Vor einer Woche war es dann soweit und wir machten uns auf den Weg. Die Fahrt aus NRW und zurück (jeweils etwa 1.100 km) war kein Vergnügen und der ungarische Wettergott meinte es auch nicht so gut mit uns, aber es war dennoch eine sehr interessante Reise.
In Ungarn leben knapp 10 Millionen Menschen, 1,7 Millionen allein in der Hauptstadt Budapest. 92 Prozent der Bevölkerung sind Magyaren, 39 Prozent Katholiken. Die Ungarn sind sehr stolz auf ihre Geschichte, ihre Kultur und ihre christlichen Traditionen, die Abschaffung der ungarischen Nation zugunsten eines EU-Superstaats wäre für sie undenkbar. Ungarn ist seit 1999 Mitglied der NATO, seit 2004 Mitglied der EU.
Der konservative Ministerpräsident Viktor Orbán sieht sich jedoch in erster Linie als Vertreter der Interessen ungarischer Bürger - was ihm in westlichen Medien die Titel „Rechtspopulist“, „Putin-Marionette“ oder gar „Faschist“ einbrachte.
Wenn man sich ein eigenes Bild von Orbán und seiner Politik machen möchte, kann man dies z.B. in diesem Interview mit Tucker Carlson.
Auch dieses (bereits etwas ältere) Interview mit Ungarns Außenminister Péter Szíjjártó ist sehr aufschlussreich. Beide sprechen übrigens ein hervorragendes Englisch und können sich selbst in dieser Fremdsprache deutlich besser artikulieren als unsere Außenministerin in ihrer Muttersprache.
Jeder, der sich bereits ein bisschen mit dem Thema Auswandern nach Ungarn beschäftigt hat, kennt sicher die Grundzüge ungarischer Politik: eine ausgewogene Sozialpolitik nach christlichen Werten, Ablehnung unkontrollierter Massenmigration, Förderung von Familien, Schutz der Kinder vor Gender-Propaganda, vernunftorientierte Wirtschafts- und Umweltpolitik.
Die Wachstumsraten der ungarischen Wirtschaft lagen in den letzten Jahren meist oberhalb der deutschen, für die nächsten Jahre rechnet man mit jährlichen Wachstumsraten von etwa 3,2 Prozent. Allerdings liegt auch die Inflation deutlich höher: 14,5 Prozent in 2022.
In Ungarn kommen 47,5 Prozent der Stromerzeugung aus Kernkraft, etwa 27 Prozent aus Erdgas. Zwei weitere Kernkraftwerke sind (in Kooperation mit Rosatom) im Bau. Eine Kilowattstunde Strom kostet in Ungarn etwa 10 Euro-Cent.
Auch die sonstigen Lebenshaltungskosten sind in Ungarn geringer als in Deutschland. Dazu kommt ein pauschaler Einkommenssteuersatz von 15 Prozent.
Dennoch ist Ungarn nicht für jeden attraktiv. Wenn man eine Tätigkeit als Angestellter sucht, muss man nicht nur die schwierige ungarische Sprache beherrschen, sondern auch mit einem deutlich niedrigerem Einkommen leben: ca. 1.570 Euro pro Monat (Deutschland: 4.105 Euro).
Attraktiv ist Ungarn also vor allem für (bestimmte) Freiberufler, Unternehmer und Rentner. Die deutsche staatliche Rente und Beamtenpensionen müssen zwar in Deutschland versteuert werden, betriebliche und private Altersvorsorge und sonstige Einkünfte aber zum günstigeren Steuersatz in Ungarn.
Unsere Gastgeber wohnen in einem kleinen Dorf westlich des Bálaton in einem hübschen Haus mit Blick auf einen kleinen See. Dank Ihrer Tätigkeit im Dienstleistungsgewerbe konnten sie ihren Wohnsitz problemlos nach Ungarn verlegen und dennoch weiter in Deutschland arbeiten. Während unseres Aufenthaltes lernten wir noch ein zweites deutsches Ehepaar kennen. Sie verkauften ihre Firma und ihr Haus vor zwei Jahren und leben seitdem ebenfalls in Ungarn: in einem ziemlich luxuriösem Haus mit riesigem Garten und Pool, ebenfalls in einer ländlichen Region westlich des Bálatons.
