Der Sardellier serviert Schwärmereien aus der Dose

Die Sardinen.Bar des Berliner Verleihnix

von Bertolt Willison (Kommentare: 2)

Was passiert, wenn sich ein Spitzenkoch in die Ölsardine aus der Dose verliebt, kann man derzeit in einem wundersamen Restaurant in Schöneberg erleben.© Quelle: Bertolt Willison, Bildmontage: Alexander Wallasch

In der Nordsee und im nordöstlichen Atlantik tummeln sich Fische, die sich Sardinen nennen. Ihre Familie sind die Heringe. Diese kleinen Fischgeschöpfe eignen sich wunderbar zum Einlegen in allerlei Ingredienzien und anschließenden Vakuumieren in Blechtöpfchen. Das wird seit Generationen so gemacht.

Ihr Verzehr ist inzwischen auch nicht mehr so lebensgefährlich wie zu Anfang der industriellen Revolution, als man sich als Konsument durchaus eine Bleivergiftung holen konnte. John Franklin und seine Crew von der HMS Terror und der HMS Erebus könnten einen Shanty darauf singen. Man lese nur Sten Nadolnys Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“.

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Jeder von uns hat wohl schon mal Bekanntschaft mit den Dosenfischen gemacht, oft als letzte semikulinarische Rettung auf Reisen. Wer von uns hätte jemals gedacht, dass die Sardine zum kulturellen Erbe werden würde, die Feinschmeckern in aller Welt das Öl aus den Mundwinkeln triefen lässt.

In Berlin-Schöneberg hat sich die Sardinen.Bar etabliert.

Ein kleines und feines Restaurant, in welchem sich der Besucher durch Schwärme unterschiedlichster Sardinendosensorten hindurchspeisen kann. Geschmacksexplosion, für Geist und Auge zugleich. Denn der umtriebige Gastwirt – oder sollte man sagen Sardellier (kurz: Sarde)? – weiß zu jeder einzelnen Dose in seiner opulenten Speisekarte etwas zu sagen.

Sardinen.Bar Berlin Schöneberg

Wo kommt sie her, die Sardine? Wann wurde sie geboren bzw. ist sie gestorben? In was hat man sie einbalsamiert? Korrespondierend hierzu werden Wein und Bier und allerlei kleine gestalterische Details angeboten. Hier hat jemand seine Berufung zum Beruf gemacht, hier ist viel Liebe am Start.

Nach einem köstlichen Aperitif bringt uns der Chef des Hauses die ersten beiden Dosen, eine Dosis (sic!) Sardinen des Jahrgangs 2017 in Olivenöl aus dem Fischerort Saint-Gilles-Croix-de-Vie nahe der Südbretagne und eine Dosis Sardinen in Muscadet-Wein.

Dazu Baguette und ein Blattsalat, wie sie besser nicht sein könnten. Wie froh bin ich, dass ich heute endlich mit der besten Schwägerin der Welt, stilecht gekleidet im maritimen, rotweißen Ringelshirt, den Gutschein, den sie mir damals geschenkt hat, einlöse.

Und es schmeckt wunderbar. Diese kleinen possierlichen Tierchen. Das geschmacksverstärkende Stippen in den Einlegesoßen. Der französische Rosé tut sein Übriges.

Die nächsten (und letzten) beiden Dosen geben uns den Rest: Sardines à l‘huile d‘olive et aux Poivres verts – ein Gedicht mit rosa Kügelchen. Zum Schluss Sardinen in Pitomaïl-Sauce. Herrlich. Satt- und zufriedenmachend. Eigentlich nur Fisch in Blech. Aber doch so viel Meer.

Vier Stunden haben wir verbracht in der Sardinenbar. Eine Stunde pro Sardinendose. Es war jede Sekunde wert. Wir kommen wieder.

PS: Man kann sich seine Dosis Sardinen auch bestellen in der Sardinen.Bar (https://www.sardinenbarberlin.com).

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