Andy, Du hast vor bald einem Jahr www.messerinzidenz.de entwickelt, installiert und veröffentlicht, die Presse hat umfangreich berichtet. Jetzt ist es ruhiger geworden. Aber die hohe Zahl der täglichen Messerangriffe selbst nicht. Wundert dich der heutige Mordanschlag in Aschaffenburg?
Das stimmt, es ist ruhiger geworden in den Medien. Aber viele Leute schauen regelmäßig auf www.messerinzidenz.de. Was ebenfalls nicht abgenommen hat, sind tatsächlich die Attacken, die Anzahl der Angriffe, die Anzahl der Vorfälle.
Aschaffenburg wundert mich insofern, da es meine Heimatstadt ist. Eine sehr beschauliche Stadt, die aber im letzten halben Jahr bereits mehrere solcher Vorfälle hatte, wo es zu Messerangriffen kam. Auch auf Kinder! Heute ist offensichtlich ein zweijähriges Kind gestorben. Und zuletzt – das muss Ende letzten Jahres gewesen sein – gab es auch einen Angriff auf eine Kindertagesstätte. Auch in der Nähe vom jetzigen Anschlagsort. Und das macht natürlich besonders betroffen, wenn das die Region ist, die Stadt, in der man selbst als Kind gespielt hat und groß geworden ist.
Ich bin hier zur Schule gegangen, habe hier studiert und bin noch regelmäßig in Aschaffenburg, um meine Familie zu besuchen. Eine wunderbare Stadt, direkt am Main. Hier ist alles sehr beschaulich. Das hier jetzt dieser tägliche Messerterror angekommen ist, das macht einfach nur traurig und wütend.
Kannst du etwas zum Park sagen, zum Tatort der Morde?
Der Park ist schön zum Spazierengehen und um sich dort auszuruhen. Aber offenbar wurde er schon vor den Morden von der Polizei als gefährliche Gegend eingestuft.
Die Medienberichterstattung ist weniger geworden, die Messerinzidenzen sind aber ähnlich hoch geblieben. Kannst du da schon eine Tendenz berichten?
Das Portal ist seit August 2023 geöffnet. Damals habe ich angefangen, regelmäßig täglich die Daten zu sammeln. Der Trend ist fast konstant geblieben. Täglich haben wir so um die 10 bis 15 Messervorfälle deutschlandweit, die dort erfasst werden bei einer relativ hohen Dunkelziffer. Ich bin jetzt gespannt auf Februar/März. Wenn dann die offizielle polizeiliche Kriminalstatistik für 2024 veröffentlicht wird, dann lässt sich die echte Dunkelziffer noch besser beziffern.
Wir haben auf www.messerinzidenz.de ungefähr eine Dunkelziffer um 70 Prozent. Vieles wird eben nicht per Pressemitteilung veröffentlicht, dafür passiert einfach viel zu viel.
Der Täterhintergrund wird in den Polizeimeldungen kaum noch erwähnt. Aber was häufiger zu lesen ist, wenn es ein deutscher Täter war. Kann ich jetzt davon ausgehen, dass da, wo „deutscher Täter“ nicht erwähnt ist, man automatisch einen Migranten als Täter vermuten muss?
Da wäre ich jetzt vorsichtig, denn auch deutsche Täter können einen migrantischen Hintergrund haben. Sobald die Leute zum Beispiel eingebürgert sind. Das mit der Täterherkunft – wo kommen sie her, wer genau ist das? – da sind die Daten sehr schlecht. Leider wird selten etwas dazu gesagt. Da sind die Medien besser dran, wie jetzt in Aschaffenburg. Da weiß man wohl bereits, es war ein Afghane. Generell wird der Hintergrund der Messerattentäter nicht veröffentlicht. So ist es fast unmöglich zu sagen, wie die wahre Verteilung ist.
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Hast du ebenfalls den Eindruck, dass diese Erwähnungen des Täterhintergrunds seit Beginn von www.messerzidenzen.de immer weniger geworden sind? Ich habe sogar den Eindruck, das ist fast komplett eingestellt worden. Wie das zu handhaben ist, ist ja Ländersache ...
Trendmäßig kann ich jetzt ad hoc nichts dazu sagen. Ich weiß, es gibt Bundesländer, die melden es ganz, ganz wenig. Nordrhein-Westfalen beispielsweise ist da relativ offen, was die Täterhintergründe und -herkunft angeht.
Was ich aber gemerkt habe ist, dass die verschiedenen Werkzeuge, mit denen jetzt solche Sachen begangen werden – ebenso, wie die Umschreibungen davon – oft sehr kryptisch waren. Dann war es nur noch ein spitzer Gegenstand oder messerähnliche Objekte. Deshalb habe ich auch die Suchbegriffe auf www.messerinzidenz.de anpassen müssen.
