Toddn Kandzioras Wochenrückblick 28/2022

Die Babyboomergeneration wird es schon machen …

von Toddn Kandziora (Kommentare: 8)

Und Flugreisen kannte man nur als Fragezeichengewinn aus Rudi Carells Show „Am laufenden Band“ im Ersten. Die kam gleich nach dem Familienbad.© Quelle: Pixabay / lannyboy89

Geht es Ihnen ähnlich? Das Aufstehen am Morgen fällt in dieser gemeinsamen Endzeit von Tag zu Tag irgendwie schwerer. Hören sie ebenfalls schon die morschen Knochen knacken, wenn sich diese nach unruhiger Nacht aus dem Bett zu erheben versuchen, um sich mühsam durch den kommenden Tag zu klappern?

Ein weiterer neuer Tag, der was auch immer bringen mag. Die Möglichkeiten sind so vielfältig, divers und bunt wie das Gesicht nach einer nicht gewollten Kneipenschlägerei am Morgen danach. Inzwischen gilt da Omas Leitspruch: „Wenn man morgens aufsteht und einem nichts wehtut, dann ist man tot.“

Wer sich morgens kurz nach dem Aufstehen ähnlich fühlt, gehört wahrscheinlich wie ich zur sogenannten „Babyboomergeneration“. Der Generation der Schuldigen. Der, wie es scheint, wahren "letzten Generation" einer hier geborenen, aussterbenden Art.

Menschen, die imstande waren, und das schon in jungen Jahren, täglich Sommer wie Winter kilometerweite Strecken zur Schule und zurück zu bewältigen, ohne dabei zusammenzubrechen. Deren Eltern dafür nicht wegen Kindesmisshandlung verantwortlich gemacht wurden.

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Wir sind Teil einer Generation, die noch am Stand der Sonne Himmelsrichtungen unterscheiden können. Die ohne Smartphone in der großen Stadt in der Lage sind, von A nach B zu gelangen. Die, um den Hauptschulabschluss zu erhalten, Grundrechenarten, Dreisatz und Prozentrechnung erlernen mussten und tatsächlich in der Lage sind, handschriftlich einen geraden Satz auf Papier zu bringen.

Wir sind diese Alten. Die vor dem Kamin in langen Winternächten davon berichten, in einer Zeit groß geworden zu sein, in der im kalten Winter selbst bei meterhohen Schneeverwehungen die Deutsche Bahn nach Fahrplan und pünktlich fuhr. In der ein Telefon beim Nachbarn vier Häuser weiter (und nur dann, wenn es wichtig war!) genutzt werden konnte.

In der die Toilette in Form eines Plumpsklos über den Hof stand und ein Kohleofen in der guten Stube für die ganze Wohnung reichen musste. In der das kalte Leitungswasser am Samstag auf dem Küchenofen für die große Zinkwanne erhitzt wurde, in welcher der Vater zuerst und dann die Familie der Reihe nach badete.

Wo ein Hausschwein noch selbst geschlachtet und im Waschkeller zu Wurst und Schinken verarbeitet wurde. In der auf den Dörfern fast jede Familie einen Nutzgarten bewirtschaftete. Das eigene Obst in Gläser abgekocht und geerntetes Gemüse und Kartoffeln eingelagert über den Winter bis zum nächsten Frühjahr ausreichte, die Familie zu ernähren. Es sei denn, der Iwan steht im heimischen Keller und frisst einem wieder alles weg. (Entschuldigung, aber den musste ich jetzt einfach bringen.)

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Uns, die dieser Babyboomergeneration angehören, uns predigen dieser Tage diverse Personen vom großen Verzicht, die selbst nicht einmal in der Lage sind, sich für für ein Geschlecht zu entscheiden und daher dies von Amtswegen alle Jahre nach Lust und Laune zu wechseln gedenken.

Gewisse Personen heutiger Macht faseln von der Entsendung schwerer Waffen an die Ostfront und wollen, dass wir für ihren Endsieg frieren, um die Menge Energie zu sparen, der sie uns durch ihr Gehabe berauben. Andere raten mir, mich nur noch kurz und an drei Stellen meines Körpers zu waschen, um Wasser und Energie zu sparen. Auf die durch Expert*innen (!), Politiker*innen (!) und Wissenschaftler*innen (!) prognostizierte Klimakatastrophe, an der wir, die Babyboomer mit Schuld haben sollen, auf diese gehe ich besser nicht näher ein.

Nur sei so viel dazu gesagt:

Nehmen wir die Anhänger*innen (!) von „Letzte Generation“. Das sind unter anderen auch solche Personen, die sich mittels Schnellbeton ihre Hände auf Straßen und Kreuzungen einzementieren, um dadurch den öffentlichen Verkehr zum Erliegen zu bringen. Derart agierend wollen zumeist junge Leute vor dem kommenden Untergang warnen. Einem Super-Sexy-Mega-Gau, der ihrer Meinung nach eintritt, wenn wir nicht sofort und alle miteinander Buße tun und dem bösen Leben, das wir seit Geburt an führen, abschwören.

