In vielen Orten findet man noch heute Spuren des deutschen Erbes

Auswandern – Lateinamerika

von Corinne Henker (Kommentare: 8)

In den meisten Ländern ist es schwierig, eine Arbeit als Angestellter zu finden.© Quelle: privat

Offiziell gehören 27 Staaten zu Lateinamerika: Brasilien mit der Amtssprache Portugiesisch, Französisch-Guayana und 6 karibische Inselstaaten mit der Amtssprache Französisch sowie 19 spanisch-sprachige Länder von Mexiko im Norden bis Chile im Süden.

Außerdem gibt es in der Region noch einige karibische Inseln sowie die Festlandstaaten Belize und Suriname mit den Amtssprachen Englisch bzw. Niederländisch.

Nicht nur aufgrund seiner kulturellen und geografischen Vielseitigkeit gehört Lateinamerika für mich zu den interessantesten Auswanderungszielen - und es war in den letzten 10 Jahren mein bevorzugtes Fernreiseziel. Die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung ist in vielen Staaten relativ einfach zu erlangen, wegen bürokratischer Hürden lohnt es sich jedoch meist, einen einheimischen Migrationsberater zu engagieren. Kultur und Lebensstandard sind (mit größeren regionalen Unterschieden) nicht so verschieden von Europa und die Lebenshaltungskosten sind meist geringer. Die Menschen sind größtenteils freundlich und hilfsbereit - wenn man sich nicht als arroganter Gringo präsentiert.

Aber natürlich gibt es auch Nachteile. In den meisten Ländern ist es schwierig, eine Arbeit als Angestellter zu finden, sodass das Auswandern oft nur für Rentner, Unternehmer und Digital Nomads attraktiv ist. Bürokratie, Korruption und Kriminalität sind in den meisten Staaten schlimmer, als wir es hierzulande gewohnt sind. Hier ist Anpassung gefragt. Im Einzelfall kann z.B. die Korruption durchaus bei der Überwindung bürokratischer Hürden hilfreich sein.

Die Kriminalität ist in vielen, aber nicht allen lateinamerikanischen Staaten ein großes Problem. So werden in Mexiko z.B. 28 Morde pro 100.000 Einwohner pro Jahr gezählt, in den USA sind es nur sieben. Allerdings ist die Kriminalität oft berechenbarer als hierzulande. Touristenregionen und bessere Wohnviertel sind in der Regel gut bewacht, in Regionen mit vielen (nordamerikanischen oder europäischen) Migranten lebt man ähnlich sicher wie in Deutschland.

Im Zentrum von Mexico City ist es sauberer und sicherer als im Zentrum von Berlin. In der ecuadorianischen Kriminalitätshochburg Guayaquil konnte man auch am späten Abend noch unbehelligt auf der Uferpromenade oder im Zentrum spazieren gehen - darauf würde ich in Frankfurt oder Köln nicht wetten. Sucht man sich einen Wohnsitz im ländlichen Raum unter Einheimischen, wird es schwieriger. Hier wird empfohlen, bei sicherheitsrelevanten Dienstleistungen, z.B. im Haushalt oder bei Taxifahrten, immer auf dieselben zuverlässigen Anbieter zu vertrauen. Aber diese muss man als Neuling erst einmal kennen.

Auch politisch sind die meisten lateinamerikanischen Länder deutlich instabiler als Europa. Ich denke zwar, dass die Zeit größerer Militärputsche wie in den 1970/80er Jahren vorbei ist. Aber es gibt immer wieder Streiks, Straßenblockaden und gewaltsame Unruhen, gegen die selbst die Gelbwesten- und Migrantenproteste in Frankreich eher harmlos wirken.

Ein aktuelleres Beispiel war der „Paro“ im Juni 2022 in Ecuador, angeführt von der indigenen Vereinigung CONAIE. Anlass waren erhebliche Preissteigerungen bei Treibstoff und Lebensmitteln. Über mehrere Wochen gab es größere Demonstrationen. Fernverkehrsstraßen und Verkehrsknotenpunkte im ganzen Land, aber auch Hafenanlagen in Guayaquil wurden blockiert. Engpässe bei Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten waren die Folge. Es gab mehrere Verletzte und Tote. Letztlich konnte die Lage durch Verhandlungen entspannt werden. Zwar wurden nicht alle Forderungen von CONAIE erfüllt, aber seitdem ist die Lage weitgehend ruhig.

Infrastruktur und Trinkwasserversorgung sind regional von sehr unterschiedlicher Qualität. Auch mit Stromausfällen und Erdbeben muss man (abhängig von der Region) in Lateinamerika immer wieder rechnen. Andererseits arbeitet auch unsere Regierung bekanntlich aktiv daran, die deutsche Infrastruktur, Energieversorgung, Wirtschaft, öffentliche Sicherheit und Bürokratie an lateinamerikanische Verhältnisse anzupassen. So wird der Kulturschock für Auswanderer immer geringer…

Ich hoffe, Sie verstehen, dass ich in diesem Format nicht alle Staaten in der Karibik, Mittel- und Südamerika gebührend würdigen kann. Und natürlich ist meine Auswahl subjektiv geprägt.

In der Karibik erschienen mir die größeren Inseln attraktiver als die kleinen. Insbesondere die Dominikanische Republik zog in der Vergangenheit zahlreiche deutschsprachige Auswanderer an. Sie lockt mit Traumstränden, angenehmem Klima und einer vielseitigen Landschaft. Die Bedingungen für die Einwanderung sind erfüllbar und es gibt sogar ein Portal für deutschsprachige Arbeitssuchende.