Ich bemerke auf X, dass die Menschen immer resignierender, verzweifelter und auch wütender werden. Du sammelst Daten. Sehr statistisch und emotionsarm in der Darstellung. Wie gehst Du damit um? Hast du dich mittlerweile an den täglichen Horror gewöhnt?
Ich will mich nicht daran gewöhnen. Es macht immer noch betroffen. Auch wenn man vor allem Meldungen über Kinder liest, die dann Opfer werden. Und auch leider immer öfter Opfer sind! Ich versuche da irgendwie Abstand zu nehmen. Muss man ja auch.
Vielleicht stumpft man tatsächlich ab. Aber wenn es dann wieder so nah passiert, räumlich und auch emotional wie jetzt in meiner Heimatstadt Aschaffenburg, da kann ich mich nur aufregen. Das ist keine Resignation, ich werde eher wütend, warum so was immer wieder passiert, was für einen Sinn das haben soll.
Auch ein 41-jähriger Mann wurde erstochen. Er soll sich schützend vor die Kinder geworfen haben, damit nicht noch mehr erstochen werden. Er ist dadurch selbst zum Opfer geworden. Ist der Begriff "Held" hier angebracht?
Definitiv. So etwas ist das heldenhafteste, was man tun kann. Das jemand so aus dem Leben gerissen wird, ganz plötzlich, dafür gibt es keinen guten Grund. Aber sich dann schützend vor eine Gruppe Kinder zu stellen, wohl wissend, was passieren kann, das ist heldenhaft. Denn es ist statistisch so: Wenn man in eine Messerstecherei verwickelt wird, sind die Chancen ganz schlecht, egal wo man getroffen wird.
Definitiv: Der Aschaffenburger ist Held Nummer eins jetzt für mich!
Danke für das Gespräch!
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Kommentar von R.S.
......habe die Polizei den Park in Teilen als „gefährlichen Ort“ eingestuft."
Mitten in Deutschland...ein Stadtpark.Vermutlich nicht der einzigste Park, der nicht mehr der Erholung dient.Der gefährlich ist. Dieser Widerspruch "Stadtpark -Gefährlich" scheint keinem aufzufallen in der Politik.Stimme Carl Peter zu...in Deutschland läuft es "objektiv" total Scheiße.
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Kommentar von Carl Peter
In Deutschland läuft es "objektiv" total Scheiße:
"Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, habe die Polizei den Park in Teilen als „gefährlichen Ort“ eingestuft. Laut Polizeichef Frank Eckhardt handle es sich dabei vor allem um Betäubungsmitteldelikte, um Raub sowie Körperverletzung innerhalb dieses Drogenmilieus. Er habe es aber „objektiv sicher“ genannt, sich im Park Schöntal aufzuhalten. Die Polizei ist dort immer wieder mit Fußstreifen unterwegs, wie der Sprecher sagte. Womöglich auch deshalb hätte der Verdächtige rasch gefasst werden können." (Welt)
Ich habe gesamtgesellschaftlich nicht den Eindruck, daß dieses entsetzliche und doch vorhersehbare Verbrechen, letztlich nicht doch weniger schlimm ist, als der Trump oder die AfD.
Wie kann man nach einer solchen Tat noch unbefangen in Aschaffenburg und all den anderen Tatorten leben?
Achso, das Leben muss ja weitergehen, ich lass' mir doch durch so was nicht den Park vermiesen und überhaupt, 100% Sicherheit gibt es sowieso nicht und ein Zombie reflektiert ja auch nicht über sich als Fluchtursache, sondern folgt seinem ureigensten Sein und einer Berechtigung in sich selbst.
Die Beschaffenheit des Menschen beruht im wesentlichen aus willentlichen und nichtwillentlichen Vorgängen psychischer und physischer Natur - darum lernt der Mensch vorallem an sich selbst, sozusagen durch Atem, Darm und Geist.
Wer will schon Ersticken, nicht mehr scheissen können und wie ein gedankenloser Depp in die Grube fallen?
Ich denke mir, das sind jetzt schon ziemlich viele.
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Kommentar von Judith Panther
Andy Ziegler auf alexander-wallasch.de/die-furchtlosen/der-macher-von-messerinzidenz-de-der-erstochene-aschaffenburger-ist-fuer-mich-held-nummer-eins:
„Aschaffenburg … Eine sehr beschauliche Stadt, die aber im letzten halben Jahr bereits mehrere solcher Vorfälle hatte, wo es zu Messerangriffen kam. Auch auf Kinder!
Heute ist offensichtlich ein zweijähriges Kind gestorben.
Und zuletzt – das muss Ende letzten Jahres gewesen sein – gab es auch einen Angriff auf eine Kindertagesstätte.
