Es hat einmal eine Reform in der niedersächsischen Polizei gegeben, die am Anfang recht interessant schien. Das war nach der Polizeireform 2003 die Einführung der sogenannten „politischen Polizeipräsidenten“, welche, wie auch heute noch, von der jeweiligen Landesregierung bestimmt wurden.
Dummerweise wurde der Einfluss der aktuellen Landespolitik – ganz gleich, ob es SPD oder CDU war – auf die Polizeiführung immer größer und es kam zu ersten klaren Ansagen ob der polizeilichen Reaktionen auf bestimmte tagespolitische Ereignisse, die mit der Sache nicht immer viel zu tun hatten.
Das unbestrittene Primat der Politik – hier zumeist der Innenminister – mischte sich immer mehr auch in die polizeilichen Taktiken ein.
Ich habe mich in meiner aktiven Dienstzeit, so auch schon mit bei der Einrichtung der damaligen Soko „ASYL“, dennoch immer dagegen gewehrt und mich darauf zurückgezogen, dass ich kein politischer Beamter war.
Ich habe klargemacht, dass die Meinungen eines Innenministers speziell zu polizeitaktischen und strafprozessualen Maßnahmen eben nicht mit Recht und Gesetz zu vereinbaren sind, da die alleinige Verantwortung gesetzlich geregelt ist.
Damit wurden viele Polizeiführer quasi in ein Korsett gezwungen und mutierten zu schlichten Befehlsempfängern. Dabei gibt es für die Strafverfolgungsbehörde Polizei vorrangig zwei entscheidende Gesetze: Das ist zum einen das Strafgesetzbuch mit den Regelungen der Strafprozessordnung und das Gefahrenabwehrrecht als Teil des Verwaltungsrechtes.
Diese beiden Regelungen – neben beamtenrechtlichen Bestimmungen usw. – sind für den jeweiligen Polizeiführer entscheidend, und darauf muss er seine Entscheidungen ausrichten.
Hier sind dann sogenannte „Einsatzleitlinien“ eingezogen worden, die in der Regel aus der „politischen Feder stammen". Das wäre im Prinzip akzeptabel, jedoch wurde es gerne dazu missbraucht, politische Vorstellungen mit Hilfe der Polizei auch durchzudrücken.
Daher wurden auch in Berlin 2020 anlässlich der „friedlichen Corona-Demonstrationen“ recht harte Maßnahmen gegen die Demonstranten umgesetzt, deren Ursprung offenbar seitens der Berliner Stadt-Politik favorisiert worden sind.
Dabei sind der Innenminister und der Polizeipräsident eigentlich nur dafür verantwortlich, dass die Organisation läuft, dass die Logistik stimmt, dass das Personal und die Aufsicht darüber geregelt sind und die Zusammenarbeit auf höherer Ebene einwandfrei funktioniert.
Fakt ist aber leider, dass sich die Politik immer weiter in die taktischen, fachlichen Angelegenheiten der Polizei eingemischt hat.
Ich habe noch viele Kontakte zur Polizei und höre aktuell häufig nur Unzufriedenheit und Ärger über die Führung bis in das Ministerium hinein. Und das nicht nur in Niedersachsen. Speziell die Polizei in Berlin scheint sich da zu einem „Tollhaus“ entwickelt zu haben, da immer wieder politisch motiviert auf alles und jeden dort zugegriffen wird.
Wer jetzt bei der Polizei Karriere machen möchte, muss mit den Wölfen heulen. Je höher also die angestrebte Position, desto mehr greift auch parteipolitischer Einfluss auf die Personalien der jeweiligen künftigen Führungskräfte.
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Ich war selbst dabei, wenn der avisierte Polizeichef auf seine politische Haltung abgeklopft wurde und habe dies kritisiert - leider meist vergeblich. Ich halte dies für einen Riesenfehler. Die Polizei muss glaubwürdig und unabhängig sein.
Ebenso die Staatsanwaltschaften, die ja politisch auch nicht mehr so unabhängig sind, wie man es glauben möchte.
Wenn der Politik also etwas nicht gefällt, muss sie dafür sorgen, dass die Gesetze im Parlament geändert werden, und nicht versuchen, auf gesetzlich eigentlich vorgeschriebene Abläufe parteipolitisch zuzugreifen, um sie zu verhindern, auszuhebeln oder zu fördern.
Da halte ich für eine Bypass-Haltung zum geltenden Recht!
