Im Dezember hatte ich meine letzte öffentliche Lesung. In Halle war das. Nein, nicht Dezember 2020, es war 2019. Das liest sich wie vor Jahren passiert, dabei sind seitdem nicht einmal dreizehn Monate vergangen.
Dreizehn Monate ohne Kultur schnuppern zu können. Für mich als Künstler sind diese Monate eine kleine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, die alt macht. Als ich mich heute Morgen näher im Badezimmerspiegel betrachtete, erschrak ich fast. Dunkle Augenringe. Noch deutlicher eingegrabene Sorgenfalten und zwei – furchtbar, aber wahr: – Merkelmundwinkel wie aus der staubigen Ecke eines Marionettentheaters.
Verdammt. Ein Mensch, seit fast einem Jahr auf sich selbst reduziert, behördlich dazu verdonnert, sich in seiner Wohnung aufzuhalten, aber – und Gott sei es gedankt – noch nicht in einem der vielen Landkreise im Land lebend, in dem von 20 Uhr bis zum frühen Morgen Ausgangsverbot gilt, aber das kann ja jeden Tag noch hinzukommen.
Ein Mensch, der abends weder in eine Kneipe, einen Klub, ein Restaurant oder Theater gehen kann; ein Mensch, der tagsüber keinen Friseur findet, in das Sportstudio seiner Wahl gehen oder sich mit zwei Kumpel zum Skatspielen treffen darf. So ein Mensch, nennen wir ihn eben noch so, der kann sich heutzutage nicht mehr als ein solcher fühlen. Ich empfinde es jedenfalls für mich so.
Ich gebe zu, mir fehlt mein altes Leben. Es war nicht das Beste, doch es war besser! Es war das Leben in der alten Normalität. In meinem jetzigen, in diesem neuen Leben unter den Corona-Maßnahmen gibt es mancherlei, an das ich mich einfach nicht gewöhnen mag. Der Spiegel lügt nicht, es verwundert auch nicht, dass mich das letzte Jahr mehr als eines gekostet hat. Obwohl nicht bestellt, bin ich, wie alle anderen verpflichtet worden, die Zeche mit zu bezahlen.
Wie viele andere habe ich diese offensichtlich kopflos handelnde Regierung nicht gewählt. Wie viele andere vertraute ich viel zu lange den Leitmedien, diesem regierungstreuen Tross an WissenschaftlerInnen und finanzierten Experten. Was bleibt mir heute? Ein zaghaftes Kopfschütteln in den eigenen vier Wänden, so wie gestern, als die Kanzlerin auf allen Kanälen einen wahrscheinlicher werdenden totalen Lockdown vorbereitete. Pardon. Nicht „totaler Lockdown“, den Mega-Lockdown. Total war früher. Heute ist mega das Wort zum Sonntag.
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Und eines der beiden Unwörter des Jahres 2020 ist "Corona-Diktatur". Da wächst zusammen, was zusammengehört. Und was sich partout nicht vereinen will, wird eben gezwungen. Und wenn es sich nicht zwingen lässt, wird es gelöscht.
Ganz groß im Löschen war diese Woche der Nachrichtendienst Twitter. Dieser löschte nicht nur über Nacht den Account vom amtierenden US-Präsidenten, sondern 70.000 Konten seiner unliebsamen Anhänger gleich mit. Einfach so. Schwuppdiwupp und aus die Maus. Und Instagram löschte mit. Und YouTube. Facebook ließ sich nicht lumpen und machte sich ebenfalls auf die Suche nach den bösen Wörtern und unliebsamen Bildern.
Nein, heute müssen keine Bücher mehr verbrannt werden. Heute wird medial gelöscht. Mit Erfolg und kaum Geschrei. Protest? Gibt es nicht und wenn er irgendwo auftauchen sollte, dann wird er zuerst diffamiert und wenn er auffällt verboten aufgrund neuer Abstandshaltungsregeln und der einzuhaltenden Gesundheitsschutzregeln in der Öffentlichkeit.
Die private Skatrunde zu dritt im eigenen Haushalt? Möglicherweise ist das dann schon eine Keimzelle von Söders neuer Corona-RAF. Gut, dass es aufmerksame Nachbarn gibt, die in einem solchen Fall die Polizei rufen, um eine solche Keimzelle festzunehmen. Seinen Unmut in sozialen Netzwerken zu verkünden macht ebenfalls wenig bis keinen Sinn und verringert automatisch die Anzahl der Freunde.
Was dann übrig bleibt ist oft nur das Telefonat, oder ein täglicher Plausch mit der Nachbarin über den Gartenzaun hinweg. (Abstandsregel und Gesichtsschutz nicht vergessen) oder das Gespräch innerhalb der Familie. Doch selbst hier gilt es aufzupassen, nein, nicht zuerst wegen der Ansteckungsgefahr: Nein. Mama oder Papa – bzw. nach den neuen Genderbestimmungen Elternteil 1 und Elternteil 2 – können sich in der neuen Normalität nicht mehr sicher sein, was der Nachwuchs zu petzen bereit ist, also Klappe halten.
Aber ich schweife schon wieder ab. Eingangs wollte ich über meinen schnell voranschreitenden Alterungsprozess berichten. Über neue Sorgenfalten, dunkle Augenringe und meine neuen, tiefen Merkel-Marionetten-Mundwinkel. Vielleicht könnten aber genau diese Mundwinkel mir in naher Zukunft als redlicher „Anpassungsversuch“ zu meinen Gunsten ausgelegt werden.
Ich schätze so ein paar zusätzliche "Social Credit Points", die werde ich bald bitter nötig haben. Unter anderen wegen solcher Querulanten-Kolumnen wie dieser hier. Ein heute vom mir geposteter Leserbrief wird bestimmt auch nicht dazu beitragen können, mir da oben Freund*innen zu machen. Ich habe ihn losgeschickt und kann ihn nicht mehr zurückholen. Er wird also meinem Minuskonto gutgeschrieben werden. Ich schrieb dem NDR zu einem Bericht über fehlende Kontakte bei den Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren.
„Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich bin selbst, wenn auch inzwischen nur ein passives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Wir hier auf dem Dorf vermissen die regelmäßigen Treffen von früher. Das gemeinsame mit der Dorffeuerwehr organisierte Osterfeuer. Unser jährliches Maifest. Das Boßeln nach Ostern und das Weihnachtsfest im Dorfgemeinschaftshaus. Wir alle vermissen unsere geselligen Grillabende, die gemeinsam organisierten Sommerfeste und die kleinen privaten Gartentreffen mit Kameraden, Freunden und Nachbarn. All das wird in diesem Jahr zum zweiten Mal nicht stattfinden dürfen. All diese Veranstaltungen und sozialen Treffen gehören jetzt einer Zeit an, die möglicherweise so nicht wiederkommen wird, sind Geschichte. Eine Erzählung allenfalls von einem gemeinschaftlichen und sozialem Dorfleben ohne Virus. Ich hoffe wirklich sehr, dass wir alle schon bald wieder miteinander zusammenwirken, leben und feiern können. Denn mangelnde soziale Kontakte, die machen krank. Ich kann nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne zu erschrecken.“
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