Erste umfassende Würdigung eines Meilensteins der Aufarbeitung

Das RKI-Leak: Eine Achterbahnfahrt über Abgründen

von Johann Christoph Lindner (Kommentare: 8)

Aya Velásquez reagierte professionell und souverän auf Kritik.© Quelle: Pixabay / WaldNob

Als das Team um Aya Velázquez, Stephan Homburg und Bastian Barucker das gigantische Leak eines Whistleblowers aus dem Robert Koch-Institut präsentierte, durchlebte mancher Beobachter der Pressekonferenz (PK) eine emotionale Achterbahnfahrt.

Die PK wurde zur kleinen Zeitreise, in der man sich verschiedene Zeitpunkte im „pandemischen Geschehen“ nochmal vor Augen halten und sich erinnern konnte. Erinnern, wie der polit-mediale Komplex und Teile der Öffentlichkeit mit Menschen umgingen, die bestimmte Argumente und Erkenntnisse zu bedenken gaben, die nun schwarz auf weiß und im zeitlichen Zusammenhang zu den RKI-Protokollen stehen.

Schon die wenigen Aspekte, die das Team im Vorfeld aus dem umfangreichen Material herausgearbeitet hat, setzen den Trend dessen fort, was sich mit der Veröffentlichung des Online-Magazins „Multipolar“ im März dieses Jahres zeigte:

Die unbedingte politische Motivation des Corona-Regimes, hoch skalieren zu wollen. Maßnahmen gegen eine Pandemie ergreifen zu wollen, die auch das Robert Koch-Institut (RKI), bisher nicht kannte, war sie doch "asymptomatisch".

Der eigentliche Zweck der Regierungsbehörde wäre, zu evaluieren, ob es eine Gefahrensituation für die Bevölkerung gibt, und welche geeigneten Maßnahmen zum Schutz selbiger verhältnismäßig und sinnvoll wären.

Der Eindruck ist berechtigt, dass die ergriffenen Maßnahmen gesetzt waren und die Bundesregierung das RKI vor allem dazu anhielt, nach Begründungen zu suchen. Es ging gar nicht erst um die Abwägung, sondern vor allem um die Schaffung von Argumentationsleitlinien, mit denen man der Bevölkerung noch nie dagewesene Grundrechtseinschränkungen verkaufen könnte.

Darauf gibt es individuell unterschiedliche Perspektiven, die maßgeblich auch beeinflussten, wie man diese Zeit erlebte. Zweifelsohne dürfte das Erleben dieser Zeit – gerade auch in den ersten Monaten – stark davon abhängen, wie man bis dahin auf die Welt, auf die Gesellschaft und sich selbst geblickt hat.

Für die Kreise der sogenannten "Maßnahmenkritiker" enthalten die RKI Protokolle wenige wirklich ganz neue Erkenntnisse. Vielmehr bestätigen sie, dass die sachlichen und argumentativen Auseinandersetzungen der letzten Jahre größtenteils zutreffend war.

Die RKI-Protokolle legen offen, dass politische Entscheider vielfach über die diskutierten Zusammenhänge und Hintergründe im Bilde waren. Und dass Informationen, die dem RKI zugänglich waren, für die Menschen, die sie öffentlich äußerten oder diskutierten, oft Diskreditierungen und Diffamierungen zur Folge hatten. In weiten Teilen ging es vor allem darum, vom RKI Legitimationen und sprachliche Leitlinien für Maßnahmen und Impfkampagnen erarbeiten zu lassen.

Die Protagonisten, die in Berlin das RKI-Leak veröffentlichen, sind schon früher durch ihre Sachlichkeit und Professionalität aufgefallen.

Es erscheint dennoch legitim, nach der Veröffentlichung, Herkunft und Integrität der Daten zunächst in Frage zu stellen und sich darüber Gedanken zu machen, ob bewusst und in unlauterer Absicht Material an Menschen durchgestochen wurde, die innerhalb dieser Kreise eine hohe Reputation genießen.

Es ist grundsätzlich legitim, alles in Frage zu stellen und zu diskutieren. Als die Fragestellungen zur Integrität aufkamen, erschütterten allerdings die persönlichen Angriffe gegen die Protagonisten selbst, die teils weit unter die Gürtellinie gingen und einzig darauf ausgerichtet schienen, zu diskreditieren.

Ausgerechnet Leute, die nun über Jahre derartige Mechanismen am eigenen Leib zu spüren bekamen, wenden sie gegen andere an? Häufig entbehrten viele persönliche Anfeindungen gegen Aya Velásquez und ihr Team so an Substanz, dass man das Gefühl haben konnte, hier ging es um ein gesteigertes Geltungsbedürfnis oder verletzte Eitelkeiten.

Andererseits – und um die angesprochene Achterbahnfahrt nicht zu vergessen – war das Corona-Regime für viele grenzwertig und belastend. Insbesondere für diejenigen, die versuchten, auf alle Widersprüchlichkeiten hinzuweisen, oder sie der Öffentlichkeit aufzeigten. Aus diesen oft sehr persönlichen Erfahrungen heraus wünschen viele, an der Aufarbeitung mitwirken zu können. Genau deshalb ist die Strategie der Veröffentlichung die richtige.