So ist unter dem Strich auch das ganze Desaster der „unregistrierten Migrantenflut“ 2015 über uns hereingebrochen, obwohl weder das Grundgesetz, noch die asyl- und ausländerrechtlichen Vorschriften eine solche Vorgehensweise zugelassen haben.
Auch der Staatsanwalt unterliegt nämlich letztlich der Weisung aus dem Justizministerium und das kann es nicht sein. Staatsanwaltschaft und Polizei unterliegen grundsätzlich nur den geltenden Gesetzen und sonst niemandem.
Natürlich muss es eine enge fachlich-rechtliche Kontrolle über Staatsanwaltschaft und Polizei geben. Nur diese obliegt allein den unabhängigen Gerichten.
Hiernach darf in letzter Konsequenz nur das Gericht darüber entscheiden, ob Maßnahmen gerechtfertigt sind oder nicht. Beim Gefahrenabwehrrecht sind das die Verwaltungsgerichte mit allen Instanzen, welche die polizeilichen Maßnahmen überprüfen. Und bei strafrechtlichen Angelegenheiten ist es das Strafgericht, also das Amtsgericht in der ersten Instanz bis in die letzten Instanzen, die die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen überprüfen.
Hierin liegt auch der Verfassungsgrundsatz aus Artikel 19, Absatz IV, der Rechtsweggarantie und ganz bewusst nicht eine Beschwerde bei irgendeiner gerade politisch regierenden Partei. Das ist die gesetzlich vorgeschriebene Kontrolle und nicht die Politik. Denn da geht es leider häufig nur nach Ideologie und nach tagespolitischen Entscheidungen.
Die Politik hat sich sukzessive nicht nur zu stark in die Exekutive eingemischt, sie murkst auch in der Judikative herum. Besonders offensichtlich ist das auch im Kultusbereich der Länder und den seltsam politisch gefärbten Vorgaben für die jeweiligen Schulbücher.
Auch der immer offensichtlicher werdende politisch angeschobene Einsatz einiger Verfassungsschutzämter muss da Sorge machen. Hier sieht das Grundgesetz andere, von Ideologien freie Maßnahmen vor.
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Kommentar von .TS.
Danke für diesen Beitrag, wenn auch nicht viel Neues so ist es doch gut daß so strukturiert am Stück aufgezeigt zu bekommen. Von Seiten der EU die sonst Polen und Ungarn auf dem Kieker hat hört man, obwohl wie z.B. die weisungsgebundenen Staatsanwälte längst offen bekannt, jedoch praktisch nichts dazu.
Zur Forderung "Die Polizei muss glaubwürdig und unabhängig sein" sage ich allerdings nur "Wes Brot ich ess des Lied ich sing" - finde den Konstruktionsfehler im System!
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Kommentar von Matthias P.
Danke für diesen Eindruck aus der Praxis. Zusätzlich interessant wären einige konkrete Beispiele (soweit sie genannt werden können ohne evtl. Persönlichkeitsrechte zu verletzen oder Karrieren zu gefährden). Es ist immer schlecht, wenn der politische Führer Dinge bestimmen will, von denen er nichts versteht, wenn also letztlich ein Laie alles besser wissen will und nicht erkennt oder nicht wahrhaben will, dass ihm die nötigen Fähigkeiten, Kenntnisse usw. fehlen.
Ob die Staatsanwaltschsften (politisch) weisungsfrei sein sollten (wie wohl in Italien) oder weisungsgebunden (wie wohl seit jeher in D) ist ja in neuester Zeit umstritten. Es spricht tatsächlich viel für die Weisungsfreiheit (obwohl sie in gewisser Weise undeutsch ist), weil es immer wieder auch zu Verfahrenseinstellungen gegen Politiker kommt (zB das Ermittlungsverfahren in Berlin gegen Margarete Koppers, wobei der Hauptfehler in diesem Fall darin lag, dass man eine Verdächtige aus politischen Gründen zur Generalstaatsanwältin ernannt hat). Auch Ermittlungsschwerpunkte werden ja wohl politisch bestimmt.
Sollte die Weisungsabhängigkeit wegfallen, wäre aber natürlcih die Personlichkeit und Einsatzbereitschaft des Generalataatsanwalts umso bedeutsamer. Das Problem der Ämterpatronage (also das Besetzen von Stellen nach Parteibuch) wäre damit allerdings noch nicht gelöst.