Der politische Arm der Extremisten sitzt bereits in den Parlamenten

Die Grünen: Sie meinen, was sie sagen

von Alexander Wallasch (Kommentare: 27)

Habeck hätte Selenskyj auffordern müssen, sich Gesprächen mit Russland nicht weiter zu verweigern© Quelle: privat

Dr. Maaßen nach Ostermontag im Gespräch über die Entwicklung der Grünen und ihre Motivation, über Messerattentate und Messerverbote in Bus und Bahn und über einen nicht geahndeten islamischen und linken Antisemitismus.

Alexander Wallasch: Am kommenden Samstag, dem 15. April, sollen die letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden. Damit fallen 4.500 Megawatt Strom weg. Nahezu in gleichem Atemzug sagte Habeck, dass er Atomkraft in der Ukraine „in Ordnung“ findet. Ist das logisch?

Hans-Georg Maaßen: Das ist im Denken der grünen Ideologen durchaus logisch. Wir müssen uns davon lösen, zu glauben, dass es den grünen Ideologen um das geht, was sie uns glauben lassen wollen. Es ging ihnen nie wirklich um Umwelt- und Naturschutz, um Klimaschutz und um die Angst vor der Kernenergie. Das war genauso vorgeschoben wie ihr Pazifismus, ihre Friedenspolitik und die Abrüstungsforderungen.

Diese Themen sind von den Grünen vorgeschoben worden, weil man damit Menschen emotionalisieren und mobilisieren kann. Wenn das Thema nicht mehr gebraucht wird, lässt man es fallen, und man hat keine Skrupel, genau das Gegenteil zu tun und zu vertreten. Es geht den ideologischen Kadern, die teilweise ihre Wurzeln im kommunistischen oder maoistischen Milieu hatten, vielmehr um den Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft in eine ökosozialistische oder neomarxistische Kollektivgesellschaft, in der die politische Führung den Einzelnen vorschreibt, was sie noch konsumieren dürfen und wie sie zu leben haben.

Die fanatische Anhängerschaft der Grünen macht jede 180-Grad-Kehrtwendung mit, da sie die grüne Ideologie zur Befriedigung ihrer fehlentwickelten emotionalen Bedürfnisse braucht. Es geht der Anhängerschaft in großen Teilen weder um Klimaschutz noch um Antirassismus noch um Frieden oder um Naturschutz, sondern diese zum Teil infantile oder neurotische Anhängerschaft schöpft ihre Begeisterung für die Bewegung daraus, dass sie überzeugt ist, dass sie trotz innerer Widersprüche, Irrtümer, Winkelzüge und Kehrtwenden der grünen Bewegung zur Avantgarde und zu den radikal Guten gehört.

Das und die gesellschaftliche Anerkennung und Bestätigung brauchen diese – wie ich finde – fehlentwickelten Menschen für ihr Selbstwertgefühl. Und dabei stören sie sich weder an logischen Brüchen, an inneren Widersprüchen und vor allem auch nicht daran, dass diese Ideologie in keiner Weise mit der Realität und den physikalischen Gesetzen in Einklang zu bringen ist. Sie reagieren vielmehr aggressiv und fanatisch, wenn man sie mit der Weltfremdheit ihrer Ideologie und ihren erheblichen selbstzerstörerischen Konsequenzen konfrontiert. Die Grünen sind für mich inzwischen eine gefährliche politische Sekte.

Die Abschaltung der Kernkraftwerke ist ein erheblicher energiepolitischer Fehler, der zu einer weiteren Destabilisierung unserer Energieversorgung, zu weiteren Kostensteigerungen und zur Einschränkung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit führt. In anderen Staaten werden weiter viele Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke gebaut. Andere Kernkraftwerke mit einem niedrigeren Sicherheitsniveau als in Deutschland – wie zum Beispiel in der Ukraine – werden weiter betrieben. Der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie schadet dem deutschen Volk erheblich und nutzt nur unseren ökonomischen und politischen Konkurrenten.

