kriegsgebiete oder mit dem Sohn im Dienstgepäck auf deutsche Luxus-Ferieninseln. Aber wir wollen nicht kleinlich sein.
Denn hier in diesem Video geht es darum, zum 67. Geburtstag der Bundeswehr für die über 264.000 Mitarbeiter eine Art Teamspirit zu transportieren, wenn’s schon in der Öffentlichkeit sonst niemanden interessiert.
Erste Erkenntnis: Wenn schon nicht die Gewehrläufe, so wurden bei der Bundeswehr die Stimmen geölt, eingesungen mit sechs Gewinnern einer Art „Voice of Bundeswehr“ nach einem internen Wettbewerb. Eingespielt von der armeeeigenen Big Band der Bundeswehr, ja, dafür ist Geld da. Das ist zwar nichts gegen die 16 Orchester, Bigbands und Chöre der Öffentlich-Rechtlichen, aber immerhin.
Die Bundeswehr schreibt auf ihrer Website:
„Zusammenhalt, Gemeinsamkeit, Kameradschaft: Davon handelt dieser Song. An Grenzen und darüber hinaus gehen, Abschiede und Wiedersehen, Erfahrungen teilen, die alle Angehörigen der Bundeswehr verstehen.“
Das Video ist eine Art „Best-of-Bundeswehr" mit Rap-Einlage, ein Zusammenschnitt aus BW-Alltagsszenen. Die Anfangssequenz erinnert an „Top Gun" oder irgendeinen x-beliebigen US-Kriegsfilm.
Die Bilder aus Einsatz- und Manöversituationen wurden so unter die Musikspur gelegt, dass man mitunter nicht weiß, ob man erst mit dem Kopf schütteln und dann lauthals loslachen oder gleich beides zusammen erledigen soll.
Beispiel: In der Zeile „In der Heimat unbekannt“ taucht aus dem trüben Wasser ein Taucher in Großaufnahme auf. Oder: Bei „Wo Ernst auch mal dem Lächeln weicht“ knufft der eine Soldat dem anderen in die Seite, als ob es alles ein Spaß unter Kumpels wäre, so eine Art Motivationsknuffen, während beide mit angelegten Waffen in voller Tarnmontur im Einsatz und allzeit bereit zum Abdrücken sind.
„Uns verbindet alle, was wir gemeinsam teilen.
Wo Stille spricht und Worte schweigen, will im Gedächtnis bleiben.
Ich weiß, was zusammenschweißt und an Grenzen gehen heißt.
Wo Ernst auch mal dem Lächeln weicht, da Lachen Schutz der Seele heißt.
In der Heimat oft unbekannt, im Einsatz gut getarnt,
Bleibe ich als Mensch doch unerkannt, und mein Antrieb unbenannt ...
Wo nach Hause kommen schöner als der Abschied ist,
Doch das Ankommen das Herz zerreißt ...
Und dann die Kraft im Augenblick …“
Die Bundeswehr im Hier und Jetzt also: Bundeswehr goes Eckhart Tolle?…. Aber weiter.
„Wo Du siehst, was ich auch seh,
Weil Du machst was ich auch mach,
Verstehst, darum bin ich hier und nicht einfach geh ...
Darum bin ich hier, bin ein Teil von Dir.
Frage, was so schwer wiegt, auf den Schultern liegt.
Trag die letzte Konsequenz, was trägt mich durch all das hindurch ...
Hier, wo ich auch steh, zu Hause seh'n sie hin,
Stehen ungesehen hinter mir, doch halten mich und geben Sinn,
Wo man hofft, dass ich nicht falle, da lasse ich mich fallen,
Weil Liebe stärker als die stärkste Waffe ist, oh yeah“
Um ehrlich zu sein, hier wird’s nicht nur peinlich, sondern auch regelrecht verdreht. Die Soldaten also, diejenigen, die dafür bezahlt werden, Waffen gegen andere Menschen einzusetzen, sagen oder singen hier, dass „Liebe die stärkste Waffe ist“. Hauptsache Waffe? Das klingt ein bisschen so wie „Impfen ist Liebe“ oder ähnlich unpassende Verdrehungen, die uns in den letzten Jahren im Namen der Kunst untergejubelt werden sollten.
Aber sei es drum, im Bundeswehr-Song kommt jetzt erst einmal ein Intermezzo als Rap, der dann so klingt:
„… Lass uns gleich am Mic performen,
Wir haben den Eid geschworen,
Dass wir für das Volk in dieser Heimat sorgen,
Globale Konflikte bewältigen,
Das Bündnis und das Land behüten
Deswegen beziehen wir Stellung in den Kampfanzügen …
Darum bin ich hier, ein Teil von Dir, hereinmarschiert …
Denn jeder Mensch ist gleich.
Wir kämpfen zusammen für die Gerechtigkeit.“
Ich schicke das einer lieben Freundin, Musikproduzentin mit einigen Hits in ihrer Biografie, mit der Bitte um einen Kommentar. Er kommt postwendend:
„Ziemlich aus der Zeit gefallen, aber man muss natürlich bedenken, dass von unseren guten Leuten aus der Musikbranche wohl auch keiner bereit wäre, einen Song für die Bundeswehr zu produzieren. Erinnert mich insgesamt musikalisch an Schul- oder Kirchenaufführungen, bisschen auch die Gesänge der Heilsarmee, als ich Kind war. Das soll wohl die arg verspätete deutsche Antwort auf ‚We are the World‘ von M. Jackson sein.“
Und für alle, die noch nicht genug davon bekommen haben, hier noch – kein Witz – das Making-of auf der Website der Bundeswehr.
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Kommentar von Ben Diekmann
Das ist sowas von peinlich, wer ist für sowas verantwortlich?
Da wäre es ja sogar besser gewesen, im Fundus zu kramen und ein altes Marschlied zu nehmen...