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Beide Familien schilderten uns begeistert die Vorzüge ihres Lebens in Ungarn. Wir kennen die Bálaton-Region bereits von mehreren Urlauben zu DDR-Zeiten. Seitdem hat sich einiges verändert, die ungarischen Dörfer mit ihren kleinen Häusern am Rand der Durchgangsstraße sehen jedoch immer noch aus wie damals. Allerdings sind die meisten Häuser inzwischen renoviert und die Straßen ausgebessert.
In Ungarn muss man im täglichen Leben auf nichts verzichten. Die Supermärkte führen eine riesige Auswahl an regionalen und internationalen Produkten. Die Bezahlung läuft oft an automatisierten Kassen, menschliche Hilfe steht jedoch bereit. Es gibt zahlreiche gute Restaurants, die Auswahl an internationaler Küche ist allerdings nicht so groß wie in deutschen Städten.
Die Internet-Verbindung ist auch auf dem Land mindestens so gut wie bei uns in NRW. Amazon liefert auch nach Ungarn, allerdings nach Aussage unserer Bekannten oft mit hohen Aufschlägen. Allerdings gibt es gute ungarische Online-Händler, bei denen man alles bekommt, was man braucht. Die Suche nach einem Handwerker kann sich ähnlich schwierig gestalten wie in Deutschland. Wenn man einen gefunden hat, ist die Qualität jedoch mindestens genauso gut wie in Deutschland bei deutlich niedrigeren Preisen.
Im Gegensatz zu meiner sonstigen Empfehlung (erst mieten, dann kaufen) erscheint es in Ungarn durchaus sinnvoll, eine Immobilie zu kaufen. Zunächst ist die Eigentumsquote bei Immobilien mit 82 Prozent sehr hoch: die höchste in Europa. Das Angebot an Mietimmobilien hält sich also in Grenzen, insbesondere in günstigen ländlichen Regionen ist es praktisch nicht existent. Außerdem kann man nach dem Immobilienerwerb eine Wohnsitzkarte beantragen, mit der man nach fünf Jahren Anspruch auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung hat. Das könnte interessant werden, wenn die EU eines Tages zerfällt.
Man erhält diese Wohnsitzkarte natürlich auch als Mieter. Als Eigentümer reicht jedoch der Immobilienbesitz, man muss nicht unbedingt ständig in Ungarn leben. Nach Auskunft unserer Gastgeber reicht schon ein altes, verfallenes Haus (unter 50.000 Euro erhältlich) aus, um eine Wohnsitzkarte zu erhalten. Interessant für diejenigen, die noch ein paar Jahre arbeiten müssen, aber ihre Rente in Ungarn genießen möchten. Die Wohnsitzkarte ermöglichte übrigens auch während der europaweiten Corona-Schikanen die problemlose Einreise nach Ungarn.
Immobilien gibt es in Ungarn in jeder Preisklasse. Hier eine Auswahl am West-Bálaton, der bei Deutschen und Österreichern beliebtesten Region.
Prinzipiell kann man ein Einfamilienhaus für 100.000 bis 200.000 Euro erwerben, allerdings sind diese dann oft klein, alt, abgelegen, teilweise ohne Anschluss an Kanalisation oder Gasnetz. Moderne Häuser oder Wohnungen in den Touristenzentren Héviz oder Keszthely sind erheblich teurer.
Die meisten Deutschen und Österreicher lassen sich in der westlichen Bálaton-Region nieder. Von Keszthely sind es nur 515 km bis nach Passau.
In Héviz gibt es auch einen Flughafen, der von Deutschland aus jedoch nicht gut zu erreichen ist. Alternativ kann man für erste Orientierungsbesuche nach Wien (245 km), Graz (180 km) oder Budapest (215 km) fliegen und von dort mit dem Mietwagen weiterfahren. Insbesondere der Flughafen Wien ist interessant, wenn man von seinem Wohnsitz in (West-)Ungarn aus den Rest der Welt erkunden will.