Zu glauben, dass irgendein größerer Staat die deutsche Energiepolitik als Vorbild ansieht, ist ein infantiler Wunschtraum von Kinderbuchautoren. Die Realität wird so aussehen, dass Deutschland infolge dieser verrückten Politik weiter verarmen und gesellschaftlich und politisch immer instabiler werden wird.

Es ist ein durchschaubarer Plan, dass die Grünen jetzt versuchen werden, wegen des Rückgangs des Energieangebots die Menschen in Deutschland zunächst zum Sparen zu drängen, ihnen dann ein ökosozialistisches kollektives Verhalten aufzwingen, um in einem weiteren Schritt durch Rationierungen – oder wie inzwischen von grüner Seite gesagt wird: durch Kriegswirtschaft – die Nachfrageseite dem reduzierten Angebot anzupassen und damit Energie, Waren und Dienstleistungen für die gewöhnliche Bevölkerung zu rationieren.

Als Vorsitzender der WerteUnion verlange ich den Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland. Wir brauchen preisgünstige Energie, die uns von anderen Staaten unabhängig macht.

Alexander Wallasch: Vergessen Sie hier, dass der Ausstieg aus der Atomenergie eine Entscheidung der Unionskanzlerin Merkel war?

Hans-Georg Maaßen: In der Tat, für die Entscheidung über den Ausstieg aus der Kernenergie ist Frau Angela Merkel verantwortlich.

Alexander Wallasch: Bundeswirtschaftsminister Habeck entschuldigte sich bei seinem Besuch beim ukrainischen Präsidenten dafür, dass Deutschland die erbetenen Waffen nicht sofort geliefert habe. Er sei wegen der Verzögerungen „tief beschämt“. In welcher Rolle befindet sich eigentlich Deutschland, dass wir den ukrainischen Präsidenten um Entschuldigung bitten müssen, weil wir nicht rechtzeitig die geforderten Waffen für einen Krieg gegen Russland geliefert haben? Sind wir Vasall der Ukraine und bereits Kriegspartei?

Hans-Georg Maaßen: Es war offensichtlich ein Mitschnitt aus einem vertraulichen Gespräch, in dem sich Herr Habeck gegenüber Präsident Selenskyj entschuldigte und sich „tief beschämt“ zeigte. Man kann daraus den Eindruck gewinnen, dass Herr Habeck nicht deutsche Interessen vertritt, sondern als Erfüllungsgehilfe der Ukraine agiert. Die Ukraine hätte dankbar sein müssen für jeden Stahlhelm, den Deutschland lieferte, und durch den Deutschland immer weiter in das Kriegsgeschehen mithineingezogen wurde.

Dankbarkeit war aber aus Kiew nicht zu hören. Stattdessen dreiste Forderungen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass der Krieg in der Ukraine nicht unser Krieg ist. Unser nationales deutsches Interesse besteht darin, dass es in der Ukraine schnellstmöglich zu einem Waffenstillstand kommt. Herr Habeck hätte im Interesse der Bürger Deutschlands Selenskyj auffordern müssen, sich Gesprächen mit Russland nicht weiter zu verweigern.

Alexander Wallasch: Die Ampelregierung hat in der vergangenen Woche ein faktisches Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen ab dem 1. Januar 2024 beschlossen. Neue Heizungen sollen zumindest zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies gelte auch für Altbauten. Wird damit der bescheidene Wohlstand der kleinen Leute zerstört, die neue Heizungen kaum bezahlen können?

Hans-Georg Maaßen: Ich empfinde diese Regelung als einen Frontalangriff auf die persönliche und finanzielle Unabhängigkeit der deutschen Mittelschicht. Die Mittelschicht ist die unsere Verfassungsordnung tragende Gesellschaftsschicht, die die freiheitlich demokratische Grundordnung mit Bildung, Steuern, politischem Engagement, aber vor allem mit ihrem politischen Bewusstsein als freie und unabhängige Bürger mit Leben erfüllt.