Diesen jungen Leuten wünsche ich einmal manch schlecht gemachte Erfahrung wie jahrelange Entbehrungen eines Angehörigen meiner Generation. Gerne würde ich beobachten, wie sie im kalten Winter in der Nacht mit der Eisenstange über den Hof gehen, um auf dem Plumpsklo die trübe Eisdecke zu zerstoßen, damit ihnen beim Kacken keine Ratte in den Allerwertesten beißt. Und abgewischt wird sich danach mit Zeitungspapier. Ist doch klar.

Gerne auch würde ich in ihre Gesichter schauen, wenn sie beim Samstagsbad am Ende der Familienreihe anstehen. Das Badewasser ist dann lauwarm und sandig trüb, aber hey, was soll's? Besser kann doch an Wasser und Energie nicht gespart werden. Dann mal los, du letzte Generation und mit sauberem Gewissen reingesprungen ins schmutzige Vergnügen. Für den Frieden in der Ukraine und gegen Putin-Russland.

Und mehr aus den alten Zeiten sei hier gesagt. Von der alltäglichen Plackerei damals. Vor allem in den Ferien, nicht nur vor und nach der Schule. Urlaub war eh nur selten. Eigentlich gar nicht. Ein Auto hatten damals nur wenige. Und Flugreisen kannte man nur als Fragezeichengewinn aus Rudi Carells Show „Am laufenden Band“ im Ersten. Die kam gleich nach dem Familienbad.

Dann der Nutzgarten. Der kam einer kleinen, privaten Gelddruckmaschine gleich. Der war wirklich groß und der machte sich nicht von allein. Der war mit Grund für manch blutige Blase und Schwiele früher Jugend. Gab dafür aber schon früh ordentlich „Schmalz“ auf die Arme.

Dann das jährliche „Schlachtefest“. So ein lieb gewonnenes Hausschwein mit Namen, das galt beizeiten abgestochen zu werden. So etwas zerrt früh an Nerven wie Gemüt. Aber man gewöhnt sich daran. Mit den Jahren. Und ist ja dann auch „lecker“.

Ich schweife in alte Zeiten ab. Eine Zeit, die sicher viel Gutes hatte, jedoch auch mühselig war. Die in früher Jugend von tatkräftiger Mitarbeit in der Familie und der Nachbarschaft im Dorf geprägt war. Ich bezweifle, dass die gute Mehrheit der heutigen Generation mit solch einem Leben und Entbehrungen zurande käme. Wahrscheinlich kennt sie zumeist nur ein gutes, warmes Leben. Umsorgt von vielfältigen Institutionen. Von Schule und Staat umhegt und oft begütert aufgewachsen.

Wie würden sie sich verhalten, müssten sie wirklich diesen Winter frieren? Vielleicht einen Engpass in der Nahrungsmittelversorgung durchleben? Nur noch wenige Familien haben einen Nutzgarten hinter dem Haus zur Verfügung, wissen diesen zu bewirtschaften. Wie würden sie sich wohl verhalten, sollte Wasser oder Strom nicht mehr fließen!? Das Smartphone offline sein.

Sollte die Verbindung zu "ihrer Welt" nicht mehr bestehen. Wie schrecklich wäre das für die heutige Generation!? Diese Generationen und ihre Angehörigen, die nach meiner kamen, die heute in Wirtschaft, Kultur und Politik mit das Sagen haben, um uns allen, so kommt es mir vor, neunmalklug vorzuschreiben, wie wir zu leben, zu denken, zu handeln haben.

Wissen die Personen, die dieser Tage den Takt angeben, überhaupt, was sie denen abverlangen, die in ihrem bisherigen Leben niemals gefroren, gehungert, überhaupt eines Mangels litten und Verzicht geübt haben!? Sind sich die Mächtig*innen (!) im vergehenden Deutschland im Klaren darüber, was sie mit ihrer Politik, Maßnahmen und Bestimmungen gegenüber Menschen anzurichten in der Lage sind, die kein anderes Leben als „das gute Leben“ kennen!?

Ich denke nicht.

Aber es gibt sie noch. Menschen, die ein karges Leben kennen, sich in einem solchen einzurichten wissen. Nicht nur aus meiner Generation. Auch aus der „letzten“ und an vielen Orten unseres Landes. Menschen, die ohne fließendes Wasser und Strom aus Leitungen über die Nacht in einen weiteren Tag und die darauffolgenden kommen können.

Menschen, die wissen, wie man sät und die Ernte einbringt. Wie man Nahrung erstellt, verarbeitet, erhält und für das Feuerholz im Winter sorgt. Menschen, die wissen, wie man Nutzvieh hält und verwertet. Menschen, die Kraft ihrer Hände Arbeit und dem Wissen über die Dinge, zu überleben in der Lage sind, und dieses Wissen mit den anderen teilen werden.

Hoffen wir, dass diese Menschen nicht in einer dystopischen Zukunft diejenigen sein werden, die wir am dringendsten benötigen, um den Laden wieder zum Laufen zu bringen. Menschen, die wichtiger für uns sein werden als diejenigen, die Heute sagen, wo es langzugehen hat. Diese eigenartigen Personen, die einen derartigen Schlamassel erst möglich machen.

PS: Zu bestimmten Gelegenheiten im Text gendere ich absichtlich, mit zynischen Hintergedanken. Dann mache ich dies mit (!) erkennbar

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