Focus und Cicero lassen Studienmacher selbst schreiben

Journalismus verkehrt: Die Macher des „Deutschland-Psychogramm“ schreiben über ihre eigene Studie

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Der Trend geht hin zur Glaubensberichterstattung© Quelle: Pixabay / Gerald

Grundsätzlich könnte interessant sein, was ein „Deutschland-Psychogramm“ über die Deutschen in Erfahrung bringt. Wenn aber in den Medien die Macher der Umfrage auch die Autoren der Berichte über diese Umfrage sind, die man zudem nicht selbst einlesen kann, dann hat das mit Journalismus nichts mehr zu tun.

Die Annahme, der Zuschauer oder Leser fresse, was man ihm in den Napf schmeißt, scheint zu einer grassierenden Seuche geworden zu sein, die aktuell gerade wieder bei Focus und Cicero verinnerlicht worden zu sein scheint.

Aktuell berichten beide Magazine über ein „Deutschland-Psychogramm“, das, so der Focus, „auf Basis von tiefenpsychologischen Interviews die Haltungen der Deutschen zum Ukraine-Krieg untersucht“ haben will. Der Cicero schreibt, das Psychogramm fühle „Bürgern den psychologischen Puls“.

Wer nun selbst einmal schauen will, was es mit diesem Psychogramm auf sich hat, der läuft allerdings ins Leere. Erstellt haben soll das Psychogramm ein „concept m Institut“. Auf deren Webseite ist allerdings (Recherche 4. April, 12:30 Uhr) nichts von einem „Deutschland-Psychogramm“ zu finden. Weder die Entstehungsgeschichte noch die Art der Studie und wer sie womöglich beim wem beauftragt hat oder wer sie an wie vielen Befragten erhoben ist, wurde erwähnt.

Stattdessen ist bei „concept m Institut“ die Rede von einem „Globalen Netzwerk mit lokalen Forschern“, nach Selbstauskunft arbeite man „in 40 Ländern mit erfahrenen lokalen Forschern zusammen, die regelmäßig unseren Forschungsansatz einsetzen. Die lokalen Forschungsteams garantieren hohe Qualität.“

In den Artikeln beim Focus oder Cicero ist keine Quelle hinterlegt. Es gibt auch hier keinen Hinweis auf die Konstruktion bzw. die Machart der Studie bzw. des Psychogramms.

„concept m Institut“ schreibt auf ihrer Webseite, man freue sich über eine Kontaktaufnahme auch „per Telefon“. Okay, da könnte man ja nachfragen, ob man auf deren Webseite eine Verlinkung hin zum Psychogramm vielleicht übersehen hat. Der Anrufer hat die Wahl zwischen „Köln, Berlin, Los Angeles und Shanghai“.

In Köln geht immer nur der Anrufbeantworter ran, ein Rückruf erfolgt nicht. Und die Nummer in Berlin existiert nicht mehr. In Los Angeles geht zwar jemand ans Telefon, sagt aber seinen Namen nicht, sondern nur „Hallo“ und reagiert dann gar nicht mehr auf weitere Nachfragen. Shanghai sparen wir uns dann.

Kurz zusammengefasst: Der Focus, Cicero und weitere berichten über eine Studie, über ein „Psychogramm“, dass man inhaltlich gar nicht einsehen kann. Nun könnte man annehmen und sich drauf verlassen, dass der Focus und Cicero sich das „Deutschland-Psychogramm“ genauer angeschaut haben.

Treue Leser vertrauen an der Stelle einfach ihren Medien. Aber da wird die Geschichte dann endgültig skurril. Denn der Blick auf den Autor des Berichtes über das Deutschland-Psychogramm von „concept m Institut“ offenbart, dass es sich um Dirk Ziems handelt, er ist kein Geringerer als einer der beiden Gründer von „concept m Institut“. Tatsächlich engagieren Focus wie Cicero den Macher einer Studie, um über seine eigene Studie zu berichten, ohne dass diese Studie zur Überprüfung verlinkt wäre.