Von unseren neuen Bekannten erfuhren wir, dass die Preise für Interkontinentalflüge dort oft günstiger sind als ab Frankfurt.
Man hat es auch ohne Sprachkenntnisse als Deutscher leicht, in Ungarn Fuß zu fassen. Die Ungarn sind glücklicherweise in der Lage, zwischen irrwitziger deutscher Regierungspolitik und normalen deutschen Bürgern zu differenzieren. Sie sind aufgeschlossen gegenüber jedem, der sich für ihr Land und ihre Kultur interessiert, bereit ist, sich zu integrieren und seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann.
Nicht einmal ungarische Sprachkenntnisse sind notwendig. Man findet problemlos Makler, Anwälte, Ärzte usw., die hervorragend deutsch sprechen, mit Handwerkern und anderen Dienstleistern kann man sich nach Aussage unserer Gastgeber zumindest auf Englisch problemlos verständigen. Unsere Gastgeber verfügen nach fünf Jahren nur über rudimentäre Kenntnisse der ungarischen Sprache. Sie möchten zwar gern mehr lernen, aber erstens fehlt neben der Arbeit die Zeit und zweitens möchten die Ungarn lieber ihre eigenen Deutsch- und Englisch-Kenntnisse anwenden.
Ich fand unseren Besuch in Ungarn sehr interessant. Insbesondere der eine sonnige Tag, den wir nutzten, um das Nordufer des Bálatons zu erkunden, weckte viele nostalgische Erinnerungen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ein Leben in Ungarn für mich das Richtige wäre. Vielleicht ist es ein bisschen zu ruhig und zu gemütlich für meinen Geschmack. Aber ich kann jedem empfehlen, sich ein eigenes Bild zu machen. Nicht nur der Bálaton lohnt einen Besuch. Budapest gehört für mich zu den schönsten Städten Europas und auch der Rest des Landes hat einiges zu bieten.
Wer sich für ein Leben in Ungarn, interessiert, findet wöchentlich aktuelle Informationen auf dem YouTube-Kanal von Ungarn Immo TV. Aktuelle Nachrichten in deutscher Sprache findet man auch in den Budapester Nachrichten.
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Kommentar von Volker Seitz
Die hohen Aufschläge von Amazon sind vermutlich den hohen deutschen Postgebühren geschuldet. Es leuchtet mir nicht ein warum es sehr viel teurer ist ein Buch nach Ungarn zu schicken, als nach den anderen EU - Ländern Polen, Frankreich, Österreich. Oder ist das ein politischer Preis?
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Kommentar von Danier Naroon
Wien hat nur sehr wenig Flüge welche günstiger sind als jene von Frankfurt.
Weiters scheint mir 200.000€ für ein Einfamilienhaus absurd hoch für Ungarn.
Als Provinzösterreicherin sehe ich regelmäßig Häuser in Ö um200.00€ angeboten. Was in Deutschland abgeht....naja , ihr wisst es ja selbst....
Es ist ein Wiederspruch bei den Kommentaren welcher den Biodeutschen natürlich nicht mehr auffällt.
Entweder man steht zu seiner Kultur,Tradition und Lebensart ( dann brauchts halt auch nicht Honig aus Australien und Käse vom Lama usw.usf. ) oder man hat den ganzen Dreck der Konsumgesellschaft in eigenem Land und in der letzten Ecke desselben.
Die Ungarn essen fett und viel Fleisch. Ja ist so. Nicht meins ,aber ich würde mal davon ausgehen das Ungarn nicht soviel Spielgeld haben um sich jeder seine Spezialität zu leisten und vielleicht wollen das auch gar nicht ,eben weil sie das Eigene demFremden vorziehen.
Deutsche sind überall gerne gesehen, besonders wenn es darum geht wer den Spaß zahlen soll. Ansonsten ?
