Unser Autor isst seine Erbsensuppe auf dem Pfauenthron

Bin ich noch Person of Color oder schon ein weißes Arschloch?

von Parviz Amoghli (Kommentare: 3)

Bin ich weiß oder bunt? Finsterer Menschenfeind oder Erlösergestalt?© Quelle: Pixabay / DEZALB / Coulor / MurlocCra4ler, Montage Alexander Wallasch

Der deutsche Autor und Publizist Parviz Amoghli hätte gerne Gewissheit, wo er steht. Geht er noch als Person of Color durch oder hat er sich diesen Mehrwert zwischenzeitlich versaut?

Krieg und Krise legen gerade eine kleine Verschnaufpause ein. Grund genug, sich nach längerer Abwesenheit mal wieder mit einem jener finsteren Ideologeme der Bunten Republik zu beschäftigen, die das gesellschaftliche Klima in Deutschland bis hin zum geistigen Bürgerkrieg vergiften.

Derer gibt es freilich viele: Gendern, Einführung eines autoritären Klimaregimes, Identitätspolitik usw. usf. Ich aber werde mich im Folgenden auf die neue, bunte Rassenkunde konzentrieren. Nicht ganz zufällig, wie wir noch sehen werden, sondern vielmehr aufgrund persönlicher Betroffenheit.

Betrachten wir aber zunächst jenes Gedankengebäude, von dem wir, die heute über 50-Jährigen, eigentlich dachten, es wäre glücklicherweise am 8. Mai 1945 bis auf die Grundmauern abgebrochen worden. Doch welch ein Irrtum. Seit einigen Jahren ist der Wiederaufbau im Gange. Nur diesmal ist die Fassade bunt und die Hausordnung ist mit umgekehrten Vorzeichen versehen.

Was den Bewohnern die Möglichkeit gibt, ihre niedrigsten menschlichen Triebe mit dem Prädikat „humanistisch“ zu schmücken. In Anlehnung an den Ausspruch des ehemaligen tschechischen KP-Chefs Alexander Dubček ließe sich daher bei der zeitgenössischen, bunten Rassenlehre von einem „Rassismus mit menschlichem Antlitz“ sprechen.

Worum es sich dabei genau handelt, kann in der Critical Race Theory nachgelesen werden. Obwohl es Zeitverschwendung wäre, denn eine befriedigende Antwort erhält man nicht. Wie auch? Es gibt keine schlüssige Theorie, die Menschen allein anhand von Hautfarbe, Herkunft und/oder Religion kategorisiert und bewertet. Das gilt auch für die sich derzeit ausbreitende Kritische Rassentheorie.

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Ungeachtet dessen leugnen die kritischen Rassentheoretiker von heute genauso wie ihre Vordenker aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert die unendliche Komplexität zwischenmenschlicher Interaktion. Stattdessen simplifizieren sie auf Teufel komm raus. Dabei gehen sie allerdings noch weiter als ihre Vorgänger.

Letztere machten wenigstens noch den Versuch, das Menschengeschlecht in einen ganzen Strauß verschiedener, relativ scharf voneinander abgegrenzter Typen, Arten und Qualitäten zu unterteilen, um daraus wiederum deren artspezifische Wertigkeit abzuleiten.

Davon kann heute keine Rede sein. Aktuell gibt es nur weiß und bunt beziehungsweise People of Color (PoC). Die Rollen sind klar verteilt: Die Weißen sind die Bösen und als solche für die Übel der Welt verantwortlich. Klimawandel, Krieg, Kolonialismus, Rassismus – die Palette der Menschheitsverbrechen des weißen Menschen ist schier endlos.

Ihnen gegenüber steht der unverdorbene, jahrhundertelang von den Weißen geknechtete PoC, der nach Gerechtigkeit für dieses Menschheitsverbrechen verlangt. Und selbst dabei tut er seinen Unterdrückern noch Gutes. Einerseits, indem er die Weißen zur Konfrontation mit jener offensichtlich untilgbaren Schuld zwingt, die ihrer Hautfarbe entspringt. Andererseits ist er bereit, der vergreisenden weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft und Kultur neues, frisches und vor allem buntes Blut zuzuführen. Was letztlich auf nichts anderes hinausläuft als auf die Erlösung der Weißen/Deutschen von sich selbst.

Wer will es mir angesichts dessen verdenken, wenn ich gerne geklärt hätte, wie es sich denn nun bei mir verhält. Bin ich weiß oder bunt? Finsterer Menschenfeind oder Erlösergestalt?

Anders als mein Name vermuten lässt, ist die Sache nämlich einigermaßen kompliziert. Weshalb ich insgeheim hoffe, dass mir eventuell der eine oder andere mitlesende kritische Rassentheoretiker bei der Beantwortung dieser Fragen behilflich sein kann. Aber fangen wir an.