Jedermann, der einigermaßen denken kann, begreift, dass es nicht um Klimaschutz geht, wenn zeitgleich in unseren Nachbarstaaten Kohlekraftwerke gebaut werden. Es geht um eine ökosozialistische oder neomarxistische Ideologie, die in Deutschland durchgedrückt werden soll. Ich glaube, dass die Regierung den Weg gehen wird, wieder Hilfsprogramme für besonders bedürftige Eigenheimbesitzer anzubieten, um den Unmut der Bürger einzuhegen.

Vermutlich wird dabei Geld zum Einsatz kommen, das erst einmal gedruckt werden muss. Aber letztlich geht es nicht um die Umwelt, sondern um die Umerziehung, dass Menschen dazu erzogen werden zu verzichten, viel weniger zu verbrauchen, ärmer werden wollen, dass sie nicht mehr in Einfamilienhäusern auf dem Land, sondern in „schönen Plattenbauten“ mit Fernwärme in den Städten leben, dass sie akzeptieren, dass ihre Dörfer aufgegeben werden, weil sie aus ökosozialistischer Sicht unrentabel sind.

Hamburgs Grüne hatten bereits angekündigt, wohin die Reise geht: Einfamilienhäuser sollen verboten werden. Auch dazu muss der Klimaschutz als Vorwand dienen. Wir sollten die Aussagen der Grünen sehr ernst nehmen. Sie meinen das, was sie sagen.

Und sie werden alles realisieren, was sie ankündigen, wenn sie die Macht dazu haben. Für mich ist erschreckend, dass sich bislang nur wenige gegen diesen Sozialismus auflehnen. Die meisten Bürger stellen sich noch die Frage: Wie soll ich das bezahlen, anstatt sich zu fragen: Wie können diese teils bildungsfernen, teils berufslosen Politiker uns so etwas vorschreiben?

Alexander Wallasch: Eine Bauunternehmerin hat mir einen Brandbrief geschickt, den sie an die FDP adressiert hat. Die Rolle der FDP in der Ampel, was ist Ihre Beobachtung?

Hans-Georg Maaßen: Man hat der FDP schon immer einen Hang zum Opportunismus nachgesagt. Die Enttäuschung bei vielen FDP-Wählern über die Ampel-Politik ist sehr groß und viele meinen, dass die FDP auch die irrwitzigsten ökosozialistischen Entscheidungen mitträgt, weil es für sie um Ministerposten und Ämter geht.

Ich glaube, das erklärt das Verhalten der FDP in der Koalition nur unzureichend. Die FDP ist nicht mehr die Partei von Genscher oder Westerwelle. Bei der Bundestagswahl hatten viele Wähler eine falsche Vorstellung von der FDP. Die FDP hat sich in den letzten 15 Jahren personell und programmatisch erheblich verändert, und die heutige FDP hat kaum Gemeinsamkeiten mit der FDP von Genscher oder Westerwelle. Sie hat sich politisch dem links-grünen Mainstream angepasst und klassische Liberale finden in der Partei leider keine Heimat. Das ist schade.

Alexander Wallasch: Nancy Faeser will das Sexualstrafrecht entschärfen. Ohne genauer auf die Details zu schauen: Was für eine Botschaft ist das, angesichts einer Zunahme solcher Straftaten aus dem Zuwanderungsmilieu?

Hans-Georg Maaßen: Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik, die Ministerin Faeser am 30. März der Öffentlichkeit vorstellte, ist die Zahl der Sexualdelikte innerhalb eines Jahres um 10,8 Prozent von 106.000 auf 118.000 gestiegen. Die Zahl der Vergewaltigungen in Deutschland stieg innerhalb eines Jahres um über zwanzig Prozent.

