Sonntagmorgen um Acht hat man in Berlin noch seine Ruhe

Berliner Couch

von Julian Adrat (Kommentare: 4)

In Tschechien wäre es ein Porno-Dreh, in Berlin ist es nur Wohnungsnot.© Quelle: Julian Adrat

Heute morgen um acht lag auf dem weißen Stein, der an der höchsten Stelle kniehoch steht, rücklings eine Frau.

Manchmal nehme ich sonntagmorgens zum Brötchenholen ein Kind mit. Heute nicht. Der Platz vor dem Suhrkamp-Neubau in Berlin Mitte ist gepflegt, ein in weißen Stein gefasstes Beet, wo im Frühjahr Krokusse blühen. Der Plan war ursprünglich, drei Bäume stehen zu lassen, damit würde man die Voraussetzungen für die Adresse schaffen: Siegfried-Unseld-Platz.

Daraus ist nichts geworden. Heute morgen um acht lag auf dem weißen Stein, der an der höchsten Stelle kniehoch steht, rücklings eine Frau, und ihr Stöhnen schallte weit durch den sonnigen Morgen. Ein Lime-Roller fuhr an ihr vorüber, Fahrradfahrer. Über ihr ein Mann mit heruntergelassener Hose. Der Kellner vom Café gegenüber trat raus, er sah mich filmen. Apple sei Dank, mein Handy hat einen guten Zoom, ich hatte den Hund an der Leine und mit drei Tüten Backwerk war ich vollgepackt. Ich hatte den Schlüssel schon draußen und ging nicht näher ran.

Der junge Kellner schüttelte den Kopf. In Tschechien wäre es ein Porno-Dreh, in Berlin ist es nur Wohnungsnot.

In den 1920er Jahren war „Schlafen in Schichten“ in Berlin weit verbreitet. Käthe Kollwitz hat dieses Elend figürlich gemacht, ich stelle mir das Paar einen Moment in Bronze vor. Am alten taz-Haus hing ein überdimensionaler Penis, der Kai Dieckmann gewidmet war. Sonntagmorgen um acht hat man in Berlin noch seine Ruhe.

(Quelle: privat)

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