Geboren wurde ich 1971 in Teheran, zweieinhalb Jahre später zog die Familie von der iranischen Kapitale in die Bundesrepublik, genauer gesagt, in eine Kleinstadt im Rheinland. Dort eröffnete die Mutter einen kleinen Laden für orientalische Geschenkartikel und Teppiche, während der Vater in Bonn arbeitete. Wir gehörten also nach Lesart der sich etablierenden Regenbogengeschichtsschreibung zu jener Einwanderergeneration, die in den 1960er und frühen 70er Jahren das verwüstete Deutschland wieder aufgebaut und gleichzeitig das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre besorgt hat.

Nun mag der geübte kritische Rassentheoretiker sagen: Was will diese männlich gelesene Person mit Penis eigentlich? Es ist doch alles klar und eindeutig. Doch ganz so einfach ist es nicht – leider. Was auf den ersten Blick alles andere als kompliziert aussieht, birgt gleich mehrere Probleme.

Um das erste davon zu verstehen, muss ich mich zunächst ein wenig korrigieren.

Wenn ich oben geschrieben habe, dass das Geschäft der kritischen Rassentheoretiker die radikale Simplifizierung ist, so ist das nicht ganz richtig. Denn gleichzeitig sorgen sie an anderer Stelle für Komplexität. Beispielsweise dadurch, dass anscheinend nicht nur die weiße Hautfarbe den geborenen Rassisten ausweist, sondern das „Weißsein“ an sich. Das heißt, in der Regenbogenwelt ist es möglich, dass jemand, der qua Herkunft, Religion und/oder Hautfarbe glatt als unterdrückter PoC durchgehen würde, diesen Status wegen seines „Weißseins“ wieder verliert.

Um was es sich bei diesem Zustand genau handelt, darüber schweigen sich kritischen Rassentheoretiker wohlweislich aus. Aber es scheint, als würde es ausreichen, islamkritisch, gegen eine weitere unkontrollierte Zuwanderung, gegen die ausufernde Identitätspolitik oder gegen die Abschaffung Deutschlands zu sein, um in Ungnade zu fallen.

Dies vor Augen kommen wir auf das erste meiner Probleme zurück. Man könnte sagen, es ist ideologischer Natur. Ich stamme aus einem Elternhaus, dessen Vater ein glühender iranischer Nationalist und Monarchist gewesen ist. Was ihn allerdings nicht daran hinderte, eine ehrliche und tiefe Bewunderung für die laizistische Zivilisation des Westens, und hier vor allem Deutschlands zu hegen. Seine politischen Vorbilder fand er in Atatürk, Nasser und auf eine sonderbare Art und Weise in Marx. Dem regierenden Schah – wohlgemerkt nicht der Institution! – hingegen stand er äußerst kritisch gegenüber.

Das ging so weit, dass er sich in der geheimen, nicht islamischen und auch nicht kommunistischen, sondern reaktionären Opposition gegen Mohammad Reza Pahlavi engagierte. Dennoch diente er diesem loyal und pflichtbewusst. Zuerst als Politiker und ab 1974 als Sozial-Attaché an der Botschaft in Bonn. Ab Februar 1979, ab dem Tag als Khomeini die Macht an sich riss, wird aus der Wahlheimat der Familie, nämlich der rheinischen Kleinstadt, deren Exil, so dass uns damit auch noch ein Fluchtnarrativ eint.

Aber reicht das aus für einen PoC-Status meiner Familie? Ist es von derartigem Gewicht, dass es die politische Laufbahn meines Vaters, der sich zu allem Überfluss noch nach der Revolution als bundesdeutscher Reaktionär neu erfand, aufzuwiegen vermag? Der Schah und sein Regime gelten in den moralisch besseren Kreisen der kritischen Rassentheorie schließlich als Knechte des kolonialistischen, weißen Westens, während Khomeini als Befreier gefeiert wird.

Woraus sich die Frage ergibt, ob solchen Menschen wie uns der PoC-Status zusteht oder ob wir als Weiße gelten? Zumal mein Vater genauso wenig Veranlassung dafür gesehen hat, sich für sein Wirken unter dem Schah zu entschuldigen oder um Vergebung zu bitten, wie ich Gründe sehe, mich von ihm oder meiner Familie, deren Mitglieder dem Kaiserhaus in den verschiedensten Positionen stets treu zu Diensten gewesen sind, zu distanzieren oder loszusagen. Aber ich befürchte, genau dieser Verrat am eigenen Blut wäre die Conditio sine qua non für einen PoC-Status.

Das bringt uns zum zweiten Problem, und das ist rassischer Provenienz. Wie bereits angedeutet, sollte man sich von meinem durch und durch iranisch-aserischen Namen nicht in die Irre führen lassen. Gewiss, der Vater war Perser, und zwar einer, wie er im Buche steht, mit allem Drum und Dran, fleischgewordene 2500 Jahre Kultur. Meine Mutter aber war eine Deutsche, ebenfalls wie aus dem Bilderbuch. Einer Familie entstammend, die seit Generationen an der Ostseeküste verwurzelt war, würde sie auf den Schautafeln der kritischen Rassentheoretiker, so sie denn welche haben, mit ihrem Äußeren – hochgewachsen, schlank, blond und grünäugig – einen Ehrenplatz einnehmen. Als Paradebeispiel für das Erscheinungsbild eines Weibchens der weißen, mitteleuropäischen „Kartoffel“-Rasse.