Ich erwarte von einer Bundesinnenministerin wie sicherlich Millionen andere Deutsche auch, dass sie vor dem Hintergrund dieser Entwicklung alles tut, damit es weniger Straftaten gibt. Stattdessen will sie wohl Straftaten dadurch reduzieren, dass das Sexualstrafrecht entkriminalisiert wird. Handlungen, die bisher Straftaten waren, sollen also entkriminalisiert werden.

Damit kann man natürlich auch die Statistik verbessern. Die Veränderung der statistischen Erfassung, um zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen, ist aus meiner Wahrnehmung eine Technik, die Sozialisten immer wieder anwenden. Hier ist es eine Verhöhnung der Opfer. Die Ministerin wird damit in keiner Weise ihrem Amt gerecht, Schaden von den Menschen in Deutschland abzuwenden.

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Alexander Wallasch: Parallel sollen Messer in Bussen und Bahnen verboten werden. Statt Kriminelle auszuweisen, sollen Messer ausgewiesen werden. Am erstaunlichsten für mich ist die Dreistigkeit des Vortrags von Nancy Faeser. Es ist ihr offensichtlich vollkommen egal, was das Volk von ihren Maßnahmen hält. Abgehoben?

Hans-Georg Maaßen: Ich empfinde es nicht als dreist, dass Frau Faeser diese Positionen vertritt. Ich empfinde es als skandalös, dass sie mit so etwas in unseren Medien durchkommen kann. Wir alle wissen, dass nicht die Messer das Problem sind. Auch die Täter sind nicht in erster Linie das Problem, denn sie würden wohlmöglich die Straftaten nicht begehen, wenn sie sich in ihrer Heimat aufhalten würden.

Das zentrale Problem sind die Politiker, die diese Straftäter ins Land holen und die Straftaten verschweigen oder verharmlosen. Das sind Politiker, die in kollusiven Zusammenwirken mit maßgebenden Staats- und Massenmedien eine Diskussion über ihre Ausländerpolitik beschränken oder verhindern und die dann medienwirksam die Messer als Ersatzschuldige identifizieren. Wenn es nach dieser Politik geht, wird demnächst jeder Bürger in Deutschland einen Messerführerschein besitzen müssen.

Alexander Wallasch: Die „Letzte Generation“ will an Schulen „Aktivisten“ für ihre politisch motivierten Aktionen und Straftaten rekrutieren. Radikale Klimaschützer organisieren mithilfe von Lehrern Vorträge. Jetzt planen die Extremisten Berlin lahmzulegen. Warum lassen wir uns all das gefallen?

Hans-Georg Maaßen: Wir lassen uns das gefallen, weil einerseits maßgebende Teile des politischen Betriebs und der Medien mit den Straftätern sympathisieren und weil große Teile der Konservativen und Liberalen immer noch glauben, das Problem werde sich auslaufen, es werde sich von selbst lösen oder jemand anderes wird sich schon darum kümmern.

Aber es wird sich nicht von selbst lösen und niemand anderes wird sich darum kümmern, wenn das Bürgertum nicht wach wird. Diese fanatischen Extremisten werden von Medien und Politik hofiert, und sie werden weitermachen, bis sie ihre Ziele erreicht haben, denn der politische Arm dieser Extremisten sitzt bereits in den Parlamenten.

Alexander Wallasch: Am vergangenen Samstag zogen mehrere hundert arabischstämmige Demonstranten durch Berlin und skandierten vom Lautsprecherwagen „Tod den Juden“. Die Aktivisten sangen „Tod, Tod, Tod Israel“. Auf einem Video dazu ist zu sehen, dass diese antisemitische Demonstration von Polizisten begleitet wurde. Bundesjustizminister Buschmann twitterte am Ostermontag – nachdem Sie und andere dies öffentlich kritisierten – „Ich gehe davon aus, dass alle zuständigen Sicherheitsbehörden demgemäß dagegen vorgehen.“ Die Sicherheitsbehörden waren vor Ort und taten nichts. Was stimmt bei uns denn nicht mehr?

