Grund genug, sich für einen Augenblick von der Debatte, um die Corona-Maßnahmen der Berliner Republik ab- und dem zuzuwenden, was euphemistisch „Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan“ genannt wird und doch nichts anderes bedeutet als: Deutschland hat einen Krieg verloren!
Die moralisch Bessergestellten in den gefälligeren Vierteln der Städte kümmert das freilich nicht. Der herrschende Postheroismus hat den Krieg einfach abgeschafft. Wer dennoch davon spricht, gilt als Ewiggestriger, Unmensch oder Rechtspopulist, für den es im besten Deutschland aller Zeiten keinen Platz mehr gibt. Im Juste Milieu, das Soldaten nur dann zu akzeptieren bereit sind, wenn sie sich Frauenkleider anziehen und auf einem Unimog in Einhorndesign über den Appellplatz brausen, wird das Ende der westlichen Intervention am Hindukusch eher als Chance begriffen.
Einerseits, um die Abschiebung von Schwerkriminellen zu verhindern, die der Welcome-Refugee-Gemeinde offensichtlich näherstehen als der Nachbar hinterm Gartenzaun ohne Vielfaltambitionen. Andererseits, um mit Blick auf die nächste Zuwanderungswelle jetzt schon einmal den moralischen Druck auf denjenigen der drei Zufallsnamen zu erhöhen, der das Rennen um Angela Merkels Nachfolge machen wird.
Obwohl das gar nicht nötig sein dürfte, schließlich haben wir es bei Laschet, Baerbock und Scholz mit Muttis Zöglingen zu tun, von denen keiner das Format mitbringt, einen fundamentalen Politikwechsel hin zu wieder mehr Demokratie herbeizuführen.
Jenseits der Wirklichkeit in Deutschland, also in der Realität, wie wir sie von früher her kennen, hat man noch das Verständnis dafür, was es heißen, was es bedeuten könnte, einen Krieg zu verlieren. Seit jeher ist eine Niederlage in einem bewaffneten Konflikt für den Unterlegenen ein tief einschneidendes Ereignis gewesen, das nicht selten zu einer gesellschaftlichen Zerreißprobe geführt hat.
Mit der Erkenntnis, dass die gebrachten Opfer sinnlos gewesen sind, geht die grundsätzliche Infragestellung des alten, vertrauten, aber unterlegenen Systems einher. Es ist somit kein Zufall, wenn, wie in Russland 1904/05 und 1917 oder dem Deutschen Reich 1918/19, auf die Niederlage innere Unruhen bis hin zur sozialen Revolution folgen.
Nun sind die Konflikte, in die sich die Berliner Republik einbinden lässt, selbstredend nicht vergleichbar mit Waffengängen wie dem japanisch-russischen Krieg oder den Ersten Weltkrieg. Stattdessen haben wir es mit den so genannten „Neuen Kriegen“ (Münkler) zu tun.
Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie schleichend beginnen und in der Folge die meiste Zeit unterhalb der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle schwelen. Neuen Kriegen fehlt alles, was einen „klassischen“ Krieg ausgemacht hat: Kriegserklärungen, Schlachten, Fronten, noch nicht einmal Uniformen existieren, anhand derer man Kombattanten von Nicht-Kombattanten unterscheiden könnte.
Dies verweist auf eine weitere, sehr gefährliche Eigenart der neuartigen Konfliktformen, nämlich die unauflösliche Verbindung mit dem Terrorismus. Wobei besonders die Tatsache ins Auge fällt: je ausgefeilter die Kriegsführung des Westens – z.B. Satelliten-Aufklärung – desto primitiver die Waffen der Kämpfer/Terroristen – z.B. das Messer in der Auslage des Supermarktes. Der Terrorismus ist eben der „Krieg des kleinen Mannes“. Ohne, dass der Westen auf diese, leider sehr erfolgreiche Taktik bislang eine adäquate Antwort gefunden hätte.
