Im Herzen Münchens und aus den Herzen der zahlreichen Teilnehmer: Der "Antikriegstag" auf dem Marienplatz in München mit vielen bekannten Gesichtern und Stimmen aus der Grundrechtebewegung hat am 1. September ein sichtbares und während des Zuges durch die Innenstadt auch hörbares Zeichen gegen die Kriegsmaschinerie in Politik, Medien und Wirtschaft zu setzen versucht.
Diether Dehm (früher MdB, Die Linke), Urgestein der politischen Landschaft der vergangenen Jahrzehnte, und die Politikwissenschaftlerin und Europakämpferin Ulrike Guérot standen auf der Bühne neben Publizisten, Liedermachern und Künstlern wie Jens Fischer-Rodrian, Morgaine und Kilez More. Auf dem Marienplatz versammelten sich die "Andersdenkenden" und "Andershandelnden", um einer vorgegaukelten Alternativlosigkeit und den weltweit erdrutschartigen Verschiebungen wirtschaftlicher und politischer Hemisphären zu trotzen.
Blitzlichter des Tages: Mehr als eine halbe Stunde sprachen Kundgebungsteilnehmer am Rande des Standes der "Freien Linken" mit einem hochemotionalisterten Pärchen, das offenbar aus der Ukraine kam. Sie hatte mit hochrotem Kopf und laut schimpfend bei einer Abstimmungsaktion – eigentlich hätten bunte Bälle einzeln entweder in ein Gefäß beschriftet mit "Keine Waffen" oder auch "Mehr Waffen" verteilt werden sollen – drei volle Hände in das Gefäß "mehr Waffen" geschaufelt.
An anderer Stelle war ein junger athletischer junger Mann auf eine Gruppe Friedensfahnen zugegangen, unter denen im Doppelpack auch die Fahne Palästinas getragen wurde. "Ihr könnt doch als Deutsche die Lage im Westjordanland gar nicht beurteilen." Nein, Gewalt ursächlich von Seiten der Siedler gäbe es gar nicht. Auch hier kam es zu intensiven, aber ruhigen Gesprächen zwischen den Kundgebungsteilnehmern und dem Befürworter eines "Groß-Israels".
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Ins Bockshorn jagen lassen hatte sich Dieter Hallervorden, der, von der nach Feindbildern lechzenden und an Bedeutung verlierenden Hofpresse nach allen "Regeln der Künste" vor sich hergetrieben, seinen Auftritt an diesem Ort und zu dieser Zeit kleinlaut kurzfristig meinte absagen zu müssen. Er wolle nicht mit erwartbaren "Beideseitenverstehern" (aka neudeutsch Russlandverstehern) in Zusammenhang gebracht werden. Selbstgefällig schlachtete besagte Hofberichterstattungspresse diesen scheinbaren Propagandasieg für sich aus.
"Ich habe das Gefühl, ich habe mein Land verloren und Europa dazu", stellt die Europaverfechterin Ulrike Guérot traurig fest. Die Entwicklung der strategischen Enteignung des "alten Kontinents" und die Vorbereitungen zur Absicherung unipolarer Strukturen hätten eigentlich schon ganz unmittelbar nach der Rede des "visionären Putin" im Deutschen Bundestag 2001 begonnen. Danach lief durch dessen einnehmende und mit Europa- und Friedensträumen reich gespickte Rede die offenbar hochalarmierte "transatlantische Logik" gegen Europa, gegen die Idee eines "größeren Europas" mit eigenen Rohstoffreserven an.
Dies kulminierte, so beschreibt es Guérot, im Terroranschlag auf Deutschland im Dezember 2022: Man konnte offensichtlich unter breiterer Mittäterschaft Nord Stream 2 in die Luft sprengen, ohne dass sich in der wie betäubten und gelähmten politischen Bundesrepublik irgendein nennenswerter ehrlicher Widerstand regte. "Black Rock" lässt grüßen, formuliert sie mit Verweis auf den Feldzug um Rohstoffvorkommen in der Ukraine und erntet, auch hier, tosenden Beifall von den tausenden Friedensbewegten in der bayerischen Weltmetropole.
"Wenn über Krieg über unsere Köpfe hinweg entschieden werden kann, dann sind wir eigentlich nicht mehr in einer Demokratie", mahnt sie. "Die EU können wir getrost ziehen lassen, aber Europa darf nicht sterben!"
Lässt sich diese Entwicklung noch durch mutiges Selbstbesinnen wenden?
"Es reißt die schwersten Mauern ein
Und sind wir schwach und sind wir klein
Wir wollen wie das Wasser sein
Das weiche Wasser bricht den Stein",
Das sangen Dieter Dehm und Fernsehpfarrer Jürgen Fliege gemeinsam mit den Teilnehmern bei strahlendstem Sonnenschein – seit der Kundgebung 1981 im Bonner Hofgarten ist dies die Hymne der Guten Hoffnung der Friedensbewegten schlechthin.
Einigen kamen bei diesem Lied die Tränen. Angesichts des zweifelhaftem Weges viele Grüner seither vielleicht sogar zu recht.
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Kommentar von Alfonso Kerner
"Im Herzen Münchens und aus den Herzen der zahlreichen Teilnehmer: Der "Antikriegstag" auf dem Marienplatz in München"
Sehr gute Sache natürlich.
Es wäre aber interessant zu wissen, aus welcher Altersgruppe die Teilnehmer waren, die hier gegen Krieg demonstrierten, überwiegend Ü50 (also Omas und Opas) oder junge Leute, die Interesse an einer Zukunft in einer friedlichen Welt haben?
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Kommentar von Carl Peter
Während einige im öffentlichen Fernsehen Anleihen bei über achtzig Jahre zurückliegenden und menschenverachtenden Unzeiten machen, sind es hier doch die genau dagegen gesetzten Impulse, die zur Hoffnung beitragen, nicht wieder Teil von “Mein Sumpf” zu werden.