Hans-Georg Maaßen: Bei der Antisemitismusbekämpfung stimmt in Deutschland einiges nicht mehr. Den islamischen und linken Antisemitismus in Deutschland darf man nicht ansprechen. Er ist politisch weitgehend tabuisiert. Es soll ihn nach dem Willen der politisch Korrekten nicht geben. Die antisemitische Einstellung vieler aus dem Bereich der politischen Linken wird einfach hingenommen.

Das Gleiche gilt auch für den Antisemitismus der muslimischen Einwanderer. Deshalb wunderte es mich nicht, dass die „Demonstration“ der arabischstämmigen Israelhasser – wie ich es auf einem Video wahrnahm – völlig entspannt von der Polizei begleitet wurde. Die Politik beschränkt sich stattdessen auf Symbolpolitik.

Hendryk Broder berichtete in der vergangenen Woche in der „Welt“, dass es in Berlin allein sechs Beauftragte gegen Judenhass gebe. Diese Beauftragten sehen den muslimischen Antisemitismus sicherlich genauso wenig wie den linken Antisemitismus. Denn aus linker Perspektive ist Antisemitismus rechts bzw. alle, die als rechts oder konservativ markiert und stigmatisiert sind, sind potenzielle Antisemiten.

Die politische Linke investiert lieber Geld, Personal und Zeit in Chiffrenschnüffelei, um politischen Gegnern „nachzuweisen“, dass sie Chiffren aus dem Milieu von Antisemiten verwenden, als dass sie Antisemiten in den eigenen Reihen und muslimischen Antisemitismus bekämpfen.

Alexander Wallasch: Letzte Woche sprachen wir über die Inhaftierung von Michael Ballweg, wenige Tage später wurde er aus der U-Haft entlassen. Stimmt Sie das positiv, was Justiz und Rechtsystem angeht?

Hans-Georg Maaßen: Ich kenne den Fall Michael Ballweg im Einzelnen nicht. Deshalb kann ich mich weder als Rechtsanwalt noch als politischer Aktivist sachkundig dazu äußern. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die deutsche Justiz in Teilen und vielleicht sogar im Allgemeinen ihren Kompass verloren hat. Und das führt zu der vielfach zitierten Erosion des Rechtsstaats.

Alexander Wallasch: Wir sprachen auch über Donald Trump und eine Anklage in New York – mir scheint, da ist nicht viel übergeblieben außer heißer Luft. Oder haben Sie etwas mitbekommen, das Trump hier noch bedrohlich werden könnte?

Hans-Georg Maaßen: Ich habe die Berichterstattung über die Anklageerhebung aufmerksam verfolgt. Hinsichtlich der Anklageerhebung teile ich die Einschätzung vieler Beobachter, dass sie ohne Präzedenz ist und unter normalen Umständen kaum zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen dürfte. Vielleicht zu einer Ordnungswidrigkeit. Trump wird die Fälschung von Geschäftsunterlagen vorgeworfen. Für mich spricht vor dem Hintergrund einiges dafür, dass die Justiz instrumentalisiert werden soll, um den politischen Gegner zu kriminalisieren. Wenn dem so ist, ist dies aus meiner Sicht ein Kulturbruch.

Alexander Wallasch: Sie haben in den vergangenen zwei Wochen auf Twitter erklärt, dass man Ihren Twitter-Account einzuschränken scheint. Was ist da los?

Hans-Georg Maaßen: Ich kann es nicht genau sagen, weil wir von Twitter dazu keine Erklärung erhielten. Ich hatte eine allgemeine, ganz harmlose Umfrage zu Friedrich Merz durchgeführt und dann hatte ich ein Interview mit Ihnen retweetet. Die beiden Tweets wurden für Deutschland und andere europäische Staaten ausgeblendet, in anderen Staaten waren diese Tweets zu sehen.