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Auch in Brasilien gibt es eine größere deutsche Gemeinschaft. Brasilien bietet eine Vielzahl von Visa an. Mit Glück kann man einen Job in einer Niederlassung einer deutschen Firma oder im Tourismus finden, auch Techniker, Ingenieure, Bauarbeiter und Naturwissenschaftler sind gefragt. Portugiesische Sprachkenntnisse sind zwingend erforderlich, wenn man in Brasilien arbeiten will. Es gibt eine gesetzliche Krankenversicherung, aber diese deckt nur das Nötigste ab.

Paraguay erfreute sich insbesondere während der Corona-Krise zunehmender Beliebtheit bei deutschen Auswanderern, allerdings war zeitweise auch hier die Einreise nur mit Impfnachweis möglich. Paraguay ist beliebt bei Selbstversorgern, Unternehmern und Selbständigen. Auch hier gibt es Möglichkeiten, einen Job in einem von Deutschen geführten Unternehmen zu finden. Für meinen Geschmack ist Paraguay als kleines Binnenland weniger attraktiv als die größeren, landschaftlich und kulturell vielseitigeren Staaten.

In Argentinien und Chile ließen sich bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts deutschsprachige Auswanderer nieder. In vielen Orten findet man noch heute Spuren des deutschen Erbes, insbesondere in der Seenregion zwischen Puerto Varas (Chile) und Bariloche (Argentinien) - hier erinnern selbst Landschaft und Klima an die (hübscheren Regionen der) Heimat. Die Lebenshaltungskosten sind in beiden Ländern höher als z.B. in Paraguay, etwas niedriger als in Mexiko oder Costa Rica. Die Corona-Schikanen waren lang und extrem: In Argentinien gehörte der Lockdown zu den härtesten und längsten weltweit, in Chile war man ohne Impfzertifikat lange vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Das Einwanderungsverfahren ist für beide Staaten ziemlich kompliziert und bürokratisch, interessant sind sie vor allem für wohlhabende Rentner und Selbständige, aber auch als qualifizierter Arbeitnehmer ist man nicht chancenlos.

Chile gilt als Steuerparadies und ist eines der sichersten und stabilsten Länder Lateinamerikas. Argentinien ist politisch und wirtschaftlich etwas weniger stabil, dafür landschaftlich interessanter und die Lebenshaltungskosten sind etwas geringer.

Auch das kleinere Nachbarland Uruguay ist insbesondere bei wohlhabenden deutschen Rentnern beliebt. Das Klima ist angenehm, das Land ist eine stabile Demokratie mit funktionierender Wirtschaft und Infrastruktur. Kultur und Lebensstil sind stark europäisch geprägt. Die Anforderungen für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung sind niedrig. Der Prozess bis zur endgültigen Genehmigung kann zwar dauern, aber man erhält die Aufenthaltskarte bereits bei Antragstellung.

Ecuador wird insbesondere bei US-amerikanischen Migranten immer beliebter. Das kleine Land bietet ein größtenteils angenehmes Klima und eine äußerst vielfältige Natur: pazifische Traumstrände, tropische Regenwälder, Nebelwälder, fruchtbare Hochplateaus, die schneebedeckten Gipfel der Anden und natürlich die unvergleichlichen Galápagos-Inseln. Hier kann man sich zwar selbst als ecuadorianischer Staatsbürger kaum dauerhaft niederlassen, doch ein Urlaub auf den Inseln ist ein absolut unvergessliches Erlebnis. Kolonialstädte wie Quito oder Cuenca bieten Abwechslung für Kulturinteressierte. Auch das Gesundheitssystem hat einen sehr guten Ruf. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhält man als (wohlhabender) Rentner oder Selbständiger recht einfach.

Neben den oben beschriebenen Unruhen während des Paro 2022 und der Drogenkriminalität um Guayaquil gibt es noch einen weiteren Wermutstropfen: Auch Ecuador erließ sehr harte Corona-Schikanen, es gab sogar eine Impfpflicht für Kinder ab 5 Jahren! Wie überall in Lateinamerika gibt es aber insbesondere in ländlichen Regionen immer Möglichkeiten, diese Schikanen zu umgehen.

In Mittelamerika erscheinen mir insbesondere Costa Rica und Panama attraktiv: beides politisch und wirtschaftlich stabile Staaten mit traumhaften Landschaften und einem hohen Lebensstandard.

In Costa Rica sind die Lebenshaltungskosten etwas niedriger. Die Einwanderung ist als (wohlhabender) Rentner relativ einfach. Alternativ kann man auch 200.000 US-Dollar investieren, z.B. in ein Tourismusprojekt oder eine private Immobilie. Für Digital Nomads gibt es ein spezielles Visum. In Costa Rica leben viele Migranten aus Nordamerika, sodass man zumindest in einigen Regionen auch mit Englisch gut zurecht kommt.

In Panama gibt eine hervorragende Infrastruktur mit stabiler Wasser- und Energieversorgung, schnellem Internet, einem ausgezeichneten Gesundheitssystem bis hin zu Golfplätzen und einem vielseitigen kulturellen Angebot. Die allgemeine Lebensqualität ist – jedenfalls für Auswanderer die es sich leisten können – also eher höher als in Deutschland. Dabei liegen die Lebenshaltungskosten nur unwesentlich über denen in Costa Rica. Die Einwanderung ist recht einfach, wenn man ausreichend finanzielle Ressourcen nachweisen kann.

Auch Belize ist nicht uninteressant, insbesondere wegen der Amtssprache Englisch. Die Lebenshaltungskosten sind hier jedoch vergleichsweise hoch. Wenn man über brauchbare Spanischkenntnisse verfügt, erscheinen mir Costa Rica oder Panama insgesamt attraktiver.

Jetzt fehlt noch Mexico. Da dieses vielseitige Land zu meinen ganz persönlichen Favoriten gehört, möchte ich ihm einen eigenen Artikel widmen.

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