Auch in der Nähe vom jetzigen Anschlagsort.“
Namentlich unbekannte BR-"Journalistin" auf
nius.de/news/aschaffenburg-bayerischer-rundfunk-nennt-terror-tat-spannend-und-interessant/f9525ad5-ff88-4e26-86ea-8e932cfedfbf
„… 2jähriges Kind gestorben. Es ist `ne interessante, spannende und ich würde sagen – für Aschaffenburg eher ungewöhnlich. Das ist ja `ne Stadt mit 60 000 Einwohnern und sowas ist bei uns bislang tatsächlich noch nicht passiert. …“
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Kommentar von .TS.
Die Frage ist auch warum die Staatsmacht den Park als gefährlich einstufte. Lag es wirklich allein an der geänderten Sicherheit, oder weil man einen Vorwand brauchte verstärkt zu kontrollieren und überwachen zu können? Womöglich gar harmlose Bürger mit ins Radar nehmen zu können?
Jedenfalls löblich daß Herr Ziegler mit seinem Projekt dafür sorgt daß da was niemals Normalität werden darf konstant fortlaufend dokumentiert wird - PI-News oder Reitschuster haben derweil mit ihren handgepflegten Sammlungen längst vor der Flut der fachkräftigen Bereicherung kapituliert.
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Kommentar von Hans Walter Müller
Meines Erachtens kann eine psychische Erkrankung kein schuldmindernter Umstand sein. Auch im Bau kann ggf. eine Behandlung einer psychischen Erkrankung erfolgen. Außerdem ist die Nennung oder die Vermutung einer solchen Erkrankung m.E. grundsätzlich überflüssig. Welcher Mensch mit "normalen Verstand" unternimmt solche Anschläge?
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Kommentar von Alfonso Kerner
Wenn der Interviewpartner meint"
"Eine wunderbare Stadt, direkt am Main. Hier ist alles sehr beschaulich",
dann ist das wohl bei ihm ein Bild im Kopf, dass bei ihm in der Vergangenheit geprägt wurde.
Denn die Polizei sagt doch wohl das Gegenteil:
"Der Park ist schön zum Spazierengehen und um sich dort auszuruhen. Aber offenbar wurde er schon vor den Morden von der Polizei als gefährliche Gegend eingestuft."
Es ist wohl in vielen kleine Städtchen in der Größe wie Aschaffenburg (rd. 50.000 Einwohner) so, Provinzstädtchen, die noch Dorfcharakter haben, dass die Einheimischen immer noch glauben, bei uns ist es ja immer noch beschaulich, so lange sie persönlich noch nicht direkt betroffen sind. Vorher blenden viele Einwohner die einfach aus.
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Kommentar von F. Lo
„Definitiv: Der Aschaffenburger ist Held Nummer eins jetzt für mich!“ Ja, auf jeden Fall, aber als Held sein Heldentum mit dem Leben zu bezahlen, ist schon grauenhaft.
Mein Beileid den Angehörigen, Verletzten und denen, die die Tat miterleben mussten.
Interessant an all den Messerangriffen der letzten Zeit ist doch vor allem, wie viele Täter/Tatverdächtige schon kurz nach der Tat ohne große psychologische Befragung als psychisch krank gelten. Meist liest man bereits Stunden (!) nach dem Ereignis, der Täter sei wohl psychisch gestört oder traumatisiert. Ach ja, und er war mal bei einem Psychologen, wie man hört. Ich denke mal, es sind gefühlt so viele Betroffene, dass auch der menschliche Reflex, kranke Täter weniger zu verurteilen als normale („sie können nichts für ihr Tun“), nicht mehr ganz funktioniert. Man ist als Beobachter einfach gelähmt bei so vielen „Einzelfällen“.
Zum einen entspricht es der Logik, dass mit zunehmender Migration in ein Land statistisch immer mehr kranke Täter auftreten werden. Man hat sie im Blick, kann aber erst richtig einschreiten, wenn es Schwerverletzte und Tote gibt. Bitter.
Zum anderen muss man auch klarbekommen, meine ich, ob eine psychische Krankheit automatisch jegliche emotionale und Handlungs-Kontrolle und jegliches kognitive Nachdenken zum Zeitpunkt der Tat ausschließt. Sprich: Ist der Täter grundsätzlich nicht mehr verantwortlich (oder jedenfalls nur wenig verantwortlich) für das Grauen, das er anrichtet, weil er als „psychisch krank“ gilt? Konnte er sich zum Zeitpunkt der Tat wirklich überhaupt nicht beherrschen? Musste er zustechen? Vor allem: Lässt sich Stunden und Tage/Wochen nach der Tat noch realistisch klären, in welchem Zustand der Angeklagte während der Tat war (zumal wenn seine deutschen Sprachkenntnisse nicht gut sind, er sich also nur mangelhaft artikulieren kann)?
Fragen über Fragen.
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Kommentar von Mad Max
… warum sind die Hetzer*innen und Brandstifter*innen noch nicht verhaftet? Fangt endlich an!