Während also meine Eltern jeweils eindeutig zu identifizierende Prachtexemplare ihres jeweiligen Menschentyps gewesen sind, ist mein Äußeres alles andere als eindeutig zu kategorisieren. Da wäre zum Beispiel die Nase, die es, groß und mit einem ansehnlichen Haken versehen, durchaus mit dem Riechorgan von Klinger, dem libanesischen Kompanieschreiber aus der TV-Serie M*A*S*H, aufnehmen kann. Und im Sommer kann es schon mal vorkommen, dass ich nach ausgiebigen Sonnenbädern die Farbe eines rentenrettenden, frisch aus dem Schlauchboot gestiegenen Atomphysikers annehme. Aber ansonsten? Kartoffel.

Das Problem ist offensichtlich. In meinen Adern fließt deutsches, weißes wie iranisches, buntes Blut. Was zu der Frage führt: Welcher Blutanteil ist für die kritischen Rassentheoretiker der stärkere? Setzt sich in jedem Fall das weiße, deutsche als das stärkere Blut durch – was für meinen PoC-Status eine Katastrophe bedeuten würde – oder aber triumphiert der bunte, die Menschheit bereichernde Lebenssaft des Vaters?

Natürlich gäbe es noch die Möglichkeit, mich als eine Art Mischling zu kategorisieren. Allerdings ist das keine Antwort auf die Frage, welches Blut sich als das stärkere erweist. Dennoch hätte ich kein Problem damit, als ein privilegierter Mischling anerkannt zu werden, dann bräuchte ich nur noch das richtige Geschlecht und ich wäre fast so gut wie ein reinrassiger PoC.

Allerdings steht dem womöglich das dritte meiner Probleme entgegen. Nennen wir es: kulturell. Und da sieht es nicht gut aus, ganz und gar nicht. Es fängt damit an, dass ich kein Farsi spreche. Das ist eine direkte Folge der Revolution. Als die alte Heimat verloren ging, ging mit ihr die Sprache dahin. Von da an war bei uns im Hause Deutsch die Lingua franca. Doch das ist nicht alles, zudem assimilierte sich die Familie nach Kräften im Rheinland. Die Mutter als Norddeutsche, der Vater als Perser.

Dementsprechend deutsch und weiß bin ich sozialisiert worden, und das in einer Gegend, wie sie bundesdeutscher und weißer kaum sein konnte. Das Ergebnis ist ein heteronormativer Cis-Mann, jenseits der Fünfzig, der keine sexuelle Vorliebe oder Trans-Imaginationen vorzuweisen hat, die ihn in den Augen der kritischen Rassentheoretiker zu einem satisfaktionsfähigen Mitmenschen macht.

Gleichwohl heißt das natürlich nicht, dass das Bunte in mir verkümmert ist. Nein, nein, bunte Einsprengsel gibt es immer wieder. Zum Beispiel kulinarisch. Gewiss, eine Haxe hat ihren Reiz, erst recht kross gebacken, doch fiele meine Wahl immer auf ein persisches Reisgericht. Oder in Sachen Bequemlichkeit, da sorgt eine stattliche Anzahl von Kissen und Decken in allen Größen und Formen allabendlich für das Gefühl, auf einem großköniglichen Haremslager zu nächtigen. Oder was meinen Sinn für Ästhetik angeht, bei dem seit einigen Jahren der Hang zur Orientalistik immer mehr an Boden gewinnt.

Aber erneut stellt sich die Frage: Reicht das für den PoC-Status? Ganz ehrlich? Ich glaube nicht.

Allerdings: Noch ist Polen nicht verloren. Eine Möglichkeit gäbe es noch. Voraussetzung wäre allerdings die Entdeckung eines neuen Menschentyps, den man als „transnational“ bezeichnen könnte. Nicht auszuschließen, dass sich diese vermutlich höherstehende Menschenart bereits entwickelt hat. Wenn nicht, könnte die Bundesregierung vielleicht mit einem Gesetz nachhelfen. Auf jeden Fall würde es sich dabei um Menschen handeln, die sich nicht wohlfühlen mit ihrer naturgegebenen Hautfarbe und Nationalität und beschließen, diese zu ändern. Zum Beispiel von einem deutschen Mann in eine somalische Frau. Warum sollte das nicht möglich sein, in einer Zeit, in der man sein Geschlecht nach Belieben wechseln kann? Da sollte das mit der Hautfarbe doch ein Klacks sein.

So bleibt die Hoffnung, in Bälde nicht länger als Teil der „eklig weißen Mehrheitsgesellschaft“ und damit als Totengräber der Menschheit zu gelten, sondern als ein Geschenk an dieselbe. Wünschen Sie mir Glück, liebe Leser.

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