Nach einer Beschwerde waren sie dann auch wieder in Deutschland sichtbar. Allerdings war zu dem Zeitpunkt die Umfrage abgelaufen. Weiterhin war erstaunlich, dass ein Tweet, der in den ersten zwei Stunden sehr positiv aufgenommen und verbreitet wurde, plötzlich nicht mehr wahrgenommen wurde. Es war auffällig, dass nichts mehr passierte.

Wir alle wissen, dass es das so genannte Shadow-Banning gegen Menschen gibt, die die öko-woke Ideologie nicht teilen. Ich befürchte, dass ich auch Zielperson dieses Shadow-Bannings bin. Meinungsfreiheit ist mit das höchste Gut, das wir haben und das uns von totalitären Staaten unterscheidet.

Ich sehe die Meinungsfreiheit in Gefahr, wenn missliebige Äußerungen ausgegrenzt und gecancelt werden. Es ist nicht so, dass die handelnden Personen bei den Betreibern der sozialen Medien sich als Zensoren sehen und dass sie wahrnehmen, dass sie die Meinungsfreiheit einschränken. Nein, die sind vermutlich ideologisiert und halten das, was sie tun, für moralisch richtig, was sie in keiner Weise von Zensoren früheren Zeiten unterscheidet.

Vielleicht sind sie ein Stück weit dümmer oder ungebildeter als ihre Vorgänger in früheren Jahrhunderten, weil sie die intellektuelle Transferleistung vom Begriff Zensur zur Political Correctness nicht bewältigen können. Für mich ist es eine ganz gefährliche Entwicklung.

Alexander Wallasch: Demgegenüber sieht man allerdings am eigenen Account, dass Elon Musk diese Flut an Meldungen auf Twitter weitestgehend abschmettert und nur noch pro Forma beantwortet, um der deutschen Gesetzgebung Genüge zu tun. Da hat sich doch einiges verbessert unter Musk?

Hans-Georg Maaßen: Ich spüre in Deutschland überhaupt nicht, dass sich seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk etwas verbessert hat. Vielleicht sollte er sich einmal mit seinen Mitarbeitern in Deutschland beschäftigen.

Alexander Wallasch: Wie soll man die Grenze ziehen? Was ist im Bereich des Sagbaren und was nicht?

Hans-Georg Maaßen: Das war bis vor kurzem ganz einfach. Die Meinungsfreiheit ist eine offene Schranke, die selten oder nie runtergelassen wird. Es war eine generelle verfassungsrechtliche Erlaubnis, alles zu sagen und zu schreiben und zu meinen, es sein denn, es verstößt gegen Gesetze.

Diese Einschränkung war beschränkt durch wenige Bestimmungen im Strafrecht, insbesondere die Vorschriften über den Ehrschutz (Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede), den Volksverhetzungsparagrafen, das Verbot, zu Straftaten aufzurufen, und auch Vorschriften zum Schutz der Jugend.

Dann kam die politische Linke auf eine ausgesprochen raffinierte Idee: Sie führte politisch neu ein, dass auch Meinungen, die „Hass und Hetze“ seien, nicht toleriert werden dürften, wobei dies nicht gesetzlich geregelt ist.

Es blieb eine politisch-moralisch Vorgabe, und man ließ bewusst schwammig, was „Hass und Hetze“ ist. Klar war, dass allein die politische Linke die Definitionshoheit über „Hass und Hetze“ haben sollte. Klar war damit auch, dass das ein Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit war, denn das, was Linke als „Hass und Hetze“ verstehen, untersteht dem Schutz des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit, soweit es nicht gegen Strafgesetze verstößt. Leider sind die Konservativen und Liberalen eingeknickt und haben das mitgemacht.

Alexander Wallasch: Danke für das Gespräch.

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