Über Ziems schreibt Ziems selbst auf seiner Webseite, er sei „Experte für tiefenpsychologisches Marketing“ und er begleitete – Achtung, ein doller Satz: – „Themen wie die Adaption von Erfolgsprodukten in neuen kulturellen Kontexten, das tiefe Verständnis neuer Konsumgenerationen in China und USA, die Transformation der Werbekommunikation in der neuen digitalen Medienwelt oder die Neuorientierung der Brands in Post-Corona-Zeiten".

Pustet man den Milchschaum vom Portfolio, dann bleibt nüchtern betrachtet der Autor seiner eigenen Studie – die wie auch immer entstanden ist, man weiß es ja nicht – übrig.

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Der Focus titelt breit: „Deutschland-Psychogramm enthüllt, was Deutsche wirklich über Putins Krieg denken“. Autor: Dirk Ziems. Und was der über seine eigene Arbeit schreibt, darf man nun glauben oder nicht. Da ist die Rede von „durchgeführten Tiefeninterviews“, wie viele, wann und von wem durchgeführt, erfährt der Leser nicht. Es hat ihn einfach nicht zu interessieren.

Konkret heißt es weiter, nur noch eine Minderheit sei der Meinung, dass der Konflikt mit Putin „entschieden durchgekämpft“ werden muss. Was das für eine Minderheit ist, erfährt man nicht. Sind es 49,9 Prozent oder 0,9 Prozent oder wäre das dann schon eine verschwindende Minderheit?

Ziems zitiert für den Focus sogar einen der Befragten:

„Ein Interviewpartner hat diesen Eindruck folgendermaßen zusammengefasst: ,Die Deutschen haben eine pazifistische Grundeinstellung. Dass sie jemals gezwungen wären, ihr Land und ihre Werte im Krieg zu verteidigen, ist ihnen grundsätzlich fremd. Ein Volk im Home-Office, das nicht mitbekommt, dass da draußen ein Krieg tobt, der auch sie betrifft.'“

Journalistisch ist das eigentlich eine Nullnummer. So etwas darf man seinen Lesern nicht anbieten. Das entspräche in etwa dem Vorgehen, die Kriminalstatistik von Nancy Faeser vorstellen zu lassen oder die berüchtigte „Mitte-Studie“, die überall Antisemiten und Nazis wittert, vom linken Institutsleiter Andreas Zick selbst vorstellen zu lassen. Beides wäre journalistisch hochgradig unseriös.

Cicero schreibt im Intro zum Artikel von Ziems über Ziems und das Deutschland Psychogramm von Ziems:

„Für 2024 gibt er einen ernüchternden Trend-Ausblick, den er auf der Basis von aktuellen Tiefeninterviews und Beobachtungen aus dem westlichen Ausland ableitet.“

„Beobachtungen aus dem westlichen Ausland“? Auch was das nun bedeuten soll, darf sich der Leser selbst vorstellen. Ein „Tiefeninterviewpanel“ soll es sein, schreibt Ziems über seine Arbeit. Und der Cicero findet nichts dabei, auch noch die ganze Angeberei von Ziems gleich mitabzudrucken:

Weil wir als global tätige Marketing- und Kulturforscher das Privileg genießen, uns ständig interkulturell informiert zu halten, können wir auch dazu bestimmte Trend-Hypothesen wagen.“

Und wenn Ziems dann für den Cicero Sätze wie den Folgenden schreibt, käme man fast auf die Idee, Ziems hätte sich parktischerweise auch einfach selbst interviewt:

„In Berlin habe ich es mehr als einmal erlebt, dass Besucher aus Rom verwundert waren, dass es an der Bushaltestelle einen Fahrplan mit Abfahrtszeiten gab.“

Dazu abschließend zusammengefasst ein paar der wenigen Fakten: Dirk Ziems von „concept m Institut“ fährt in Berlin Bus und sein Bürotelefon ist nur eine Attrappe.

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