Was die Aufarbeitung dieser Zeit betrifft, ist das RKI-Leak und die Arbeit des Teams um Aya Velásquez ein Meilenstein.

Was konkret hat das Team geleistet? Ich bin selbst viele Jahre in der Softwareentwicklung und der IT tätig gewesen und kann eine Einschätzung abgeben. Das beschriebene Vorgehen nebst umfangreicher Aufbereitung sind aufwändig.

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Nach Aussage von Aya Velásquez erhielt das Team erst in der Nacht vor der Pressekonferenz (PK) das letzte Datenpaket und konnte erst dann die Gesamtkonfektionierung der Pakete abschließen. Das Material wurde insgesamt über Wochen, Stück für Stück, von einem RKI-Archiv-Server kopiert, der nicht im dort sonst üblichen Umfang protokoliert.

Mit diesem Vorgehen wollte man Aufsehen vermeiden. Das klingt für mich schlüssig, genauso schlüssig, wie dann die Flucht nach vorne anzutreten und den Schutz in der Öffentlichkeit zu suchen, indem man das Material sofort allen zugänglich macht.

Aya Velásquez hat in den ersten Tagen nach der PK sehr souverän und professionell auf die vorgebrachte Kritik - so sie denn einigermaßen sachlich war - reagiert. Sie hat sich umfänglich zur Herkunft der Daten geäußert und die offenen Fragen soweit möglich auch beantwortet. Auch für den Umgang damit gebührt ihr Respekt.

Mittlerweile dürfte auch hinreichend belegt sein, dass diese Daten selbstredend aus dem RKI stammen. Es sind sogar Protokollabschnitte im Zusatzmaterial aufgetaucht, die das RKI selbst verloren gab oder verloren geben sollte. Auch fand sich im Zusatzmaterial Schriftverkehr, teils auf Regierungsebene zwischen Deutschland und Frankreich, Fotomaterial und einiges mehr, das weit über die Inhalte der Sitzungsprotokolle hinaus geht.

Viele Fragestellungen, die man noch vor wenigen Tagen durchaus hätte formulieren können, kann man sich jetzt gerade ob der Diskussionen und der entsprechenden öffentlichen Auslassung von Aya Velásquez ersparen.

Aus der fachlichen Sicht bleibt es merkwürdig, wie das RKI selbst in der IT arbeitet. So etwa das Protokollierungen in Form von offenen Word-Dateien, die einfach auf File-Servern herumliegen, anstatt beispielsweise mit Repositories zu arbeiten, oder eben mit signierten PDFs - nachdem Protokollierungsvorgänge abgeschlossen sind.

Nun hat sich das RKI – haben sich deutsche Behörden insgesamt – in den letzten Jahren nicht unbedingt durch ihre professionelle Handhabung von IT oder Daten hervorgetan.

In letzter Instanz kann niemand ausschließen, dass die Protokolle beim RKI nachträglich nochmal geändert wurden, oder das Material ausgespart wurde. Schon gar nicht Aya Velásquez. Sie ist aber auch nicht für die Integrität und Vollständigkeit zuständig, das ist das RKI selbst!

Ja, es gab Auffälligkeiten in einigen Metadaten, die sich jedoch entlang der Darlegung von Aya Velásquez erst einmal erledigt haben.

Absolut sicher könnten wir nur sein, wenn es etwa signierte PDFs seitens des RKI selbst gäbe, die nachträglich mit Abschluss des Protokollierungsvorgangs auch nicht mehr bearbeitet werden können. Man muss sich die Frage stellen, wie innerhalb solcher Bundesbehörden überhaupt eine Datenintegrität garantiert werden kann, welche zur internen Kontrolle dringend geboten ist.

Die wesentliche Frage bleibt, warum wir diese Daten erst in 2024 durch einen Leak einsehen können. Damit sind wir beim Ministerium angekommen, dem das RKI selbst in Weisung unterstellt ist.

Warum wurden diese Protokolle nicht schon viel früher und vom RKI selbst veröffentlicht? Der gesellschaftliche Schaden wäre kleiner ausgefallen. Es ist grotesk, wenn einige Leitmedien jetzt suggerieren, sie würden keinen Skandal erkennen können.

Für unser Gesellschaftsmodell ist es wesentlich, dass wir endlich beginnen, auch in der breiten Öffentlichkeit über die asymptomatische Pandemie zu debattieren. Insbesondere dann, wenn uns angedroht wird, die nächste käme ganz gewiss.

Das donnernde Schweigen der medialen Öffentlichkeit oder das betonte Herunterspielen spricht Bände. So wird es weiter in die Hände kritischer Köpfe und neuer Medien gelegt, die notwendigen Debatten zu führen. Nicht um anzuklagen oder zu vergelten, sondern um das zu verarbeiten und als Gesellschaft möglicherweise wieder zueinanderfinden zu können.

Der Dank gilt Aya Velásquez, Stefan Homburg, Bastian Barucker, dem Team im Hintergrund und nicht zuletzt dem Whistleblower selbst. Schon in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung zeigt sich abermals, dass eine einmal auf derartiges Material losgelassene Schwarmintelligenz sehr schnell, sehr vieles ans Tageslicht befördern kann. So geht Aufarbeitung.

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