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Ob eine westliche Macht überhaupt imstande ist, einen Neuen Krieg zu gewinnen, wird die Zukunft weisen. Bis jetzt wissen wir nur, dass man ihn verlieren kann. Daran ist prinzipiell nichts Ehrenrühriges. Es haben schon ganz andere Armeen als die kunterbunte Bundeswehr gegen den sturen Freiheitswillen einer okkupierten Ureinwohnerschaft den Kürzeren gezogen. Beispiele dafür gibt es zuhauf: die römischen Legionen in den Wäldern Germaniens, die napoleonischen Divisionen Spaniens, das französische und US-amerikanische Expeditionskorps im Dschungel Vietnams und, nicht zu vergessen, das sowjetische im Hochland Afghanistans.
All diese Niederlagen in der Fremde zogen politische und soziale Erschütterungen zuhause nach sich, wenn auch nicht so dramatische, wie die obengenannten in Russland und dem Deutschen Reich Anfang des 20. Jahrhunderts. Stattdessen ist das Spektrum der Reaktionen auf eine Niederlage vielfältig. Es reicht von Vergeltungsplänen bis hin zur totalen Unterwerfung, stets aber war damit eine Aufarbeitung der Niederlage verbunden.
Was nun die Berliner Republik anbetrifft, so es bedarf keiner großen Prophetie, um vorherzusagen, dass hier diese Tradition gebrochen und es keine Aufarbeitung des Desasters in Afghanistan geben wird. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen ist im bis zur Selbstaufgabe pazifizierten Deutschland das feindliche Desinteresse gegenüber allem Militärischen zu groß.
Soldaten gelten hier als Menschen einer früheren Entwicklungsstufe, die man nicht nur gefahrlos beleidigen oder bespucken kann, sondern dafür auch noch gesellschaftliche Reputation erntet.
Zum anderen möchte man vermeiden, dass der aus postheroischem Hochmut geborene Dilettantismus, wenn nicht gar die völlige Unfähigkeit der Regierenden offenbar wird. Schließlich müssten die Verantwortlichen dann erklären, warum sie die Soldaten und Soldatinnen in ein Kriegsgebiet geschickt haben, ohne ein konkretes Ziel zu formulieren. Dabei ist genau das, nämlich die Definition des Kriegs- beziehungsweise Einsatzziels, Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Mission.
Es begrenzt einen bewaffneten Konflikt, weil das Ende desselben im Ziel festgeschrieben ist; aus ihm resultieren zudem ein konkreter Auftrag sowie Klarheit über die zur Zielerreichung erforderlichen Mittel; und schließlich hat der, der nicht weiß, warum er streitet, schon verloren. Erst recht, wenn die Feinde Gotteskrieger sind, die ganz genau wissen, wofür sie kämpfen und – sterben.
Trotz der zentralen Wichtigkeit eines Einsatzzieles waren die Verantwortlichen im Bendlerblock nahezu zwei Jahrzehnte lang nicht in der Lage und/oder willens, entsprechende Einsatzziele zu formulieren. Aber warum nicht? Die Standardantwort darauf lautet: weil die Bundeswehr als Teil eines Bündnisses agierte und es deshalb keiner spezifisch deutschen Ziele bedurfte.
Dies ist, wie unschwer zu erkennen, eine Ausrede, eine schlechte dazu. Das Gegenteil ist richtig. Deutschland führte schließlich jahrelang das Kommando in Nordafghanistan, daraus ergibt sich beinahe zwingend die Notwendigkeit eines eigenen Einsatzziels.
Näher an der Wahrheit dürfte daher die Vermutung liegen, dass die Regierenden damals, als die Invasion Afghanistans kurz nach dem 11.September 2001 begann, zu ängstlich gewesen sind, eigene Interessen in Gestalt von Einsatzzielen zu definieren und man sich dankbar hinter den USA und deren Vergeltungswünschen verkroch.
Später, nachdem Angela Merkel ins Kanzleramt eingezogen ist, erledigte sich das Thema von selbst. Sie lagerte die deutschen Interessen nach Europa aus und behauptete Interessensidentität zwischen Berlin und Brüssel. Seit 2010 ist schließlich klar, dass „deutsche Interessen“ ein Fall für die neuen deutschen Korrektoren geworden sind. In diesem Jahr stürzte bekanntlich der damalige Bundespräsident Horst Köhler über laut geäußerte Gedanken hinsichtlich der robusten Verteidigung eben jener eigenen Interessen.