Ihr gebt euch ja selbst die Antwort : die Ungarn" üben" lieber ihr Deutsch als mit Deutschen ungarisch zu sprechen??
Echt jetzt?
Das ist ja die Vornehme Ausrede wie von Ali und Hassan.!
Ich schätze die Artikel von dieser Autorin ,aber hier scheint es sich um einen Gefälligkeitsartikel zu handeln.
Die ganzen ungarischen Pflegekräfte die in Ö arbeiten und in Ungarn leben scheinen alle ihr Paradies vor der Haustür nicht zu sehen.
Ansonsten halte ich viel von Orban bin aber nicht so naiv zu denken das seine lange Herrschaft nicht schon längst die Korruptionsstrukturen geschaffen hat welche überall entstehen.
Ungarn hat auch im kleinen viel Hinterhalt zu bieten.
Dorfchefs usw.wollen alle was vom Kuchen haben.
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Kommentar von Sigrid Leonhard
Ich trage mich zwar nicht mit dem Gedanken auszuwandern...
Den Gefallen tue ich der Ampel usw. nicht.
Zu "Vielleicht ist es ein bisschen zu ruhig und zu gemütlich für meinen Geschmack."
Für meinen Geschmack könnte es nicht ruhiger und vor allem gemütlicher endlich mal wieder werden.
Wenn das nicht sein kann, werde ich mich rüsten.
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Kommentar von Petra Kehr
Manches an diesem Beitrag empfinde ich als recht gute Beschreibung der Verhältnisse, auf anderes trifft m.A.n. eher die Bezeichnung Wunschdenken zu.
Häuser gibt es auch schon für wenige tausend €, wenn es nur um die Erlangung einer Wohnbesitzkarte geht.
Das sind dann veritable Bruchbuden, aber s.o.
Handwerker, die a) zuverlässig, b) fähig und c) auch noch mehrsprachig sind, gleichen einem Lottogewinn in Ungarn.
Im übrigen beschreibt ein etwas flapsiger Satz die Mentalität gerade in diesem Sektor sehr gut:
"Die Ungarn haben die Arbeit nicht erfunden".
Um den immer gern geforderten Kontext zu liefern:
Ich empfinde die bisher dort getroffenen Menschen als sehr angenehm, höflich und hilfsbereit. Sie haben aber schlicht eine ungarische, keine deutsche Auffassung von Tempo und Zuverlässigkeit.
In touristischen Umgebungen ist es tatsächlich leicht, ohne Ungarisch-Kenntnisse durchzukommen, in ländlicheren oder auch Amtssituationen sieht das dann häufig anders aus.
Budapest/Heviz/Khesteley und die Nordküste des Balaton sind unproblematisch, aber landeinwärts verändert sich die Situation.
Dass die Lebenshaltungskosten allgemein niedriger seien, beschränkt sich tatsächlich auf Wohnen im Eigentum, so man es denn hat.
Lebensmittel haben deutsches Niveau und abgesehen von Budapest ist es tatsächlich sehr anspruchsvoll bis unmöglich, "exotischere" Produkte zu bekommen. Wie zum Beispiel Käse.
Erst recht, wenn man hinsichtlich seines Speisezettels gern nicht so fettreich isst, wird es kompliziert. Die Neugier und Experimentierfreude der Ungarn ist nahe Null, wenn es um Essen geht.
Wie leicht man auch Schiffbruch erleiden kann, wenn mal etwas nicht gut läuft und man dann keinen absolut vertrauenswürdigen Einheimischen mit exzellenten Sprachkenntnissen zur Seite hat, merkt man gern bei Grundstücksgeschäften.
Die Freundlichkeit sollte nicht über die auch vorhandene Schlitzohrigkeit hinwegtäuschen und wenn da mal etwas in die Hose gegangen ist, sind die zuvor noch guten Sprachkenntnisse plötzlich verschwunden....
Trotzdem ein erwägenswertes Ziel, wem die Verhältnisse in D hoch unbehaglich sind, aber
Vorsicht ist auch hier die Mutter der sprichwörtlichen Porzellankiste.