In diesem Fall war es Schlagersänger Bernhard Brink, der bei den Dreharbeiten zur "Schlagernacht des Jahres" zwischen zwei Songs eine etwas andere Zwischenmoderation hören ließ:
„Dieses Scheiß-Corona, und wenn ich den Lauterbach immer sehe, der regt mich so auf. Was ist denn da los? Affenpocken, Corona… Das geht mir so auf den Sack. Putin, dieses kleine Arschloch in Russland, den soll beim Kacken der Schlag treffen (…).“
Solch deutlich-derbe Worte sind selten zu hören, weder im Gute-Laune-Schlager-Musik-Betrieb, noch von anderen von Coronamaßnahmen gebeutelten Künstlern, von denen viele statt einem Auftrittsmarathon in den letzten zweieinhalb Jahren eher einen Antragsmarathon für Hilfsprogramme oder oft sogar Hilfe durch Hartz 4 hinlegten bzw. in Anspruch nehmen mussten.
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Auch wenn jetzt in diesem scheinbar coronafreien Sommer ein Festival und Konzert das nächste zu jagen scheint, durchgehend maskenfrei und auch bar jeglicher sonstiger „Hygiene-Maßnahmen“, täuscht das nicht darüber hinweg, dass die Branche einiges einstecken musste, und viele Künstler wie offenbar auch Bernhard Brink davon ziemlich angefasst und dünnhäutig geworden sind.
Der 70-Jährige ließ nun also seinen Frust, eigentlich verständlich angesichts der letzten Jahre, vor seinem Publikum mit knappen, aber deutlichen Worten heraus. Das Video ging viral, bescherte dem Schlagersänger also einen kleinen „Twitter-Hit“.
Während der Künstler in vielen Kommentaren gefeiert wurde – hier nur zwei Youtube-Beispiele von User Irons DAHoam: „Das war bis jetzt sein größter Hit!“ oder User fiese friesin: „Und diese Woche von null auf Platz Nummer eins!“ – titelte T-Online „Unschöner Überraschungsmoment bei TV-Aufzeichnung: Bernhard Brink rastet auf der Bühne der ‚Schlagernacht‘ plötzlich aus.“
Es scheint das linientreue T-Online-Portal, das regelmäßig durch Diffamierungsartikel über Maßnahmenkritiker glänzt, also wirklich zu überraschen, dass sich ein Künstler überhaupt noch traut, die Bühne zu nutzen, Haltung zu zeigen oder mindestens seine Meinung kundzutun zu Maßnahmen-Marathon und Künstlersituation in Corona-Zeiten.
Immerhin zitiert T-Online noch kurz, was der 70-Jährige zu seiner Rechtfertigung zu sagen hat: „Ich bin überhaupt nicht ausgerastet. Ich hab einfach mal meine Meinung in die Welt gepustet. Scheinbar haben wir in Deutschland nicht mehr das Recht auf freie Meinungsäußerung, man muss angepasst sein. (…) Das ist doch zum Kotzen. Das wollte ich mal zum Ausdruck bringen."
Was hingegen weniger überrascht, ist, dass diese Szene den Zuschauern des öffentlich-rechtlichen RBB nicht gezeigt wurde, sie war bei der Ausstrahlung am Freitag herausgeschnitten. Der Quotenbringer-Top-Hit fand einfach nicht statt.
Gegenüber schlager.de heißt es hier glattbügelnd, „weil die Sendung nur auf 90 Minuten begrenzt ist, werden nur Zusammenschnitte ausgestrahlt“. Und weiter: „Wer in den letzten Jahren die Aufzeichnungen schaute, weiß: Jegliche Dialoge der Künstler während ihrer Auftritte werden ohnehin rausgeschnitten.“
Auch wenn dieses „Wegschneiden“ hier gerade vielleicht gut ins Sendekonzept oder gar in ein Corona-Narrativ passt, scheint sich eine generelle Cancel Culture in den Medien breit gemacht zu haben.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Künstlern, die ihre Bühnenpräsenz und ihre Bekanntheit nutzen, um auf die Situation ihrer Branche in C-Zeiten aufmerksam zu machen und darüber hinaus Kritik an Maßnahmen und damit Politik zu üben. Aber diese Hinweise in eigener Sache werden ignoriert oder schlimmstenfalls mit medialer Schlachtung beantwortet, wenn die Künstler nicht zurückrudern, wie Brink es dann auch tat:
"Natürlich gehört es zu den Aufgaben eines Gesundheitsministers, auf Gefahren hinzuweisen. Insofern ist meine Aussage eine spontane, der Emotion geschuldete Zuspitzung, die ich so nicht wiederholen würde.“
Der Abtrünnige ist wieder eingesammelt, jetzt ist also offiziell wieder heile Welt in der Schlagerbranche.