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Doch zurück zu der notwendigen Aufarbeitung des Afghanistan Einsatzes. Eine solche würde nicht nur das militärische, sondern zudem das politische Totalversagen der deutschen und westlichen Verantwortlichen offenlegen, die die es nicht geschafft haben, staatliche Strukturen zu schaffen und zu etablieren, die für das afghanische Volk attraktiver sind als die eines Gottesstaates und für die es gegen die Koranschüler zu kämpfen bereit ist.
Zeit genug wäre gewesen, beinahe zwanzig Jahre. Man hätte also die Möglichkeit gehabt, eine ganze Generation für einen neuen, friedlicheren Gesellschaftsentwurf und gegen die Herrschaft der Radikalislamisten zu gewinnen. Doch das ist noch nicht einmal ansatzweise gelungen. Stattdessen stehen Taliban und Bevölkerung Seit an Seit Spalier, wenn die verbliebenen, nicht desertierten Reste der Afghanischen Nationalarmee, ANA, Kunduz kampflos verlassen.
Fraglos ist die Aufgabe, aus dem Nichts eine Zivilgesellschaft zu errichten, keine leichte. Und wie der Blick in die Vergangenheit zeigt, ist der Misserfolg wahrscheinlicher als der Erfolg. Wenn aber Bundesaußenminister Heiko Maas, sechs Tage vor dem endgültigen Abzug der Bundeswehr, am 23.Juni 2021, verkündet:
„Vor allem die Taliban müssen zur Kenntnis nehmen, dass es ein Zurück ins Jahr 2001 nicht geben wird. … Menschenrechte sind heute in der afghanischen Verfassung fest verankert, und daran darf auch niemand rütteln“, dann bleibt nicht viel mehr als Sprachlosigkeit. Es wird klar, dass das afghanische Volk nie eine echte Chance gehabt hat.
Und ganz so, als wolle die Verteidigungsministerin dem intellektuellen Offenbarungseid ihres Kabinettskollegen nicht nachstehen, gibt diese am 13. Juli 2021, nur zwei Wochen nachdem sie bei der Rückkehr der letzten Soldaten vom Hindukusch durch Abwesenheit glänzte, die Indienststellung eines „Weltraumkommandos“ bekannt.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Bundeswehr, ohnehin nicht einsatzfähig und gerade erst im Kampf gegen Steinzeitislamisten unterlegen, soll nun im Weltraum Satelliten schützen!
Rational ist ein solches Verhalten nicht mehr zu erklären. Umso weniger, da davon auszugehen ist, dass sowohl Maas als auch Kramp-Karrenbauer gar nicht Lage sind, ihre Totalausfälle zu realisieren. Die meinen das ernst!
Für die 59 gefallenen und die vielen an Leib und Seele verwundeten Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr sowie für deren Angehörige und Freunde bleibt indes nur Mitgefühl. Ebenso wie für jene Afghanen und deren Familien, die mit der Bundeswehr zusammengearbeitet haben, und nun die Anstandslosigkeit der Berliner Republik mit dem Leben bezahlen werden.
Was bleibt ist Wut und Trauer. Die gebrachten und noch zu bringenden Opfer sind sinnlos. Sie haben gelitten und leiden für Politiker, die sie schlicht verheizt haben. Und als wäre das nicht schlimm genug, erfahren sie nun noch eine zusätzliche Demütigung in Gestalt kalter Ignoranz der Mächtigen, die, trotzdem sie das Debakel in Afghanistan vor Augen haben, weiterhin deutsche Soldaten für nichts und wieder nichts ins Feuer schicken. Aktuell nach Mali, wo die Bundeswehr für französische Interessen den Kopf hinhält.
Deutschland hat in Afghanistan einen Krieg verloren. Verweigern sich die Regierenden weiterhin diesem Eingeständnis und der Notwendigkeit, daraus zu lernen, wird es nicht die letzte Niederlage gewesen sein.
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