Im Interview: Andy Ziegler ist Aschaffenburger

Der Macher von Messerinzidenz.de: Der erstochene Aschaffenburger ist für mich Held Nummer eins!

von Alexander Wallasch (Kommentare: 8)

„Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert.“© Quelle: © Quelle: Main-Echo/ Screenshot

Der Macher von www.messerinzidenz.de ist in Aschaffenburg aufgewachsen. Wir sprechen mit Andy Ziegler, der sich wie kein Zweiter in Deutschland mit den täglichen Messerangriffen beschäftigt. Das Grauen ist jetzt auch in seiner Heimatstadt angekommen. Oder war es längst da?

Andy, Du hast vor bald einem Jahr www.messerinzidenz.de entwickelt, installiert und veröffentlicht, die Presse hat umfangreich berichtet. Jetzt ist es ruhiger geworden. Aber die hohe Zahl der täglichen Messerangriffe selbst nicht. Wundert dich der heutige Mordanschlag in Aschaffenburg?

Das stimmt, es ist ruhiger geworden in den Medien. Aber viele Leute schauen regelmäßig auf www.messerinzidenz.de. Was ebenfalls nicht abgenommen hat, sind tatsächlich die Attacken, die Anzahl der Angriffe, die Anzahl der Vorfälle.

Aschaffenburg wundert mich insofern, da es meine Heimatstadt ist. Eine sehr beschauliche Stadt, die aber im letzten halben Jahr bereits mehrere solcher Vorfälle hatte, wo es zu Messerangriffen kam. Auch auf Kinder! Heute ist offensichtlich ein zweijähriges Kind gestorben. Und zuletzt – das muss Ende letzten Jahres gewesen sein – gab es auch einen Angriff auf eine Kindertagesstätte. Auch in der Nähe vom jetzigen Anschlagsort. Und das macht natürlich besonders betroffen, wenn das die Region ist, die Stadt, in der man selbst als Kind gespielt hat und groß geworden ist.

Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert und bin noch regelmäßig in Aschaffenburg, um meine Familie zu besuchen. Eine wunderbare Stadt, direkt am Main. Hier ist alles sehr beschaulich. Das hier jetzt dieser tägliche Messerterror angekommen ist, das macht einfach nur traurig und wütend.

Kannst du etwas zum Park sagen, zum Tatort der Morde?

Der Park ist schön zum Spazierengehen und um sich dort auszuruhen. Aber offenbar wurde er schon vor den Morden von der Polizei als gefährliche Gegend eingestuft.

Die Medienberichterstattung ist weniger geworden, die Messerinzidenzen sind aber ähnlich hoch geblieben. Kannst du da schon eine Tendenz berichten?

Das Portal ist seit August 2023 geöffnet. Damals habe ich angefangen, regelmäßig täglich die Daten zu sammeln. Der Trend ist fast konstant geblieben. Täglich haben wir so um die 10 bis 15 Messervorfälle deutschlandweit, die dort erfasst werden bei einer relativ hohen Dunkelziffer. Ich bin jetzt gespannt auf Februar/März. Wenn dann die offizielle polizeiliche Kriminalstatistik für 2024 veröffentlicht wird, dann lässt sich die echte Dunkelziffer noch besser beziffern.
Wir haben auf www.messerinzidenz.de ungefähr eine Dunkelziffer um 70 Prozent. Vieles wird eben nicht per Pressemitteilung veröffentlicht, dafür passiert einfach viel zu viel.

Der Täterhintergrund wird in den Polizeimeldungen kaum noch erwähnt. Aber was häufiger zu lesen ist, wenn es ein deutscher Täter war. Kann ich jetzt davon ausgehen, dass da, wo „deutscher Täter“ nicht erwähnt ist, man automatisch einen Migranten als Täter vermuten muss?

Da wäre ich jetzt vorsichtig, denn auch deutsche Täter können einen migrantischen Hintergrund haben. Sobald die Leute zum Beispiel eingebürgert sind. Das mit der Täterherkunft – wo kommen sie her, wer genau ist das? – da sind die Daten sehr schlecht. Leider wird selten etwas dazu gesagt. Da sind die Medien besser dran, wie jetzt in Aschaffenburg. Da weiß man wohl bereits, es war ein Afghane. Generell wird der Hintergrund der Messerattentäter nicht veröffentlicht. So ist es fast unmöglich zu sagen, wie die wahre Verteilung ist.

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Hast du ebenfalls den Eindruck, dass diese Erwähnungen des Täterhintergrunds seit Beginn von www.messerzidenzen.de immer weniger geworden sind? Ich habe sogar den Eindruck, das ist fast komplett eingestellt worden. Wie das zu handhaben ist, ist ja Ländersache ...

Trendmäßig kann ich jetzt ad hoc nichts dazu sagen. Ich weiß, es gibt Bundesländer, die melden es ganz, ganz wenig. Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist da relativ offen, was die Täterhintergründe und -herkunft angeht.

Was ich aber gemerkt habe ist, dass die verschiedenen Werkzeuge, mit denen jetzt solche Sachen begangen werden – ebenso, wie die Umschreibungen davon – oft sehr kryptisch waren. Dann war es nur noch ein spitzer Gegenstand oder messerähnliche Objekte. Deshalb habe ich auch die Suchbegriffe auf www.messerinzidenz.de anpassen müssen.

Ich bemerke auf X, dass die Menschen immer resignierender, verzweifelter und auch wütender werden. Du sammelst Daten. Sehr statistisch und emotionsarm in der Darstellung. Wie gehst Du damit um? Hast du dich mittlerweile an den täglichen Horror gewöhnt?

Ich will mich nicht daran gewöhnen. Es macht immer noch betroffen. Auch wenn man vor allem Meldungen über Kinder liest, die dann Opfer werden. Und auch leider immer öfter Opfer sind! Ich versuche da irgendwie Abstand zu nehmen. Muss man ja auch.

Vielleicht stumpft man tatsächlich ab. Aber wenn es dann wieder so nah passiert, räumlich und auch emotional wie jetzt in meiner Heimatstadt Aschaffenburg, da kann ich mich nur aufregen. Das ist keine Resignation, ich werde eher wütend, warum so was immer wieder passiert, was für einen Sinn das haben soll.

Auch ein 41-jähriger Mann wurde erstochen. Er soll sich schützend vor die Kinder geworfen haben, damit nicht noch mehr erstochen werden. Er ist dadurch selbst zum Opfer geworden. Ist der Begriff "Held" hier angebracht?

Definitiv. So etwas ist das heldenhafteste, was man tun kann. Das jemand so aus dem Leben gerissen wird, ganz plötzlich, dafür gibt es keinen guten Grund. Aber sich dann schützend vor eine Gruppe Kinder zu stellen, wohl wissend, was passieren kann, das ist heldenhaft. Denn es ist statistisch so: Wenn man in eine Messerstecherei verwickelt wird, sind die Chancen ganz schlecht, egal wo man getroffen wird.

Definitiv: Der Aschaffenburger ist Held Nummer eins jetzt für mich!

Danke für das Gespräch!

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