Ähnliche Erfahrungen haben auch andere, bekannte Künstler vor ihm gemacht, es sei nur kurz erinnert an Helge Schneider, der im Sommer 2021, als sein Publikum, durch C-Maßnahmen vordiktiert weitverstreut in Standkörben saß, das Konzert mit den Worten abbrach: „Es macht wirklich keinen Spaß. Man kriegt keinerlei Kontakt zum Publikum.“
Das Publikum sei dafür nicht verantwortlich, sondern das System“, das sei „einfach fadenscheinig und dumm“. Ganz schnell twitterte Schneider hinterher, dass er vom Service-Personal abgelenkt wurde und legte Wert darauf, nicht mit Querdenkern und ihrer Kritik an den Maßnahmen in Verbindung gebracht zu werden.
Die Angst davor scheinen andere Künstler nicht mehr zu haben. Vielleicht, weil sie den medialen Scheiterhaufen schon überlebt haben?
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Wohl prominentestes deutsches Beispiel ist hier Sängerin Nena. Die hatte schon im Sommer 2021 bei einem Konzert in Berlin, wo es noch Hygienekonzepte gab, als beispielsweise Colakästen als Abstandshalter zur Vermeidung von Ansteckungen eingesetzt wurden, Stellung bezogen und ins Publikum gerufen:
„Hier wird gedroht, dass sie die Show abbrechen (…), weil ihr nicht in eure – wie sie es nennen – Boxen geht. Ich überlasse es in eurer Verantwortung, ob ihr das tut oder nicht. Das darf jeder frei entscheiden, genauso, wie jeder frei entscheiden darf, ob er sich impfen lässt oder nicht. Bei mir ist jeder willkommen! Ich habe die Schnauze voll davon. Die Frage ist nicht, was wir dürfen, sondern die Frage ist, was wir mit uns machen lassen!“
Sie ist ihrem Motto treu geblieben, bestätigte kurz danach auf einem Konzert auf Rügen: „… ihr wisst, dass das, was ich gesagt hab, das ist, woran ich glaube. Und dass ich keinen, keinen Millimeter zurückrudern werde.“ Und nahm Konsequenzen in Kauf, wie nachfolgende Konzertabsagen in Wetzlar und Bad Segeberg, sagte obendrauf dann ihre geplante Konzerttour für 2022 ab.
Vielleicht sind es ja Beispiele wie dieses, mit all den Konsequenzen, die Aufrichtigkeit nach sich ziehen kann: Ärger mit Veranstaltern und Shitstorms auf Twitter und Co, ausbleibende Nachfolgeaufträge mit all den wirtschaftlichen Konsequenzen und Kollegenhäme, abgesagte Tourneen und mediale Diffamierungen – die Künstlerkollegen davon abhalten, auch Stellung zu beziehen oder, nachdem sie die Bühne dafür genutzt haben, ihre Meinung kundzutun, weiterhin dazu zu stehen.
Bernhard Brink, der vielleicht noch ein paar letzte Schlager-Jahre vor Publikum haben will, nach dem der 70-Jährige zwei Jahre auf die Bretter, die die Welt bedeuten, verzichten musste, wollte vor allem wissen „Was ist denn da los?“
Das ist schon die richtige Frage, die in zu Zeiten von Cancel Culture, wo solche öffentlichen Stimmen leider viel zu oft zum Schweigen gebracht werden – darf man hier von medialer Erpressung reden? –, offenbar nicht mal mehr ausgesprochen werden darf.
Denn diese Frage sollten sich nicht nur die Künstler in ihrer persönlichen Betroffenheit stellen, sondern auch breite Teile der Bevölkerung, auch ohne dass ein Künstler es ihnen von der Bühne aus souffliert – spätestens aber im Herbst, wenn Lauterbach seine nächste Welle inklusive Maßnahmen-Marathon eingeläutet hat.
Denn dann ist die Party wahrscheinlich wieder vorbei, es gibt wieder Veranstaltungsverbote oder zumindest Auflagen, die Konzerte unmöglich oder ungenießbar machen. Dann erst auf Antworten zu bestehen auf die Frage „Was ist denn da los“? könnte für viele Künstler zu spät sein.
Sehen Sie hier das Video mit Bernhard Brinks Meinungsäußerung auf YouTube:
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Kommentar von Arno Nühm
Zu Lauterbach hat er genau recht - das müsste öfter gesagt werden!
Nur schade, dass er sich danach selbst wieder diskreditiert, indem er NATO-Propaganda betreibt.